Mahnmal zur Ausraubung der Juden in NS-Zeit wird eingeweiht
Ein neues Mahnmal erinnert in Bremen an die systematische Enteignung und Ausraubung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. «Wir müssen uns auf vielen Ebene fragen, wie wir mit diesem Erbe umgehen wollen. Insofern sehe ich die bauliche Fertigstellung des Mahnmals nicht als Schlusspunkt des Projekts, sondern als Doppelpunkt», betonte Initiator Henning Bleyl vor der heutigen Einweihung.
Es ist nach Angaben des Bremer Senats das erste Mahnmal bundesweit, das explizit die Enteignung, den Abtransport und die Verwertung jüdischen Eigentums thematisiert.
Bis heute andauernde Geschichtslücken
Das Mahnmal nach einem Entwurf von Evin Oettingshausen steht an der Weser - also dort, wo Schiffe damals die geraubten Möbel und Gegenstände aus den besetzten Ländern in Westeuropa nach Bremen brachten. Ein Fenster gewährt einen Blick in einen sechs Meter hohen Schacht und lässt nur erahnen, was sich in der Tiefe verbirgt. «Der Schacht soll die bis heute andauernden Geschichtslücken signalisieren», erklärte Evin Oettingshausen. Von der Weser-Promenade aus sind Blicke durch seitliche Fenster ins Innere des Mahnmals möglich, wo Reliefs von Möbeln zu sehen sind - «in Beton eingelassene Leerstellen».
Die Idee zum Mahnmal hatte Henning Bleyl, nachdem der Schweizer Logistikkonzern Kühne und Nagel bei einer Feier zum 125-jährigen Firmenjubiläum die Verwicklungen beim Transport des jüdischen Raubguts aussparte. Als das Unternehmen sich ein Jahr später um öffentliche Flächen für den Neubau seines Stammsitzes in Bremen bewarb, startete der Journalist gemeinsam mit der «taz» eine Spendenaktion und gab ebenfalls ein Kaufgebot ab - für vier Quadratmeter direkt vor der Firmenzentrale. Der Senat gab dem Logistikkonzern den Zuschlag, beschloss aber den Bau des Mahnmal an einer anderen Stelle.
Erinnerungskultur soll fortgeführt werden
Da seinerzeit neben dem Staat auch Firmen und Privatleute profitierten, wurden die Baukosten von rund einer halben Million Euro nicht nur von der öffentlichen Hand übernommen. 62.000 Euro stammen aus Spenden von Privatpersonen. Der Verein der Bremer Spediteure beteiligte sich ebenfalls - und damit auch Kühne und Nagel als Mitglied des Vereins.
In Bremen soll die Erinnerungskultur fortgeführt werden. «Derzeit wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die dem Senat Vorschläge machen wird, in welcher Struktur das Thema umgesetzt werden sollte», teilte ein Sprecher des Kultursenators mit. Evin Oettingshausen und Henning Bleyl wollen derweil auf eigene Initiative erinnerungspolitische Radtouren zu Orten in Bremen anbieten, die mit der Beraubung der jüdischen Bevölkerung verknüpft sind. «Im Weserstadion etwa wurden große Mengen "gebrauchter Oberbetten, Unterbetten und Kopfkissen" angeboten», berichtete Bleyl.
Nationalsozialisten nannten die Beschlagnahme, den Abtransport und den Verkauf des Hab und Guts von deportierten oder geflohenen Juden «M-Aktion». Das M stand für Möbel. Profiteure waren das NS-Regime, aber auch Speditionen, Museen oder Privatpersonen.