Wohnen

Stärkster Preisrückgang bei Wohnimmobilien seit 23 Jahren

Immobilienkäufer könnten sich eigentlich über kräftig gesunkene Preise freuen. Doch gestiegene Zinsen für Baukredite und die hohe Inflation bremsen die Träume von den eigenen vier Wänden.

Stärkster Preisrückgang bei Wohnimmobilien seit 23 Jahren

Mit dem stärksten Preisrutsch für Wohnungen und Häuser seit 23 Jahren hat sich der Abwärtstrend auf dem Immobilienmarkt zu Jahresbeginn beschleunigt. Im ersten Quartal sanken die Wohnimmobilienpreise nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um durchschnittlich 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.

Es war der stärkste Rückgang innerhalb eines Jahres seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000. Im Vergleich zum vierten Quartal 2022 waren Wohnimmobilien durchschnittlich 3,1 Prozent günstiger.

Bereits im vierten Quartal 2022 hatte die Behörde spürbare Preisrückgänge nach dem jahrelangen Immobilienboom festgestellt. Eigentlich ein Grund zur Freude für Käufer. Doch viele Menschen können sich den Erwerb der eigenen vier Wende nicht mehr leisten, weil kräftig gestiegenen Bauzinsen die Kredite stark verteuert haben. Hinzu kommt die hartnäckig hohe Inflation, die die Kaufkraft der Menschen verringert. Das Neugeschäft der Banken mit Wohnimmobilienkrediten an Privatleute liegt seit Monaten am Boden, im April brach es laut Bundesbank-Daten abermals um rund die Hälfte ein.

Sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen sanken die Preise den Angaben zufolge zu Jahresbeginn. Dabei verringerten sie sich in den Städten stärker. Die größten Rückgänge im Vergleich zum Vorjahresquartal wurden in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf verzeichnet. Hier verbilligten sich Ein- und Zweifamilienhäuser um 10,4 Prozent, für Wohnungen musste 6,4 Prozent weniger gezahlt werden als im ersten Quartal 2022.

Für Verkäufer ist der Preisrutsch keine gute Nachricht, auch weil manche auf Immobilien für die finanzielle Vorsorge im Alter setzen. Allerdings scheinen viele Käufer und Verkäufer bislang abzuwarten. «Es gibt nach wie vor vergleichsweise wenige Transaktionen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Jens Tolckmitt unlängst bei der Vorstellung einer Auswertung für das erste Quartal. «Verkäufer und Käufer sind weiterhin auf der Suche nach einem neuen Preisgleichgewicht.» Trotz der Rückgänge waren die Preise für Wohnimmobilien dem vdp zufolge im ersten Quartal im Schnitt um knapp 92 Prozent höher als 2010.

Regierung verfehlt Wohnungsbauziel

Zugleich bleibt die Nachfrage nach Wohnraum hoch, nicht zuletzt wegen der hohen Zuwanderung, während der Neubau wegen gestiegener Zinsen und teurer Baumaterialien stockt. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat eingeräumt, dass die Ampel-Koalition das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen verfehlen wird. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwartet, dass dieses Jahr maximal 250.000 Wohnungen fertig werden nach 295.300 Einheiten im vergangenen Jahr. Der Druck auf die Mieten dürfte daher hoch bleiben.

Nach Einschätzung des Ifo-Instituts droht sich die Wohnbaukrise in Deutschland zu verschärfen. Die Münchner Wirtschaftsforscher rechnen im Jahr 2025 nur noch etwa mit 200.000 neuen Wohnungen, davon 175.000 in neuen Wohngebäuden. «Wohnungsbauprojekte haben sich durch die deutlich gestiegenen Baukosten und die stark erhöhten Zinsen enorm verteuert», erläuterte Ifo-Experte Ludwig Dorffmeister jüngst. «Gleichzeitig gab es eine kräftige Reduzierung bei der staatlichen Förderung.»

Der Branchenverband ZIA geht davon aus, dass 2025 rund 700.000 Wohnungen fehlen werden. Das ungünstige Marktumfeld mit derzeit zu hohen Zinsen im Verhältnis zu den Aufwendungen für Immobilien werde für die Unternehmen zur immer stärkeren Belastung – und am Ende auch für die Gesellschaft insgesamt, warnte der Branchenverband.

Auftragsflaute auf dem Bau

Die Baubranche, die zu den Konjunkturstützen Deutschlands zählt, bekommt die Zurückhaltung deutlich zu spüren. Die Auftragsflaute setzte sich im April fort. Das Bauhauptgewerbe verzeichnete nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bereinigt um Preiserhöhungen (real) weniger Aufträge – sowohl im Vergleich zum März 2023 (minus 1,3 Prozent) als auch im Vergleich zum April des Vorjahres (minus 10,3 Prozent).

Von Januar bis einschließlich April sanken die Neubestellungen zum Vorjahreszeitraum kalender- und preisbereinigt (real) um 16,9 Prozent und nominal um 4,2 Prozent. Erfasst werden Hoch- und Tiefbau. «Der Wohnungsbau bleibt das große Sorgenkind der Baukonjunktur», sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Er forderte «sofort spürbare» Investitionsanreize für Private und institutionelle Anleger. «Sonst verlieren wir dauerhaft die Fachkräfte und das Wohnungsbauziel von 400 000 WE (Wohneinheiten) pro Jahr bleibt auf Jahre unerreichbar.»