Machtkampf in Russland

Putin will Aufständische um Prigoschin bestrafen

In Russland eskaliert der Konflikt zwischen der Söldnergruppe Wagner und der regulären Armee. Nun schaltet sich Präsident Putin ein - mit drastischen Worten.

Putin will Aufständische um Prigoschin bestrafen

Russlands Präsident Wladimir Putin hat angesichts des bewaffneten Aufstands des Chefs der Söldnerarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, von «Verrat» gesprochen und zur Ausschaltung der Drahtzieher aufgerufen. Die Streitkräfte hätten den Befehl erhalten, die Organisatoren ihrer «unausweichlichen Bestrafung» zuzuführen, sagte der Kremlchef am Samstag in einer Fernsehansprache an die Nation. Russische Staatsmedien hatten berichtet, Putin habe von einer «Neutralisierung» der Drahtzieher des bewaffneten Aufstandes gesprochen. Die Formulierung fiel so allerdings nicht.

Wagner-Chef Prigoschin warf Präsident Putin dagegen eine Fehleinschätzung der Lage um den bewaffneten Aufstand seiner Söldner vor. «Der Präsident irrt sich schwer», sagte er in einer Sprachnachricht auf seinem Telegram-Kanal. «Wir sind Patrioten unserer Heimat.»

Putin sagte, wer Waffen erhebe und bewaffneten Aufstand organisiere, werde bestraft. Der russische Präsident forderte die Wagner-Kämpfer auf, ihre Teilnahme an kriminellen Handlungen umgehend zu beenden. Prigoschin galt bislang als Putins Vertrauter. Zugleich bestätigte Putin die Blockade wichtiger Objekte in der südrussischen Stadt Rostow am Don durch die Söldnertruppe. «Faktisch ist die Arbeit von Organen der zivilen und militärischen Führung blockiert», sagte Putin in der vom Staatsfernsehen übertragenen Ansprache ans russische Volk. Über die Lage das an die Ukraine grenzende Gebiet Rostow sagte er: «Sie bleibt schwierig.»

Russland führt seit 16 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Dabei gehörten die Wagner-Söldner bislang zu den wichtigsten Truppen. Nach monatelangen Sticheleien und dann auch öffentlicher Kritik stellte sich Wagner-Chef Prigoschin nun jedoch offen gegen die Militärführung in Moskau.

Ziel vermutlich Moskau?

Prigoschin sagte, seine Kämpfer hätten in Rostow wichtige militärische Objekte unter ihre Kontrolle gebracht, auch einen Flugplatz. Nach Erkenntnissen britischer Geheimdienste ziehen Wagner-Einheiten durch das Gebiet Woronesch nach Norden. Ziel sei vermutlich die Hauptstadt Moskau, hieß es in einer Mitteilung in London. In Moskau wurde am Samstag der Anti-Terror-Notstand verhängt. In der Nacht waren Militärfahrzeuge im Stadtzentrum unterwegs.

Das Verteidigungsministerium rief die Söldner ebenfalls zum Aufgeben auf. Sie seien von Prigoschin in ein «kriminelles Abenteuer» hineingezogen worden. «Viele Ihrer Kameraden aus mehreren Einheiten haben ihren Fehler bereits erkannt, indem sie um Hilfe gebeten haben, damit sie sicher an ihre Einsatzorte zurückkehren können», hieß es. «Bitte seien Sie vernünftig und nehmen Sie schnellstmöglich Kontakt mit Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums oder den Ordnungsorganen auf. Wir garantieren die Sicherheit aller.»

Gegen Prigoschin ermitteln die Behörden in Moskau nun wegen Aufrufs zu einem bewaffneten Aufstand. Der Inlandsgeheimdienst FSB rief die Wagner-Söldner auf, ihren Chef festzusetzen. Der Söldnerführer wirft dem Verteidigungsministerium schlechte Führung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor und hat vor allem Verteidigungsminister Sergej Schoigu wiederholt scharf kritisiert.

Selenskyj sieht Putin geschwächt

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht in den aktuellen Entwicklungen ein klares Zeichen der Schwäche von Kremlchef Wladimir Putin. «Die Schwäche Russlands ist offensichtlich», schrieb Selenskyj auf Twitter. «Eine umfassende Schwäche.» Je länger Russland Truppen und Söldner in der Ukraine halte, «desto mehr Chaos, Schmerz und Probleme wird es später für sich selbst haben».

Weiter sagte Selenskyj: «Lange Zeit bediente sich Russland der Propaganda, um seine Schwäche und die Dummheit seiner Regierung zu verschleiern. Und jetzt ist das Chaos so groß, dass keine Lüge es verbergen kann.» Mit Blick auf Putins Angriffskrieg gegen sein Land sagte er: «Jeder, der den Weg des Bösen wählt, zerstört sich selbst.» Der Kremlchef verachte Menschen und habe Hunderttausende in den Krieg geworfen, «um sich schließlich in der Region Moskau vor denen zu verbarrikadieren, die er selbst bewaffnet hat».

Selenskyj-Berater: Nächste 48 Stunden entscheidend

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak hält derweil das Schicksal von Kremlchef Wladimir Putin für offen. «Die nächsten 48 Stunden werden über den neuen Status von Russland entscheiden», schrieb Podoljak beim Kurznachrichtendienst Twitter. Möglich seien ein «ausgewachsener Bürgerkrieg», ein «ausgehandelter Machtübergang» oder auch eine «vorübergehende Atempause vor der nächsten Phase des Sturzes des Putin-Regimes».

Podoljak ist einer der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Weiter schrieb er: «Alle potenziellen Akteure entscheiden jetzt, auf welcher Seite sie stehen.» In Russland herrsche gerade ein «ohrenbetäubendes Schweigen der «Elite»». Russland führt seit 16 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Dabei gehörten die Wagner-Söldner bislang zu den wichtigsten Truppen.