Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Fast ein Jahr nach seinem Inkrafttreten läuft heute das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer aus. Das vor allem mit Hilfe der Türkei und der Vereinten Nationen mühsam ausgehandelte Getreideabkommen endet um 23.00 Uhr MESZ, wenn nicht noch eine Einigung erzielt wird.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuletzt eine Aussetzung der auch für den Kampf gegen den Hunger in der Welt wichtigen Vereinbarung ins Gespräch gebracht, bis Moskaus Forderungen erfüllt sind. Das Abkommen besteht seit 22. Juli 2022.
Russland verlangt seit etwa einem Jahr, dass die Sanktionen des Westens gelockert werden, damit es selbst auch eigenes Getreide und Dünger unbegrenzt exportieren kann. Endet das Abkommen, droht wie nach Beginn des Krieges im Februar des vergangenen Jahres eine Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen, aus denen dann Frachter etwa mit dem Mais und dem Weizen nicht mehr auslaufen könnten.
«Wir verlängern in dem Moment, in dem die uns gemachten Versprechen erfüllt werden», hatte Putin in der vergangenen Woche gesagt. Russland sei bereit, so lange wie nötig zu warten. Das seit rund einem Jahr praktizierte Vorgehen, dass erst verlängert und dann die Versprechen erfüllt würden, passe Moskau aber nicht mehr. Der Westen habe ein Jahr Zeit gehabt, die Bedingungen umzusetzen, sagte der Kremlchef.
Die Ukraine – vor dem Krieg einer der weltweit wichtigsten Getreideexporteure – konnte dank der Vereinbarung in den vergangenen zwölf Monaten 33 Millionen Tonnen verschiffen. Am Sonntag machte sich nun im Hafen Odessa möglicherweise eines der letzten Schiffe auf den Weg, der Frachter «TQ Samsun». Er ist nach UN-Angaben mit mehr als 15.000 Tonnen Raps beladen.
Am Wochenende hatte Putin auch Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa bei einem Telefonat auf fehlende Grundlagen für eine Verlängerung des Abkommens hingewiesen. Bei dem Gespräch auf Initiative Ramaphosas habe Putin auch erklärt, das Hauptziel des Abkommens, bedürftige Länder etwa auf dem afrikanischen Kontinent zu versorgen, sei nicht umgesetzt, teilte der Kreml mit.
Moskau beklagt insbesondere, dass etwa durch Strafmaßnahmen gegen die staatliche russische Landwirtschaftsbank der Export eigenen Getreides und Düngers in gewünschtem Umfang nicht abgewickelt werden könne. Probleme gibt es demnach auch bei der Versicherung der Frachten.
Die Blockade der Getreideausfuhren war erst am 22. Juli 2022 durch das Abkommen beendet worden. Die Vereinbarung hatte eine monatelange russische Seeblockade ukrainischer Schwarzmeerhäfen beendet. Die Vereinten Nationen forderten alle Parteien dazu auf, die Vereinbarung zu verlängern, um die globale Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Baerbock: Niemand darf bei Angriffskrieg straflos bleiben
Auf internationaler Ebene gehen indes die Bestrebungen weiter, Russland für seinen Angriffskrieg zur Verantwortung zu ziehen. Außenministerin Annalena Baerbock setzt auf eine Reform des Völkerrechts, damit Urheber eines Angriffskriegs wie der russische Präsident Putin zur Rechenschaft gezogen werden. «Niemand darf im 21. Jahrhundert einen Angriffskrieg führen und straflos bleiben», forderte die Grünen-Politikerin am Sonntag vor einer Reise nach New York. Dort will sie bei den Vereinten Nationen (UN) an einem Festakt zum 25. Jahrestag der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) teilnehmen. Zudem ist eine Rede im UN-Sicherheitsrat geplant.
«In den Augen der Täter ist der IStGH schon jetzt ein scharfes Schwert», sagte Baerbock. In den Augen der Opfer sei er die Hoffnung darauf, dass ihr Leid nicht ungestraft bleibe. «Deshalb schmerzt eine Lücke in der Strafverfolgung besonders», sagte die Ministerin. Bei Verbrechen der Aggression gegen «das kostbarste Gut, das wir haben: unseren Frieden» seien die Hürden für eine Strafverfolgung noch zu hoch. «Deshalb wollen wir gemeinsam mit Partnern das Völkerrecht weiterentwickeln, so dass es unseren Realitäten im 21. Jahrhundert gerecht wird.»
Baerbock hatte schon im Januar bei einem Besuch am Sitz des Gerichts im niederländischen Den Haag vorgeschlagen, dessen rechtliche Grundlagen so zu ändern, dass auch der Tatbestand des Angriffskriegs uneingeschränkt verfolgt werden kann. So soll es ausreichen, wenn der Opferstaat einer Aggression unter die Jurisdiktion des Gerichtshofes fällt. Derzeit kann nur der UN-Sicherheitsrat den Fall dem Gericht übertragen, da weder Russland noch die Ukraine Vertragspartner sind. Als Ständiges Mitglied hat Russland im Sicherheitsrat ein Vetorecht.
Was heute wichtig wird
In der Ukraine läuft die Gegenoffensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete im Osten und im Süden des Landes weiter. Vor allem wegen der Verminung der Gebiete und der Panzersperren an den russischen Verteidigungslinien ist Kiew allerdings bisher kein Durchbruch gelungen.