Kirche

«Schritte prüfen»: EKD-Ratsvorsitzende Kurschus unter Druck

Einem früheren Kirchenmitarbeiter wird sexuell übergriffiges Verhalten in den 90er Jahren vorgeworfen. Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus gerät in Erklärungnot: Wann hat sie von dem Fall gewusst?

«Schritte prüfen»: EKD-Ratsvorsitzende Kurschus unter Druck

Nach Vorwürfen sexuell übergriffigen Verhaltens gegen einen früheren Kirchenmitarbeiter ist auch die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus unter Druck geraten. Die Siegener Staatsanwaltschaft ermittelt in mehreren Verdachtsfällen gegen den Mann, der früher wie Kurschus im Kirchenkreis Siegen tätig war.

Ob strafrechtlich relevantes Verhalten vorliege, sei nach bisherigem Ermittlungsstand unklar, hatte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Kurschus war in den in den 1990er Jahren Pfarrerin in dem Kirchenkreis. Sie war nicht in derselben Gemeinde tätig wie der Beschuldigte und ihm nicht vorgesetzt, wie ein Sprecher des westfälischen Landeskirchenamts der dpa am Freitag erläuterte.

Die «Siegener Zeitung» hatte die Aussage von zwei Männern zitiert, die Kurschus in den 1990er Jahren «im Detail über die Missbrauchsvorwürfe informiert haben wollen». Beide hatten nach Angaben der Zeitung eine schriftliche Erklärung vorgelegt.

EKD-Ratsvorsitzende weist Vorwürfe zurück

Die EKD-Ratsvorsitzende hatte bei der Tagung der Synode in Ulm «Andeutungen und Spekulationen» in der «Siegener Zeitung» gegen sich mit Nachdruck zurückgewiesen. Anfang 2023 sei eine anonyme Anzeige gegen die nun beschuldigte Person eingegangen. «Vorher hatte ich keine Kenntnis von Taten sexualisierter Gewalt durch diese Person», betonte sie in einer persönlichen Erklärung.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft hatte in der «Welt» gesagt, es sei bisher «nicht bekannt geworden, dass mit körperlicher Gewalt, Drohungen oder mit Androhung von Schlägen oder sonstigem irgendwelche Leute gefügig gemacht worden sein sollen». Unter dem Begriff sexualisierte Gewalt können im weiteren Sinne aber auch allgemein Grenzüberschreitungen sexueller Art verstanden werden, nicht nur strafbare Handlungen.

Einschätzung vom Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt

In dem Fall meldete sich nun auch das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD zu Wort und ging auf Distanz zu Kurschus. In dem Gremium zur Aufarbeitung von Missbrauchstaten innerhalb der EKD und Diakonie sitzen Betroffene und Kirchenvertreter.

«Wir sind in höchstem Maße besorgt, dass die Darstellung der Ratsvorsitzenden der EKD in einer entscheidenden Frage von den anderen Personen abweicht», betonte das Beteiligungsforum. «Die aktuelle Berichterstattung stellt die Glaubwürdigkeit von Frau Kurschus in Frage.» Dies dürfe nicht zu einer Beschädigung aller Anstrengungen des Beteiligungsforums führen: «Es braucht eine klare, lückenlose und unabhängige Aufklärung in diesem Fall.»

In der Stellungnahme des Gremiums heißt es: «Grundsätzlich gilt, dass den Aussagen von Betroffenen sexualisierter Gewalt Glauben zu schenken ist und diese nicht in irgendeiner Art und Weise in Zweifel gezogen werden.» Kurschus habe erklärt, dass sie die Aufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden im Siegener Fall unterstütze.

«Es liegt in ihrer Verantwortung als Ratsvorsitzende der EKD darüber hinaus gehende Schritte ernsthaft persönlich zu prüfen.» Auf dpa-Nachfrage wollte die Sprecherin des Beteiligungsforums, Nancy Janz, nicht von einer Rücktrittsforderung sprechen.

So geht es weiter

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der frühere Beschäftigte seine «etwas herausragende Stellung» ausgenutzt hat, um sich jungen Männern in seinem Umfeld sexuell zu nähern. Nach bisherigen Erkenntnissen sei zu mutmaßlichen Tatzeit keiner der Betroffenen minderjährig gewesen, hatte der Sprecher der dpa geschildert.

Die «Siegener Zeitung» berichtete, es gebe in dem Fall nun auch Hinweise auf einen mutmaßlich minderjährigen Betroffenen, wie die Staatsanwaltschaft bestätigt habe. Der Behördensprecher war dazu auf dpa-Anfrage zunächst nicht erreichbar.