Fußball-Europameisterschaft

Nach Elfer-Drama im EM-Finale: Italien ringt Spanien nieder

Italien steht nach dem Sieg gegen Spanien als erster Finalist der Fußball-Europameisterschaft fest. Erst das Elfmeterschießen bringt in Wembley die Entscheidung.

Die italienischen Elfmeter-Helden rannten wie wild zu ihren Fans hinter dem Tor, durch das Wembley-Stadion rauschte ein gigantischer Jubelschrei.

Die Azzurri stehen nach einem Drama-Sieg im hochintensiven Gigantenduell mit Spanien im Finale der Fußball-EM. Italien gewann am Dienstagabend mit 4:2 (1:1, 1:1, 0:0) im Elfmeterschießen und greift am kommenden Sonntag gegen Gastgeber England oder Dänemark nach dem ersten Titel seit dem WM-Triumph 2006 in Deutschland. Die am Abend in London tieftraurigen Spanier müssen dagegen abreisen - mehrere Hundert Fans spendeten noch im Londoner Fußball-Tempel Trost.

In einer hochspannenden Partie rang Italien die Spanier nieder. Jorginho verwandelte den entscheidenden Elfmeter. Zuvor hatte Keeper Gianluigi Donnarumma den Versuch von Spaniens Álvaro Morata pariert.

«Wir haben gegen einen mächtigen Gegner gespielt. Wir haben gelitten aber wir haben es nach Hause gebracht. Wir haben immer an uns geglaubt und lassen uns nicht in die Enge treiben», kommentierte Siegschütze Jorginho, der schon mit dem FC Chelsea das Champions-League-Finale gewonnen hatte. Ähnlich euphorisch wirkte Federico Chiesa: «Ich kann meine Gefühle nicht mit Worten beschreiben. Jetzt sind wir im Finale und freuen uns riesig. Wir sind überglücklich.»

Chiesa sorgt für Führung

Federico Chiesa (60. Minute) hatte vor 57.811 Zuschauern die Führung für die Mannschaft von Roberto Mancini erzielt, die nun seit 33 Spielen ungeschlagen ist. Am Sonntag kämpft Italien im Endspiel gegen England oder Dänemark um seinen ersten großen Titel seit dem WM-Sieg 2006. Spanien scheiterte trotz eines starken Auftritts wie beim Achtelfinal-Aus 2016 erneut an Italien. Auch die beste Turnierleistung, ein stark aufspielender Dani Olmo von RB Leipzig und das Tor des eingewechselten Álvaro Morata (80.) reichten der Auswahl von Luis Enrique nicht zum ersehnten Finaleinzug.

«Wir wären gerne ins Finale gekommen und haben eigentlich ein gutes Spiel gespielt. Wir sind stolz auf das, was wir geschafftt haben. Es war eine gute Erfahrung für eine so junge Mannschaft», kommentierte Sergio Busquets.

Wegen der strengen Corona-Regeln, die für Einreisende aus etlichen Ländern eine Quarantäne voraussetzt, konnten eigentlich kaum Italiener und Spanier zum Halbfinale reisen - auf den Tribünen feierten aber Tausende Anhänger frenetisch ihre Teams. In Großbritannien lebende Fans der Azzurri und Furia Roja durften problemlos Karten kaufen. Schon bei den Nationalhymnen entwickelte sich Gänsehaut-Atmosphäre. Beflügelt von der lautstarken Unterstützung der Zuschauer begannen beide Teams die Partie mit viel Leidenschaft.

Das Duell des viermaligen Weltmeisters Italien gegen den dreimaligen EM-Champion aus Spanien galt vielen Experten als vorweggenommenes Finale. Doch das bereits siebte EM-Duell der beiden Fußball-Großmächte wurde den hohen Erwartungen zunächst nur bedingt gerecht.

Italien-Serie hält an

Die zuvor seit 32 Spielen ungeschlagenen Italiener, die den verletzten Leonardo Spinazzola durch Emerson ersetzt hatten und ansonsten auf ihre zuletzt erfolgreiche Startformation vertrauten, versuchten, den auf viel Ballbesitz angelegten Tiki-Taka-Fußball des Gegners durch hohes Pressing zu unterbinden und schnell umzuschalten.

Dagegen vertrauten die auf gleich drei Positionen veränderten Spanier mehr ihrem kontrollierten Aufbauspiel. Weil ihnen dabei kaum Abspielfehler unterliefen, übernahmen sie nach anfänglichen Problemen mehr und mehr die Kontrolle. Nur die schwache Ballannahme von Mittelstürmer Mikel Oyarzabal nach Traumpass von Pedri brachte die Furia Roja um ihre erste große Chance (13.). An der Seitenlinie haderte Enrique, der während des gesamten Spiels mit viel Energie in seiner Coaching-Zone Anweisungen auf den Platz rief.

Nur zwölf Minuten später zwang Olmi den italienischen Schlussmann Gianluigi Donnarumma mit einem Flachschuss zu einer Glanztat. Dagegen konnten die zuletzt für ihre Offensivpower gelobten Italiener nach vorn nur wenig Akzente setzen. Lediglich Nicolò Barella bot sich eine Chance, doch der Profi von Inter Mailand zögerte zu lange mit einem Schuss (21.).

Kampfspiel in Wembley

Mehr und mehr entwickelte sich die Partie zu einem Kampfspiel mit vielen leidenschaftlichen Zweikämpfen, die dem deutschen Schiedsrichter Felix Brych viel Arbeit bereiteten. Doch mit dem Herausspielen von Möglichkeiten taten sich die bisher zwei besten Offensiven des Turniers weiterhin schwer. Immerhin näherten sich auch die Italiener dem gegnerischen Tor noch vor der Halbzeit einmal gefährlich an, als Emerson aus kurzer Distanz das Lattenkreuz traf (45.).

Auch nach Wiederanpfiff blieben die Spanier das spielbestimmende Team. So geriet die Oldie-Abwehr der Squadra Azzurra um Kapitän Giorgio Chiellini (36) und Leonardo Bonucci (34) zwischenzeitlich erneut ins Wanken. Doch der Schuss von Sergio Busquets von der Strafraumgrenze ging knapp über das Tor (52.).

Dennoch übernahmen die Italiener die bis dahin schmeichelhafte Führung. Nachdem Chiesa den spanischen Keeper Unai Simón bereits in der 53. Minute geprüft hatte, schlug er bei einem weiteren Konter sieben Minuten später eiskalt zu. Mit einem platzierten Schuss aus 14 Metern ins lange Eck ließ er diesmal dem gegnerischen Torhüter keine Chance.

Die Reaktion der Spanier ließ nicht lange auf sich warten. Binnen kurzer Zeit waren sie bei Chancen von Oyarzabal (65.) und Olmo (67.) dem Ausgleich nahe. Die spanischen Fans in Wembley schrien bei beiden Gelegenheiten laut auf. Mit Morata kam die Hoffnung für die Spanier auf den Platz, sein Tor sorgte für enorme Spannung.

Die Verlängerung wurde zum Krimi. Spanien blieb weiter spielbestimmend, Italien verließ sich auf die im Turnier bislang so glänzende Defensive und lauerte auf Konter. Im Verbund entschärften Donnarumma und seine Vordermänner die nächste große Chance der Spanier nach einem Olmo-Freistoß (97.), weshalb die Entscheidung schließlich im Elfmeterschießen fallen musste.