Bei seiner zweiten Nahost-Reise seit Beginn des Gaza-Kriegs hat Bundeskanzler Olaf Scholz eindringlich auf eine Waffenruhe gedrungen. «Es ist ganz klar, dass wir jetzt alles dafür tun müssen, dass die Situation nicht noch schlimmer wird als sie ist», sagte der SPD-Politiker am Sonntag nach einem Gespräch mit dem jordanischen König Abdullah in Akaba. Zugleich warnte er vor einer Bodenoffensive Israels im Süden des Gazastreifens: «Ich glaube, dass eine große Zahl von Opfern bei einer solchen Offensive jede friedliche Entwicklung dann sehr schwer machen würde. Das wissen auch viele in Israel.»
Israel habe jedes Recht, sich gegen den Angriff, den die Hamas begonnen habe, zu verteidigen, sagte Scholz. Es dürfe jedoch nicht dazu kommen, «dass jetzt viele, die in Gaza nach Rafah geflohen sind, unmittelbar bedroht sind» von militärischen Handlungen. «Deshalb habe ich genauso wie der amerikanische Präsident sehr deutlich gemacht, dass wir finden, dass das jetzt hier etwas ist, wo man sehr, sehr, sehr sorgfältig alles tun muss, um weitere große Opferzahlen zu vermeiden.» Mit Blick auf eine geplante Wiederaufnahme indirekter Verhandlungen über eine vorläufige Waffenruhe sagte Scholz: «Für mich ist ganz klar, dass es jetzt auch darum geht, die Möglichkeit zu konkretisieren, die sich in den bestehenden Gesprächen zeigt, zu einem Waffenstillstand, der länger hält, zu kommen.»
Netanjahu lehnt Stopp des Gaza-Krieges klar ab
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt ein Ende des Gaza-Krieges vor Erreichen aller israelischen Ziele entschieden ab. «Wenn wir den Krieg jetzt beenden, bevor seine Ziele erreicht sind, bedeutet dies, dass Israel den Krieg verloren hat», sagte Netanjahu am Sonntag wenige Stunden vor einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Dies werde man nicht zulassen.
Netanjahu bekräftigte zu Beginn einer Kabinettssitzung in Jerusalem, man werde sich dem internationalen Druck nicht beugen. Auch an einem Militäreinsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten halte man fest. «Unseren Freunden innerhalb der internationalen Gemeinschaft sage ich: Ist Euer Gedächtnis so kurz? Habt Ihr den 7. Oktober so schnell vergessen, das schlimmste Massaker an Juden seit der Schoah?» Scholz hatte Israel zuletzt mehrfach vor einer Offensive in Rafah gewarnt. Er dringt auf eine Waffenruhe, damit die Geiseln freigelassen werden können und mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangt.
Netanjahu rief die internationale Gemeinschaft nun dazu auf, statt auf Israel Druck auf die Terrororganisation Hamas und ihren Förderer, den Iran, auszuüben. «Sie sind es, die eine Gefahr für die Region und die ganze Welt darstellen», sagte der Regierungschef.
In Rafah im Süden des Gazastreifens suchen nach Schätzungen 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz vor den Kämpfen in den anderen Gebieten des abgeriegelten Küstengebiets. Hilfsorganisationen warnen vor vielen weiteren zivilen Todesopfern. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigte zuletzt, Israel werde trotz des internationalen Drucks nach Rafah vordringen. Nach seinem Stopp in Jordanien wollte Scholz am Sonntag weiter nach Israel reisen und dort noch am selben Tag unter anderem mit Netanjahu sprechen. Auf Details aus seinem Gespräch mit dem jordanischen König ging Scholz nicht ein.