Randale im Freibad: Polizei, Hausverbote, Rutschensperrung
Die Problemzonen sind die Rutschen oder Sprungtürme. Dort stehen viele Menschen an warmen Tagen in Freibädern Schlange. Manchmal sorgt schon ein falscher Blick, ein Spruch oder ein Rempeln für Aggressionen – vor allem unter Jugendlichen und jungen Männern. Einer beleidigt den anderen, es wird geschubst, dann geschlagen. In vielen Städten setzen Badbetreiber verstärkt private Sicherheitsleute ein, die dann eingreifen. Scheitert eine Deeskalation, kommt die Polizei.
Der Sommer ist gerade erst gestartet, da mussten kürzlich in Berliner Freibädern schon mindestens dreimal Polizisten anrücken, um die Lage zu beruhigen, Schläger zu fassen und die Wachdienste bei der Schließung des Bades zu unterstützen. So randalierten am Mittwoch 40 bis 50 Jugendliche auf einer Rutsche in Neukölln. Per Durchsage hieß es: «Das Bad wird geräumt. Bitte packen Sie ihre Sachen und begeben sich zum Ausgang. Aus Sicherheitsgründen wird das Bad geräumt.»
Das Phänomen pöbelnder und randalierender Jugendlicher und junger Männer in Freibädern ist gut bekannt – und gilt vor allem als ein Großstadtproblem. Auch in Düsseldorf oder einigen Städten im Ruhrgebiet hatte es in den vergangenen Jahren Tumulte, Schließungen und Polizeieinsätze gegeben. Jüngst kam es in Mannheim nach einem Streit zwischen zwei Gruppen zu einer Massenschlägerei. In Saarlouis gab es laut einem Medienbericht mehrere gewalttätige Störfälle. Wer im Internet nach entsprechenden Videos sucht, stößt auf Szenen aus lauten, überfüllten Bädern, voller Aufmüpfigkeit und Aggressionen.
Respektlosigkeit einer der Gründe für mehr Konflikte
Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, einem Verband der auch rund 2800 Freibäder vertritt, ist Respektlosigkeit einer der Gründe für mehr Konflikte. «Das Problem wird garantiert nicht abnehmen. Ob es ein zunehmender Trend wird, zeigt sich in dieser Sommersaison. Aber wir rechnen eher mit mehr Fällen», sagt Sprecherin Ann-Christin von Kieter der Deutschen Presse-Agentur. Nicht nur Schwimmbäder seien betroffen. «Aggressives Verhalten nimmt zu, sogar gegen Polizisten oder Feuerwehrleute.» Randale gebe es auch in Stadien, Parks oder Einkaufszentren.
Grundsätzlich sei die Gefahr in Freibädern der Großstädte oder in Problemvierteln höher als auf dem Land, sagt von Kieter. «Je voller die Bäder sind, desto eher ist Konfliktpotenzial gegeben.» Die Aggression gehe fast immer von Gruppen männlicher Jugendlicher oder junger Männer aus. Ähnliches hört man vom Bundesverband Deutscher Schwimmmeister. Insbesondere Kolleginnen seien betroffen und würden auch bedroht, beklagt Verbandspräsident Peter Harzheim. «Die Probleme konzentrieren sich sehr stark auf Bäder in Großstädten.»
Dabei ist der Alltag in Schwimmbädern überwiegend ruhig: Schwimmer ziehen stoisch ihre Bahnen, Familien stehen für Pommes an, Gäste sonnen sich – an den allermeisten Tagen passiert in den Bädern mit Millionen Badegästen im Lauf eines langen Sommers nichts Auffälliges. Tumulte sind Einzelfälle, allerdings sorgen sie für große Schlagzeilen – und bei manchen Besuchern für ein mulmiges Gefühl.
«Die meiste Gewalt entsteht zwischen Gruppen»
Konfliktforscher Andreas Zick von der Uni Bielefeld sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen Bädern, heißen Tagen und Aggressionen. Gruppenschlägereien habe es neulich erst in Nordrhein-Westfalen abends auf öffentlichen Plätzen gegeben. Im Sommer seien viele Menschen eben mehr draußen, oft auch in größeren Gruppen. Entscheidend für Aggressionen seien auch in Freibädern spezielle Situationen und soziale Faktoren.
«Die meiste Gewalt entsteht zwischen Gruppen, auch wenn es mit einem persönlichen Streit beginnen kann», sagt Zick. «Dann greifen andere ein, weil ein Mitglied der kleinen oder größeren Gruppe vermeintlich oder tatsächlich aggressiv angegangen wurde.» Wenn es noch Zuschauer gebe, «die die Gewalt wie ein Erlebnis feiern, dann eskaliert es, und dann wird auch oft das Personal mit hineingezogen».
Auf verstärkte Sicherheitsmaßnahmen setzen viele Betreiber schon länger. Wachleute kontrollieren am Eingang Taschen, laufen zu zweit herum und sprechen laute Gruppen an. An heißen Wochenenden sind in Berlin bis zu 170 Wachleute im Einsatz, 1,5 Millionen Euro kostet das im Jahr. Zudem verhängen viele Bäder Hausverbote – allein in Berlin gab es in den vergangenen fünf Jahren 730 Verbote. Überwiegend ging es um Verstöße gegen die Hausordnung, weniger um Gewalt. Die Verbote seien aber kaum zu kontrollieren, erzählen Konfliktlotsen. Es komme immer wieder zu Problemen mit denselben Männern.
Mehr Wachleute im Einsatz
«Gewalttätige Übergriffe in Schwimmbädern sind kein brandneues Phänomen. Körperverletzungsdelikte treten an diesen Orten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf», sagt Alexander Poitz, Bundesvize der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Es handele sich seltener um Krawalle. «Viel öfter geraten zwei oder wenige Personen aneinander», sagt er auf dpa-Anfrage. «Neuer ist, dass sich Unbeteiligte in den Konflikt einmischen, verschiedene Lager bilden und eskalieren.» Solche Vorfälle sorgten im Internet schnell für Aufregung. Auch herbeigerufene Polizisten würden angegriffen.
Auch in NRW haben mehrere Betreiber aktuell gehandelt. Es seien mehr Wachleute im Einsatz, sagt ein Sprecher der WasserWelten Bochum. «Zusätzlich setzen wir Rettungsschwimmer ein, die sicherheitstechnisch geschult sind.» Es habe in diesem Sommer bisher keine größeren Vorfälle gegeben.
Berlin geht noch weitere Schritte. Die Polizei soll vor ausgewählten Freibädern Präsenz zeigen mit sogenannten mobilen Wachen. Außerdem wurden als Reaktion auf die pöbelnden Jugendlichen in zwei Bädern mit häufigen Vorfällen Sprungtürme und Rutschen bis auf Weiteres geschlossen. Leidtragende sind Kinder und friedliche Badegäste. «Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen», bedauert Bäder-Chef Johannes Kleinsorg. «Es sind jedoch ganz offenbar diese Attraktionen, die immer wieder Randalierer anziehen.»