SPD-Fraktion: Verbale sexuelle Belästigung strafbar machen
Die SPD-Bundestagsfraktion möchte die juristischen Möglichkeiten im Kampf gegen sexuelle Belästigung erweitern. «Obwohl jede einfache Beleidigung strafbar ist, sind selbst anstößige und einschüchternde verbale sexuelle Belästigungen im Regelfall straflos», erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Sonja Eichwede.
Sie verwies auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der die Aufforderung eines 65-jährigen Mannes an ein elfjähriges Mädchen, ihm zu folgen, da er «an ihre Muschi fassen wolle», als nicht strafbar wertete. «Hier besteht Handlungsbedarf», betonte Eichwede. Bei den Koalitionspartnern stieß die Idee auf ein gemischtes Echo.
Die SPD-Fraktion schlägt einen neuen Straftatbestand vor für «gezielte, offensichtlich unerwünschte und erhebliche verbale und nicht-körperliche sexuelle Belästigungen», wie es in einem Positionspapier heißt, das die Fraktion am Dienstag beschloss. «Erheblich ist eine Belästigung insbesondere dann, wenn sie eine Person in ein sexuelles Geschehen einbezieht, einen erniedrigenden oder einschüchternden Charakter hat, eine gewisse Dauer hat oder wenn die betroffene Person ihr nicht auf zumutbare Weise ausweichen kann», heißt es.
In der Regel straflos
Zwar gebe es Tatbestände im Strafgesetzbuch und im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, so die Fraktion. Diese seien bei verbaler und nicht-körperlicher sexueller Belästigung in den meisten Fällen aber nicht erfüllt, so dass verbale sexuelle Belästigung im Regelfall straflos bleibe. Auch gegen obszöne und einschüchternde sexuelle Belästigungen gebe es in der Regel keine Handhabe.
«Das ist in einer gleichberechtigten Gesellschaft nicht akzeptabel», sagte die Abgeordnete Carmen Wegge, die in der SPD-Fraktion für das Thema federführend zuständig ist. «Gewalt gegen Frauen wird in unserer Gesellschaft oft noch immer nicht ernst genommen, obwohl das Ausmaß riesig ist. Auch verbale sexuelle Belästigungen werden verharmlost, dabei sind die Folgen erheblich: von der Vermeidung bestimmter öffentlicher Orte durch Betroffene bis hin zu psychischen Folgen wie Depressionen, Schlafstörungen und Antriebsarmut.»
Unabhängig vom subjektiven Empfinden der Betroffenen liege bei einer verbalen sexuellen Belästigung objektiv eine Beeinträchtigung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung vor. «Solche Übergriffe nehmen der jeweils betroffenen Person das Recht, in einer Situation selbst zu bestimmen, ob sie Teil eines sexualbezogenen Geschehens sein möchte oder nicht. Jede sexuelle Belästigung beinhaltet eine Herabwürdigung zum Sexualobjekt», heißt es in dem Entwurf.
Es solle nicht um jede Form von Sexismus gehen, so die Fraktion. «Denn die Durchsetzung von moralischen Vorstellungen ist nicht Aufgabe des Sexualstrafrechts.» Unterhalb einer gewissen Schwelle seien Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht aber nicht sanktionswürdig, heißt es in dem Papier. «Darunter fallen unerwünschte Komplimente und Äußerungen mit sexuellem Bezug wie Kussgeräusche und Pfiffe oder auf das Äußere bezogene Kommentare.»
Die Reaktionen
Die FDP-Fraktion reagierte verhalten, die Grünen skeptisch. Das Urteil von 2017, auf das die Sozialdemokraten Bezug nehmen, sei «äußerst abstoßend» und das Verhalten des Beschuldigten «zweifelsohne verwerflich», erklärte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Katrin Helling-Plahr. Die Ampel-Koalition plane ganz kurzfristig eine umfangreiche Überarbeitung des Strafrechts, die auf Evidenz beruhen solle, also auf Tatsachen. «Im Zuge dieser Reform werden wir selbstverständlich sämtliche Straftatbestände unter die Lupe nehmen und das Strafgesetzbuch auch auf Schutzlücken überprüfen.»
Die Obfrau der Grünen im Rechtsausschuss, Canan Bayram, nannte den Umstand, dass es noch keinen Gesetzentwurf der SPD gibt befremdend. «Klar ist: Strafrecht darf stets nur Ultima Ratio sein. Im Sinne einer evidenzbasierten Kriminalpolitik muss daher hinterfragt werden, welche Straftatbestände erforderlich sind und welche Verhaltensweisen von der Gesellschaft für strafwürdig erachtet werden, die bisher nicht strafbar sind.»
Im Ziel des Schutzes von Frauen sei man sich grundsätzlich einig, man solle schauen, welchen Beitrag das Strafrecht hier leisten könne. «Wir stehen allerdings nicht zur Verfügung für populistische Entwürfe, die dann in der Praxis keine Anwendung finden.» Die Grünen wollten den Vorschlag der SPD entsprechend prüfen.