Migration

Ministerpräsidenten beraten mit Scholz über Asylpolitik

Im November einigten sich Bund und Länder nach zähem Ringen auf einen Migrationskompromiss. Nun steht die Umsetzung im Fokus - und da fällt die Bilanz sehr unterschiedlich aus.

Die Regierungschefs der Länder wollen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) heute darüber sprechen, wo sie in der Asylpolitik noch Handlungsbedarf sehen. Unionspolitiker pochten vorab erneut auf entschiedenere und schnellere Maßnahmen bei der Begrenzung irregulärer Migration. Kommunen mahnten, sie seien bei der Unterbringung von Asylbewerbern an der Belastungsgrenze.

«Noch so ein Jahr on top, immer noch mehr Menschen obendrauf, wird uns an die Grenzen dessen bringen, was überhaupt noch geht», sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst in der ARD-Sendung «Maischberger». Nach dem großen Flüchtlingszugang 2023 sei davon auszugehen, dass es auch dieses Jahr so weitergehe. «Aber unsere Systeme ächzen», sagte der CDU-Politiker. «Knapp die Hälfte der Menschen, die zu uns kommen, haben kein dauerhaftes Recht, hier zu sein.»

Wüst kritisiert fehlende Umsetzung vereinbarter Maßnahmen

Wüst kritisierte, ein Großteil der Verabredungen des letzten Bund-Länder-Treffens im November sei nicht oder nicht mit ordentlicher Wirkung umgesetzt worden. Er nannte etwa Migrations- und Rückführungsabkommen. Das Bundesgesetz für verbesserte Rückführungen sei «ziemliche Kosmetik». Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dagegen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, sehr vieles sei bereits umgesetzt. «Die Flüchtlingszahlen sinken, das liegt sicherlich auch am Wintereffekt, es zeigt aber auch, dass die Maßnahmen wirken.»

In Deutschland stellten im vergangenen Jahr rund 329.000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl – etwa 50 Prozent mehr als 2022. Die mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 nach Deutschland kamen, sind darin nicht erfasst, da sie kein Asyl beantragen müssen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Ich erwarte von der Ministerpräsidentenkonferenz vor allem, dass sie unmissverständlich formuliert, dass wir die Zuwanderung begrenzen.» Er wiederholte die bayerische Forderung einer «Integrationsgrenze»: «Sie macht deutlich, bis zu welcher Flüchtlingszahl Integration leistbar ist.»

Warnung vor «Überbietungswettbewerb»

Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow warnte in der «Rheinischen Post» hingegen vor einem «Überbietungswettbewerb um die krassesten Formulierungen» in der Asylpolitik. Und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht es nach Angaben eines Sprechers grundsätzlich skeptisch, immer neue Forderungen in den Raum zu stellen. «Die Ministerpräsidentenkonferenz hat Ende letzten Jahres bereits weitreichende Beschlüsse gefasst», sagte der Sprecher dem RND. «Nun geht es erstmal darum, dass das Beschlossene vollständig umgesetzt wird, und zu schauen, ob wir gegebenenfalls an manchen Stellen nachsteuern müssen.» 

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte erneut Entlastungen für die Kommunen. «Die Kommunen sind an der Belastungsgrenze, was Unterbringung, Versorgung und Integration angeht», sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger der «Augsburger Allgemeinen». Bund und Länder müssten sich mehr an den Kosten von Unterbringung und Integration sowie der Schaffung von zusätzlich notwendigen Kitaplätzen beteiligen.

Mögliche Streitpunkte vorab aus dem Weg geräumt

Beim letzten Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern im November hatten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten dem Bund eine Pro-Kopf-Pauschale als zusätzliche Beteiligung an den Asylkosten abgerungen: 7500 Euro pro Jahr für jeden, der erstmals in Deutschland Asyl beantragt. «Da haben wir einen wirklich guten Weg beschritten», sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), der dpa. Zudem wurden damals Maßnahmen zur Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland vereinbart.

Vor dem jetzigen Treffen wurden einige mögliche Streitpunkte bereits aus dem Weg geräumt: Die Ampel-Koalition gab vor einigen Tagen dem Drängen der Länder nach einer bundesgesetzlichen Regelung zur Bezahlkarte für Asylbewerber nach. Damit Asylverfahren schneller bearbeitet werden, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gerade mehr Personal für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angekündigt.  

Rhein: Asylverfahren außerhalb der EU wichtiges Thema

Ministerpräsident Rhein sieht ein wichtiges Thema in der Frage, ob Asylverfahren außerhalb der EU möglich wären. Aus Sicht der Länder könnten Asylverfahren in sogenannten Drittstaaten ein wichtiges und hilfreiches Instrument zur Verringerung der Flüchtlingszahlen sein. Die dazu vereinbarte Prüfung ist nach Angaben des Bundes aber noch nicht abgeschlossen.

Die Länderchefs wollen bei ihrem Treffen auch über wirtschaftspolitische Weichenstellungen sprechen. Da wird der Kanzler aber nicht dabei sein. Konkret geht es wohl um das im Bundesrat noch blockierte Wachstumschancengesetz, Maßnahmen gegen hohe Energiepreise, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Frage, ob Versicherungen gegen Elementarschäden verpflichtend werden sollten.