Irrungen und Wirrungen gehören beim Thema Ernährung fast schon dazu. Ob etwas gesund ist oder nicht - dazu wabern Ernährungsmythen durch Medien und Internet. Doch was genau versteht man darunter? Der Paderborner Ernährungswissenschaftler Lars Libuda begreift sie als Regeln zum Essverhalten, die nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Seien sie in größeren Teilen der Bevölkerung bekannt und würden eventuell sogar angewendet, könne man von Ernährungsmythen sprechen.
Die Ursachen für die Verbreitung sind vielfältig: Es könne unter anderem sein, dass neue Erkenntnisse aus Studien überinterpretiert würden, sagt der Professor am Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit an der Universität Paderborn. Auszuschließen sei auch nicht, dass einzelne Punkte absichtlich platziert oder zumindest am Leben gehalten würden. So seien manche Lebensmittel mit Vitaminen angereichert, um besonders gesund zu wirken. «Dann kann dieser Mythos, dass wir alle ein Defizit an diversen Vitaminen haben und deswegen solche angereicherten Produkte brauchen, durchaus dazu beitragen, dass das Produkt besser verkauft wird.»
Was aber passiert, wenn man den Wahrheitsgehalt von Ernährungsmythen überprüft? Entpuppen sich einige als Irrtümer oder gar Lügen?
Behauptung: Bestimmtes Obst und Gemüse wie Äpfel oder Gurken sollte man eher nicht schälen. Denn unter der Schale sind viele Vitamine.
Bewertung: Richtig.
Fakten: Philine Lenz, Referentin im Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), sagt: «Das ist tatsächlich so.» Natürlich seien die Vitamine und Mineralstoffe nicht nur im Bereich der Schale, sondern im ganzen Obst und Gemüse enthalten. Aber der Anteil unter der Schale sei mit am höchsten. «Und deswegen ist es schon am besten, die ungeschält zu verzehren.» Wenn man solches Obst und Gemüse gründlich abspüle und mit einem Tuch abreibe, könne man sich recht sicher sein, dass die Lebensmittel frei von Schmutz und etwaigen Pestizidrückstände seien.
Behauptung: Glutenfreie Produkte sind gesünder als glutenhaltige.
Bewertung: Ungenau.
Fakten: Das stimmt so pauschal nicht. Menschen mit Intoleranz oder Unverträglichkeit gegen Gluten sollen auf glutenfreie Ernährung achten. Andere aber haben nach einem Bericht der Harvard Medical School von solch einer Kost keine nachgewiesenen Vorteile. Das Weglassen einzelner Lebensmittel ohne diagnostizierte Unverträglichkeit kann der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge sogar das Risiko für Nährstoffdefizite erhöhen und langfristig zu gesundheitlichen Einschränkungen führen.
Behauptung: Ein Smoothie ist genauso gesund wie Obst und Gemüse am Stück.
Bewertung: Ungenau.
Fakten: Richtig ist, dass ein Smoothie gelegentlich eine Portion Obst und Gemüse ersetzen kann. Diesen Tipp gibt auch die DGE. Allerdings ist es grundsätzlich besser, diese Lebensmittel am Stück zu verzehren. Denn durch das Kauen beschäftige man sich länger damit, und das größere Volumen trage mehr zur Sättigung bei, sagt BZfE-Referentin Lenz. Ihr zufolge kann bei Smoothies aus dem Supermarkt durch Verarbeitung, Transport und Lagerung ein gewisser Anteil an Inhaltsstoffen verloren gehen. Trotzdem gilt: besser ein Smoothie als gar kein Obst und Gemüse.
Behauptung: Kaffee entzieht dem Körper Wasser.
Bewertung: Falsch.
Fakten: Bei dem Thema hat sich der Stand der Wissenschaft in den letzten Jahren geändert. Zwar hat Kaffee einen harntreibenden Effekt. Allerdings ist die Bezeichnung von Kaffee als «Flüssigkeitsräuber» Lenz zufolge veraltet. Den täglichen Bedarf an Flüssigkeit kann man also zu einem gewissen Teil durch Kaffee decken. Das sieht auch die DGE so. Mehr als etwa vier bis fünf Tassen am Tag sollten es aber laut BZfE dennoch nicht sein.
Misstrauen bei einfachen Lösungen für komplexe Probleme
Was aber können Verbraucherinnen und Verbraucher tun, die nicht wissen, was sie von einem Ernährungsratschlag halten sollen? Ernährungswissenschaftler Libuda sagt, es sei für Laien nicht ganz leicht, Mythen richtig einzuordnen. Er rät, immer dann skeptisch zu sein, wenn einfache Lösungen zu komplexen Problemen gegeben werden.
Hilfreich seien zudem die Empfehlungen der Fachgesellschaften, wie der DGE. Nachzuschauen, ob ein Ernährungsratschlag auch dort zu finden ist, könnte also ein erster Schritt sein, um die Frage zu überprüfen. Wenn man dort nichts finde, müsse man theoretisch die Studienlage recherchieren, so Libuda. «Das ist für einen Ottonormalverbraucher erstmal eigentlich so nicht leistbar.» Vorsichtig sollte man sein, wenn neben dem Ernährungsratschlag ein Produkt beworben werde: «Dann wäre ich schon mal skeptisch, muss ich sagen.»