Die Debatte um eine weitergehende Öffnung der Bundeswehr auch für Bewerber ohne einen deutschen Pass nimmt Fahrt auf.
«Grundsätzlich müssen wir bei der Suche nach geeigneten jungen Menschen, die ihren Dienst in der Bundeswehr zu leisten bereit sind, deutlich europäischer denken», sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der «Rheinischen Post». Dazu gehöre auch die Überlegung, «dass Soldaten und Soldatinnen ohne deutschen Pass diesen durch den erfolgreichen Dienst in der Bundeswehr schneller bekommen können».
«Wir wären nicht die ersten Streitkräfte in Europa»
Verteidigungsminister Boris Pistorius lässt bereits Modelle einer Dienstpflicht prüfen und lässt eine Taskforce auch das gesamte Personalwesen untersuchen. Der SPD-Politiker zeigte sich in der vergangenen Woche offen für Soldaten ohne deutschen Pass. «Wir wären nicht die ersten Streitkräfte in Europa, die das tun würden», sagte Pistorius. Es gebe Menschen im Land, die in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, aber noch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben.
Dabei ist die Anwerbung von Männern und Frauen, die schon in Deutschland leben, aber keine deutsche Staatsangehörigkeit haben, nur ein denkbares Modell. Eine Öffnung für Bürger aus EU- oder Nato-Staaten ist ein anderes Modell. Einzelne Partner gehen gleich ganz andere Wege. Die US-Streitkräfte wurden für Migranten geöffnet, die im Gegenzug auf eine Staatsbürgerschaft hoffen können. Frankreich hat mit der Fremdenlegion traditionell einen Verband, in dem die Mannschaften aus dem Ausland kommen, die Offiziere aber Franzosen sind - und somit eine ganz andere Praxis als Deutschland.
Grüne strikt dagegen
Deutliche Ablehnung gegen Überlegungen für einen Militärdienst ohne Pass kommt aber aus den Reihen der Grünen. Die verteidigungspolitische Fraktionssprecherin Sara Nanni sagte, sie sei strikt dagegen. So könnten in Deutschland lebende Kandidaten das nun reformierte Staatsbürgerschaftsrecht nutzen und Deutsche werden. Auch bei Auslandseinsätzen sei sie dafür, dass Deutschland eigene Staatsbürger schicke.
Truppe soll aufgestockt werden
Nicht nur Deutschland hat das Problem, keine ausreichende Zahl von Bürgern für einen freiwilligen Dienst an der Waffe zu finden. Der Fachkräftemangel und eine älter werdende Gesellschaft machen es der Bundeswehr aber besonders schwer. Dazu kommen Anforderungen an körperliche Fitness und die Bereitschaft zu wechselnden Dienstorten. Kaum noch zu erreichen scheint das Ziel, von derzeit rund 181.000 Soldaten bis zum Jahr 2031 auf 203.000 Soldaten zu kommen.
Das Verteidigungsministerium in Berlin trat dem Eindruck entgegen, mit laufenden Überlegungen Personallücken stopfen zu wollen. Auch seien die Prüfungen noch ganz am Anfang. «Wie gehen wir in Zukunft mit Ausländern in den Streitkräften um, ist eines, was natürlich auch mit aufgegriffen wurde, weil wir uns einfach auch keine Denkverbote geben wollen», sagte eine Sprecherin dazu. Für Soldaten gebe es bereits Ausnahmefälle, wenn es ein «dienstliches Bedürfnis» gebe. Leichter ist die Beschäftigung von Zivilbeschäftigten für die Bundeswehr.
Frühere und grundsätzliche Bedenken, wie es beispielsweise im Verteidigungsfall um die Loyalität von Soldaten aus anderen Herkunftsländern stehen könnte, scheinen in der aktuellen Debatte in den Hintergrund zu treten. Dass diese Fragen konfliktreich sein können, erlebt die Bundeswehr nach Angaben von Insidern gerade in Einzelfällen, wenn russlanddeutsche Soldaten für die Ausbildung von Ukrainern gewonnen werden sollen.
AfD gegen das Abwerben von Rekruten
Der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul sagte der «Rheinischen Post», die Idee einer Öffnung für Bewerber ohne Staatsangehörigkeit sei grundsätzlich richtig, doch die Ausgestaltung sei zentral. «Gilt diese Möglichkeit nur für Bürgerinnen und Bürger von EU- oder Nato-Staaten oder auch noch darüber hinaus? Ist die vollständige Kenntnis der deutschen Sprache nötig?»
Dagegen warnt Rüdiger Lucassen, verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, vor einer Zerstörung des Konzepts «Staatsbürger in Uniform» und einem «Nullsummenspiel» der Verbündeten. «Die Bundeswehr würde mit höheren Gehältern und Sozialansprüchen vorrangig Interessenten aus den ärmeren EU-Staaten anlocken. Rumänen oder Bulgaren, die dann Infanterist in der Bundeswehr werden, fehlen dann den Streitkräften an der Süd-Ost-Flanke Europas», sagt er. «Das Abwerben von Rekruten erhöht nicht die militärische Schlagkraft Europas.»