Ausgrabung

Riesiger Pestfriedhof birgt wissenschaftliche Schätze

Tausende jahrhundertealte Knochen graben Fachleute in Nürnberg aus - die Opfer einer großen Pestwelle. Forschende wollen dem größten Pestfriedhof in Deutschland seine Geheimnisse entlocken.

Die Grabungen auf einem riesigen Pestfriedhof aus dem 17. Jahrhundert in Nürnberg nähern sich langsam dem Ende. Die Überreste von mehr als 2000 Toten aus dem 17. Jahrhundert sind nach Angaben von Stadtarchäologin Melanie Langbein bereits freigelegt. Einige Hundert Pestopfer erwartet sie noch unter der Erde. Fest steht ihr zufolge schon jetzt: Es handelt sich um den größten Pestfriedhof, der bisher in Deutschland entdeckt wurde. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse könnten vielfältig sein. 

Dass es sich um eine große Entdeckung handelt, das war Langbein und ihrem Team bereits Anfang des Jahres klar. Damals hatte sie laut Hochrechnungen mit mehr als Tausend Toten gerechnet, die nach Ansicht der Fachleute 1632/33 während einer großen Pestwelle gestorben waren. Am Ende könnten es nun 2800 bis 3000 sein. 

Diese Zahl sei schon sehr überraschend, sagt Langbein. Die Toten liegen ihr zufolge in vielen Schichten übereinander. Bis zu eineinhalb Meter tief müssen sich die Fachleute in die Erde graben, um die Knochen vorsichtig freizulegen. Diese sind grün verfärbt, weil eine Kupfermühle früher auf dem Grundstück Abfälle entsorgt hatte.

Knochen erzählen vom Leben der Menschen damals 

Aus den Knochen lässt sich laut Langbein jede Menge über die Menschen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ablesen. «Wir haben wirklich von den Altersklassen alles mit dabei: Alte, Junge, Männer, Frauen, kleine Kinder, Säuglinge. Da ist der komplette Bevölkerungsquerschnitt vorhanden, und das macht die Sache dann auch so spannend, wenn es an die anthropologische Auswertung geht.» Anhand der Knochen können Forschende unter anderem herausfinden, wie es den Menschen damals ging, welche Krankheiten sie plagten, wie hart sie arbeiten mussten und ob sie Mangelerscheinungen hatten. 

Wichtige Erkenntnisse erhoffen sich Forschende nach Angaben von Langbein auch über die Entwicklung der Pest, denn aus den Zähnen der Toten könnte DNA des Erregers extrahierbar sein. Eine andere Forschungsarbeit rücke Darmparasiten in den Fokus, für die die Fachleute bereits Proben aus den Becken der Toten nahmen. Zudem interessiere sich ein Forensiker für Insektenreste aus den Massengräbern und will dadurch präzise Angaben über die Todeszeit bekommen, wie die Grabungsfirma In Terra Veritas in einem Video erläutert. 

 

 

Spannend sei auch, dass in dem Sandboden Kleidungsreste erhalten geblieben seien, sagte Langbein. Leder, Wolle und Textilien verrotten sonst schnell im Boden. Das ermögliche Rückschlüsse auf die Alltagskleidung, weil die Toten in den Massengräbern nicht wie sonst üblich im Leichenhemd bestatten worden seien, erläuterte die Stadtarchäologin. Und genau über diese alltägliche Mode sei weniger bekannt als über Festtagskleidung und Prachtgewänder, die zum Teil über Jahrhunderte erhalten geblieben seien.

Die Forschung stehe aber noch am Anfang, sagte Langbein. «Das ist ein Projekt, das sich sicherlich über mehrere Jahre ziehen wird.» Jetzt stehe vor allem die Ausgrabung im Vordergrund, damit das Gelände möglichst bald für Bauarbeiten freigegeben werden kann. Auf dem rund 5900 Quadratmeter großen Grundstück sollen dann ein Pflegeheim und Wohnungen für Seniorinnen und Senioren entstehen.