Lehrerverband: Werbeplakate an jede Schule
Der akute Lehrkräftemangel bremst nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, auch die Lösung vieler anderer Probleme im Bildungssystem aus. Es gebe riesige Herausforderungen, «und da ist dieser Lehrkräftemangel natürlich wie eine bleierne Decke, die auf allem liegt», sagte Meidinger der Deutschen Presse-Agentur.
Er verwies etwa auf die mehr als 200.000 ukrainischen Kinder und Jugendlichen, die von den Schulen aufgenommen wurden, die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, schlechte Lese- und Matheergebnisse bei Grundschülern und die notwendige individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern.
«Sinnstiftender, gesellschaftlich wichtiger Beruf»
Zugleich warb der scheidende Verbandspräsident anlässlich der Wahl seines Nachfolgers heute bei aller Krisenstimmung auch für einen positiven Blick auf das deutsche Bildungssystem und den Lehrerberuf. «Es kann einer der schönsten Berufe sein. Man bekommt enorm viel zurück. Es ist ein sehr sinnstiftender, gesellschaftlich wichtiger Beruf. Und deswegen hat die Politik die Aufgabe, dass sie dieses Berufsbild wieder attraktiv macht.»
Eine Delegiertenversammlung des Deutschen Lehrerverbands wählt an diesem Freitag in Berlin einen neuen Verbandspräsidenten. Der aus einer Lehrerfamilie stammende Meidinger tritt nach sechs Jahren an der Spitze nicht mehr an. Die Amtzeit des ehemaligen Leiters eines Gymnasiums im bayerischen Deggendorf endet offiziell am 30. Juni. Nachfolger wird voraussichtlich der Augsburger Schulleiter Stefan Düll.
Lehrkräftemangel der größte seit 50 Jahren
In anderen Ländern sei Bildung extrem teuer, in Deutschland kostenfrei. «Also ich würde insofern die Kirche im Dorf lassen. Im internationalen Vergleich kann Deutschland durchaus noch gut mithalten mit seinem Schulsystem», sagte Meidinger. Er sieht aber Herausforderungen, die es in diesem Ausmaß in der Vergangenheit nicht gegeben habe. Der Lehrkräftemangel sei der größte seit 50 Jahren. «Und was natürlich besonders schlimm ist, es ist kein Ende abzusehen.» Experten rechnen mit einer anhaltend angespannten Lage über die nächsten 10 bis 20 Jahre. «Früher haben sich Phasen des Lehrermangels und Phasen der Lehrerarbeitslosigkeit abgewechselt.»
Kurzfristig gehe es darum, Quereinsteiger zu gewinnen, Lehrkräfte von anderen Aufgaben durch mehr Verwaltungspersonal, Sozialarbeiter und IT-Personal zu entlasten, Lehrerinnen und Lehrer in Teilzeit zu motivieren, wieder aufzustocken oder Pensionäre, wenn sie möchten, länger arbeiten zu lassen.
Attraktiver, moderner, herausfordernder
Insgesamt müsse der Lehrerberuf aber langfristig attraktiver, moderner und herausfordernder gemacht werden. «Also diese jetzige Praxis, ich entscheide mich für einen Beruf und das ist die Einbahnstraße dann. Ich mache am ersten Tag des Berufslebens dasselbe wie am letzten. Die ist für junge Menschen heute nicht mehr attraktiv. Wir müssen uns da eine Modernisierung des Berufsbilds vorstellen.»
Der scheidende Verbandspräsident sprach sich zudem für eine große Werbeaktion aus: «Also ich wundere mich, warum nicht an jeder Schule ein Plakat hängt, auf dem gesagt wird «Lehrkräfte gesucht, kommt zu uns» und auch deutlich gemacht wird, was das für ein erfüllender Beruf ist. Im Gegenzug müsste allerdings die Politik dann tatsächlich auch Maßnahmen ergreifen, damit dieser Beruf wieder attraktiv wird.»