Kriege, Konflikte und Spannungen stehen im Mittelpunkt des Auftakts der Frühjahrssitzung des UN-Menschenrechtsrats. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sprach in Genf von «seismischen globalen Schocks». «Der Schmerz und das Abschlachten so vieler Menschen im Nahen Osten, in der Ukraine, im Sudan, in Myanmar, in Haiti und an so vielen anderen Orten auf der Welt sind unerträglich», sagte Türk. Er nutzte in seiner auf Englisch gehaltenen Rede das Wort «slaughter» - Abschlachten.
Türk sagte weiter: «Innerhalb der Länder führt die «Wir-gegen-sie»-Ideologie zu immer gefährlicheren und brisanteren Spaltungen, insbesondere in Vorwahlzeiten, von denen es in diesem Jahr viele gibt. (...) Die Menschlichkeit im anderen zu sehen ist die Rettungsleine, die uns aus der Katastrophe herausziehen kann.»
UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem gefährlichen Auseinanderdriften der Welt in rivalisierende Machtblöcke. Er rief die Weltgemeinschaft auf zusammenzurücken, statt weiter Hass Raum zu geben und die Menschenrechte mit Füßen zu treten. Schwere Zeiten eröffneten auch Chancen, um Führungsstärke zu zeigen und der Gerechtigkeit einen zentralen Platz auf der internationalen Bühne einzuräumen. Das weltweit gültige humanitäre Völkerrecht, das Verhaltensrichtlinien in Konflikten setzt und Zivilisten schützt, müsse wieder respektiert werden. Es sei aus einer klaren Erkenntnis geschaffen worden: «Die Terrorisierung einer Zivilbevölkerung (...) ist ein Rezept für endlosen Ärger, Entfremdung, Extremismus und Konflikte.»
Lage in Gaza macht Situation im UN-Menschenrechtsrat nicht einfacher
Die Konstellation im Menschenrechtsrat mit 47 rotierenden Mitgliedsländern ist aus Sicht westlicher Länder schwierig. Für viele ist die Lage im Gazastreifen das überragende Thema. Einige werfen westlichen Staaten vor, mit unterschiedlichen Maßen zu messen: Sie prangerten etwa Unterdrückung durch die Führung der Islamischen Republik im Iran an, trügen aber Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Bevölkerung des Gazastreifens nicht genügend Rechnung. Westliche Staaten weisen dies zurück. Guterres betonte in seiner Auftaktrede, es dürfe keine Doppelmoral geben.
Mit Blick auf den Konflikt im Gazastreifen warnte Guterres erneut eindringlich vor einer Offensive Israels in der Stadt Rafah im Süden des Küstengebiets. «Eine umfassende israelische Offensive auf die Stadt wäre nicht nur schrecklich für die mehr als eine Million palästinensische Zivilisten, die dort Schutz suchen, sondern würde auch den letzten Nagel in den Sarg unserer Hilfsprogramme schlagen», sagte er.
Guterres verurteilte die Terroranschläge extremistischer Palästinenser in Israel vom 7. Oktober und die militärische Reaktion Israels darauf. Nichts könne das Töten, Verletzen, Foltern und Entführen von Zivilisten und den Einsatz von sexueller Gewalt rechtfertigen, sagte er. «Und nichts kann die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes rechtfertigen», so Guterres.
Baerbock wirbt um Verlängerung der Untersuchungen zum Iran
An der Auftaktsitzung wollte auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock teilnehmen. Sie warnte vor ihrer Abreise davor, angesichts der aktuellen Kriege in Nahost und der Ukraine die Lage der Menschenrechte etwa im Iran aus dem Blick zu verlieren. «Für viel zu viele Menschen weltweit ist das Versprechen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch nach 75 Jahren nicht eingelöst», sagte die Grünen-Politikerin. «Dass dies beim Menschenrechtsrat in Genf wie unter dem Brennglas sichtbar wird, ist eine große Errungenschaft», ergänzte sie.
«Gerade in einer Welt voller Krisen und Konflikte darf dieses Brennglas nicht eintrüben», forderte Baerbock. Vielmehr müsse es «klar bleiben und ausleuchten können, wo sonst keiner hinschaut - in Iran und an anderen Orten dieser Welt». Dafür setze sie sich ein und deswegen «werden wir im Menschenrechtsrat immer zuhören, die Stimme erheben, Unrecht benennen und Rechenschaft einfordern - für jeden Menschen auf der Welt».
Aus Berlin hieß es, Baerbock wolle in Genf unter anderem die Lage im Iran thematisieren. Deutschland hatte im November 2022 nach der Unterdrückung von Protesten gegen die Regierung in Teheran eine Untersuchung durchgesetzt. Eine Expertengruppe legt jetzt ihren Bericht vor, über den voraussichtlich am 15. März debattiert werden soll. Baerbock wirbt darum, das Mandat der Gruppe zu verlängern. Der Iran verweigerte die Zusammenarbeit mit den bestellten Expertinnen und Experten.
Die 47 Länder werden von der UN-Vollversammlung für jeweils drei Jahre in den UN-Menschenrechtsrat gewählt. Deutschland ist zurzeit dabei. Alle Länder können dort zur Sprache gebracht werden und auch sprechen, aber lediglich die Mitglieder können über Resolutionen abstimmen. Das passiert gegen Ende der Sitzung, die bis 5. April dauert.