Der Astronaut mit Beinprothese John McFall hat die Erlaubnis für einen Flug ins All bekommen. «John ist jetzt als Astronaut zugelassen, der auf eine lange Mission zur Internationen Raumstation ISS fliegen kann», verkündete Daniel Neuenschwander, Direktor für bemannten Raumflug bei der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, in Köln. Der Brite McFall habe eine entsprechendes medizinisches Zertifikat erhalten.
«Ich glaube, dies ist ein unglaublicher Schritt vorwärts in unserem Bestreben (...), den Zugang der Gesellschaft zum All zu weiten», sagte Neuenschwander. «Es ist eine großartige Leistung.» Esa-Chef Josef Aschbacher versicherte: «Wir engagieren uns dafür, zu zeigen, dass der Weltraum für alle da ist.» In Anlehnung an Wörter wie Paralympics wird bei Astronauten mit körperlicher Behinderung auch manchmal von «Parastronauten» gesprochen.
McFall ist «gewaltig stolz»
Der 43-jährige McFall stammt aus Frimley, einer Kleinstadt im Süden Englands. Nach einem Motorradunfall wurde ihm im Alter von 19 Jahren das rechte Bein amputiert. Wenige Jahre später wurde er professioneller Leichtathlet und vertrat sein Land als Sprinter auch bei den Paralympischen Spielen. Außerdem studierte er Medizin und arbeitet als Facharzt für Trauma und Orthopädie.
Im November 2022 wurde McFall als erster Astronaut mit körperlicher Behinderung ausgewählt und in die astronautische Reserve der Esa aufgenommen. Nun schaffte er den nächsten Schritt auf dem Weg ins All. «Ich bin gewaltig stolz», sagte er. Gleichzeitig betonte er: «Hier geht es nicht um mich. Das ist viel größer, denn dies ist ein kultureller Wandel.»
Positive Reaktionen der anderen
Nach Angaben der Esa gab es bisher noch keinen Astronauten oder eine Astronautin mit einer körperlichen Behinderung auf der ISS, auch nicht von den anderen Raumfahrtorganisationen. McFall meint dazu: Nur weil etwas noch nie gemacht worden ist, bedeute das nicht, dass man es nicht tun solle. «Ich bin stolz auf den Wandel in der Denkweise, den dies erreicht hat.»
Die Esa führte mit McFall eine Machbarkeitsstudie durch, um herauszufinden, wie Barrieren in der Raumfahrt abgebaut werden können und ob ein Flug ins All für einen Menschen mit einer bestimmten körperlichen Behinderung überhaupt möglich ist. Die internationalen Partner hätten aufgrund der sehr umfangreichen und detaillierten Arbeit der Studie positiv und warm auf ihn reagiert, meint McFall. «Sie konnten nur sagen: Ja, warum nicht?»
Raumfahrt war kein Traum von ihm
Den großen Traum vom Astronautenleben habe er vorher nicht gehabt, erzählt der Parasportler und Chirurg. Doch als die Esa nach einem Kandidaten für die Studie suchte, habe alles gepasst. «Ich konnte nicht umhin, mich zu bewerben», sagt McFall rückblickend. Damals sei die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich ins All zu fliegen, gering gewesen. Aber das Abenteuer, die Herausforderung und die Wissenschaft hätten ihn gereizt.
Auch etwas komische Momente in der Studie
An die Studie der Esa sei er dann sehr pragmatisch herangegangen. «Manchmal habe ich mich etwas verletzlich gefühlt, weil ich der Einzige in dieser Phase war.» Er habe überlegt, was mit dem Projekt passiere, wenn er sich etwa das Bein breche oder nicht mehr fit sei.
Während McFall als Profisportler Höchstleistungen lieferte und die Behinderung für ihn als Chirurg keine Rolle spielte, stand sie in der Weltraum-Studie anders im Fokus. «Was mich am meisten überrascht hat, ist, dass ich plötzlich in diese Umgebung gekommen bin, wo hinterfragt wurde, ob ich etwas Bestimmtes tun kann oder nicht. Das hat sich komisch angefühlt.»
McFall hofft, dass er die Denkweisen etwas verändern konnte. Und dass er den Leuten verdeutlicht hat: «Solange ich nichts Gegenteiliges sage, geht davon aus, dass ich es tun kann!»
Mission und Zeitplan stehen noch nicht
Wann es für den Briten zu einer ersten Mission ins All gehen könnte, ist noch unklar. McFall sei nun ein Astronaut wie alle anderen, die zur ISS wollten, und warte darauf, eine Mission zugeteilt zu bekommen, erklärte Neuenschwander. Mehr als ein Dutzend Projekte aus Wissenschaft und Industrie seien bereits als Vorschläge für eine Mission für ihn eingegangen.
Einen Außenbordeinsatz an der Raumstation hatte die Esa in der Machbarkeitsstudie zunächst ausgeschlossen. In der derzeitigen Phase schaue man sich aber an, ob dies eventuell doch möglich wäre.