Miese Umfragewerte, Dauerstreit in der Ampel, Kritik an seinem Führungsstil und seiner Kommunikation: All das hat Olaf Scholz lange Zeit an sich abperlen lassen.
«Vertrauen Sie mir», lautete seine Devise. Der Kanzler wird's schon richten. Seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgericht kommt Scholz damit nicht mehr so einfach durch. Dass er das verstanden hat, ließ er vergangene Woche in der «Zeit» anklingen - Scholz übte erstmals so etwas wie Selbstkritik, wenn auch sehr vorsichtig.
Aber was folgt jetzt daraus? Erlebt das Land nun einen «neuen Scholz», der weiß, dass er sich zurückkämpfen muss in der Gunst der Wählerinnen und Wähler? Die heutige Generaldebatte zum Haushalt könnte Aufschluss darüber geben. Es wird das erste Rededuell des Kanzlers mit CDU-Chef Friedrich Merz in diesem Jahr. Traditionell werden diese Debatten vom Oppositionsführer eröffnet. Erst dann ist der Kanzler an der Reihe. Scholz kommt es entgegen, auf Merz reagieren zu können. In dieser Konstellation hatte er seine bisher besten Auftritte im Parlament.
Scholz sieht sich als «Bürgerpolitiker»
Den «neuen» - oder vielleicht auch nicht ganz so neuen - Scholz konnten rund 700 Menschen schon am Vorabend in Potsdam erleben: Ein Gespräch des Kanzlers in seinem brandenburgischen Wahlkreis mit der Schriftstellerin Juli Zeh, bei dem auch Menschen aus dem Publikum Fragen stellen konnten.
Scholz zeigte sich dabei bisweilen nachdenklich. Er bekannte, wie «furchtbar» er die Stärke der AfD finde und die Berichte über das Treffen radikaler Rechter mit einigen AfD-Politikern in Potsdam. Auf die Frage einer jungen Frau betonte Scholz ernst und feierlich, er werde niemals zulassen, dass Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Land gedrängt werden.
Immer wieder ging es im Gespräch mit Zeh auch darum, wie man unzufriedene Bürgerinnen und Bürger erreichen könnte, dass man Sympathisanten der AfD nicht abstempeln oder von oben herab behandeln dürfe, wie wichtig der Austausch mit den Wählerinnen und Wählern sei. Er führe tolle Gespräche, lade auch oft zu Bürgerdialogen ein, betonte Scholz. Überhaupt: Er sei ein «Bürgerpolitiker».
«Das ist schon richtig, was gemacht worden ist»
Und dann nutzte Scholz die Gelegenheit doch noch, sich recht zufrieden mit der Bilanz seiner zweijährigen Regierungszeit zu äußern. Erwerbslosenrente, Mindestlohn, Wohngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, da habe man immer die Nöte der Menschen mit kleinem Einkommen im Blick gehabt. Um die Folgen von Corona und des Ukraine-Kriegs zu bewältigen und die Wirtschaft am Laufen zu halten, habe sich der Staat um 500 bis 600 Milliarden Euro zudem zusätzlich verschuldet. «Da ist schon richtig, was gemacht worden ist, um die Lebensverhältnisse zu stabilisieren», sagte Scholz.
Ruhe stiften, sich selbst ein bisschen loben, dass war dann doch eher seine gewohnte Rolle. Es gehe darum, «dass wir so etwas wie Zuversicht entwickeln können, dass es gut ausgeht mit uns allen in den nächsten 10, 20, 30 Jahren», sagte Scholz gleich zu Beginn des Abends. Und später dann fügte er hinzu, er versuche nicht bei denen mitzureden, die sagen, es werde alles schief gehen. «Gleichzeitig achte ich panisch darauf, dass das nicht wie auf Drogen gesetzter Optimismus klingt, wo man denkt: "Wovon redet dieser Typ?"»
Optimistisch zeigte sich Scholz vor kurzem auch, dass die Ampel im neuen Jahr viel besser funktionieren werde als im letzten. Auf die Frage, woher er die Zuversicht nehme, sagte er der «Zeit»: «Die zentralen Streitfragen, die aus den beschriebenen unterschiedlichen politisch-ideologischen Perspektiven herrühren, haben wir zwar nicht völlig, aber doch weitgehend miteinander ausverhandelt.»
Reichlich Streitthemen
Streitthemen gibt es aber trotzdem noch reichlich - vom Bürgergeld, über die Kindergrundsicherung bis zu den Taurus-Marschflugkörpern. Und die nächsten Haushaltsverhandlungen werden es auch wieder in sich haben. Zudem könnten die Wahlen im Juni (Europa- und Kommunalwahlen) und September (Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg) die Ampel-Koalition in größere Turbulenzen bringen. Letztlich steht jetzt ein Dauerwahlkampf bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 bevor.
Scholz hat sich vorgenommen, da kräftig mitzumischen. Im Europawahlkampf soll er neben Spitzenkandidatin Katarina Barley das zweite Gesicht der SPD sein. Das birgt auch ein Risiko. Das Wahlergebnis wird auch sein Ergebnis sein. Wird das historisch schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl von 15,8 Prozent bei der letzten Europawahl deutlich unterboten, hat auch Scholz ein Problem.
Rededuell zwischen Scholz und Merz
Aber jetzt ist erstmal die Generaldebatte. Das Rededuell zwischen Scholz und Merz ist das erste der beiden Kontrahenten seit der Regierungserklärung des Kanzlers zu dem historischen Urteil des Verfassungsgerichts. «Sie können es nicht», hatte Merz Scholz damals vorgeworfen und ihn als «Klempner der Macht» bezeichnet. Es ist nicht zu erwarten, dass die Vorlage des Oppositionsführer für die Scholz-Rede diesmal schonender ausfallen wird.