Wagner-Aufstand

Strafverfahren gegen verschwundenen Wagner-Chef läuft noch

Nach den Aufständen kehrt langsam in Russland wieder Normalität ein. Von Wagner-Chef Prigoschin fehlt jede Spur. Sicher ist nur: Gegen ihn wird entgegen den Angaben des Kremls weiter ermittelt.

Strafverfahren gegen verschwundenen Wagner-Chef läuft noch

Nach dem bewaffneten Aufstand des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Armee ist das Strafverfahren gegen ihn Moskauer Medien zufolge bisher nicht eingestellt worden. Ermittler des Inlandsgeheimdienstes FSB untersuchten den Fall weiter, berichtete die Zeitung «Kommersant» unter Berufung auf die Fahnder.

«Die Ermittlungen laufen weiter», meldete auch die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf eine eigene nicht näher benannte Quelle. Der Kreml hatte am Samstagabend mitgeteilt, dass das Strafverfahren gegen Prigoschin und die Wagner-Aufständischen eingestellt werde.

Wird Prigoschin bestraft oder nicht?

Von dem 62-Jährigen fehlte unterdessen weiter jede Spur. Er soll nach Kremlangaben im benachbarten Belarus Zuflucht finden.

Kremlchef Wladimir Putin hatte am Samstag in einer Rede erklärt, dass die Drahtzieher des Aufstandes ihrer «unausweichlichen Bestrafung» zugeführt würden. Dass dann der Kreml wenig später erklärte, die Aufständischen kämen nach Ende der Revolte und dem Abzug aus Russland doch ungeschoren davon, löste Erstaunen in dem Riesenreich aus. Kommentatoren legten das Einlenken Putins als Schwäche des Kremlchefs aus.

Die russischen Behörden gingen unterdessen gegen die Wagner-Organisation in Russland vor. In St. Petersburg, dem Stabsquartier Prigoschins, gab es dortigen Medien zufolge Razzien in den Büroräumen. Im Land wurden auch Werbeplakate entfernt, mit denen die Privatarmee Freiwillige für den Kriegsdienst in der Ukraine rekrutieren wollte. Tausende Söldner dienen in der Wagner-Truppe. Das soziale Netzwerk VK - das russische Gegenstück zu Facebook - sperrte auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft die Seite von Wagner.

In seinem Telegram-Kanal, der mehr als 1,3 Millionen Abonnenten hat, stammt die letzte Nachricht von Prigoschin vom Samstag, als er nach Verhandlungen mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko das Ende des kurzen Aufstands verkündet hatte. Lukaschenko und Prigoschin, die sich laut Kreml seit etwa 20 Jahren kennen, hatten unabhängig voneinander erklärt, dass durch den Abzug der Wagner-Truppe ein «Blutvergießen» in Russland verhindert werden solle. Danach hatte sich die Lage schlagartig beruhigt.

Normalität in Moskau

Nach dem Ende des bewaffneten Söldner-Aufstands in Russland wurde in der Hauptstadt Moskau der Anti-Terror-Notstand wieder aufgehoben. «Alle Beschränkungen werden zurückgenommen», schrieb Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin auf seinem Telegram-Kanal.

Die wegen der chaotischen Lage verschobenen Abschlussfeiern für Schüler würden am Samstag nachgeholt. Aufgehoben wurde der Anti-Terror-Notstand auch im Moskauer Gebiet sowie in der südlicher gelegenen Region Woronesch.

Russlands Verteidigungsministerium zeigt Schoigu-Video

Außerdem veröffentlichte Russlands Regierung erstmals Aufnahmen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Das 47 Sekunden lange Video ohne Ton, das Schoigu etwa in Beratungen mit anderen Militärs zeigt, soll bei einem Besuch im Kampfgebiet in der Ukraine aufgenommen worden sein, teilte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit.

Der Minister habe dort einen der vorderen Kommandopunkte besucht, hieß es. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Es wurden keine Angaben gemacht, von wann die Aufnahmen stammen. Russische Militärblogger wiesen wenig später daraufhin, dass das Schoigu-Video ihrer Einschätzung nach noch vor dem Aufstand aufgenommen wurde. So hieß es etwa in dem bekannten Telegram-Kanal «Rybar», der Clip sei eine «Konserve».

Von Schoigu hatte am Wochenende in der Öffentlichkeit jede Spur gefehlt, nachdem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin in der Nacht zum Samstag einen Aufstand begonnen und dabei etwa die südrussische Stadt Rostow am Don zwischenzeitlich besetzt hatte. Auch Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow äußerte sich in diesen chaotischen Stunden nicht.

Sowohl gegen Schoigu als auch gegen Gerassimow hatte Prigoschin schwere Vorwürfe erhoben und ihre angeblichen militärischen Verfehlungen als Grund genannt, warum er seine Kämpfer auf Moskau marschieren lassen wollte. Nachdem Prigoschin seinen Aufstand am Samstagabend überraschend wieder für beendet erklärte, mehrten sich zudem Spekulationen, ob es nun möglicherweise personelle Veränderungen in der russischen Militärführung geben werde.