«The Flash»: Zeitreise-Epos mit Batman im Rentenalter
Das Kinojahr 1989 war ein besonderes für Film- und Comic-Fans. Damals leitete Tim Burtons «Batman» mit Michael Keaton in der Hauptrolle die Ära des Superhelden-Kinos ein. Christopher Reeve hatte als «Superman» schon zehn Jahre früher gezeigt, dass Comics für Blockbuster-Filme taugen, aber der düstere Kinohit «Batman» hob das Genre auf ein neues Level und war Vorreiter für Kinohits wie «Iron Man», «Avengers» oder «Wonder Woman». Nun kehrt Keaton in seiner Paraderolle auf die Leinwand zurück. In «The Flash» muss er als alternder Batman dem jungen Titelhelden (verkörpert von Ezra Miller) helfen, die Welt zu retten.
In Andy Muschiettis vielschichtigem Comic- und Zeitreise-Epos taucht allerdings zunächst Ben Affleck im Fledermauskostüm auf, mit dem Ezra Miller in «Batman v Superman: Dawn of Justice» und «Justice League» zu sehen war. Barry Allen alias Flash kann sich bekanntlich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und wird regelmäßig von Bruce Waynes Butler Alfred (Jeremy Irons) gerufen, wenn Wayne als Batman (Affleck) Unterstützung braucht. «The Flash» startet direkt mit einer packenden Actionszene, die die Herzen von Batman-Fans höher schlagen lässt.
Die Realität wird auf den Kopf gestellt
Doch wenn Barry nicht gerade Gotham City oder die Welt rettet, leidet er, denn sein Vater sitzt im Gefängnis, weil er Barrys Mutter ermordet haben soll. Barry ist überzeugt von seiner Unschuld, kann das aber nicht beweisen. Als er eines Tages feststellt, dass er dank seiner Geschwindigkeit in der Zeit zurückreisen kann, fasst er den Entschluss, seine Mutter und damit auch seinen Vater zu retten.
Damit stellt er die Realität vollkommen auf den Kopf, landet in der falschen Zeit und trifft auf sein jüngeres, unreifes Ich (Miller in einer Doppelrolle). Obendrein will Kryptons Superschurke Zod (Michael Shannon) nun die Erde zerstören. Barry sucht in der neuen Realität vergeblich nach seinen Justice-League-Mitstreitern. Er findet nur einen gealterten Batman in Rente (Keaton) und Supermans Cousine Kara Zor-El (Sasha Calle). Und was einmal auf der Zeitachse geändert wurde, lässt sich nicht einfach rückgängig machen.
«The Flash» hebt die Theorien von Zeitreise und Multiversum, die zuletzt in «Spider-Man: No Way Home» und dem Oscar-prämierten «Everything Everywhere All At Once» sehr unterhaltsam und clever auf die Leinwand gebracht wurden, auf ein neues Level, weil die fiktiven Gesetze der Zeitreise außer Kraft gesetzt werden. Anders als etwa im Filmklassiker «Zurück in die Zukunft» haben Barrys Eingriffe nämlich nicht nur Auswirkungen auf die Zukunft, sondern auch auf die gesamte Vergangenheit, so dass praktisch alles aus den Fugen gerät – und aus filmischer Sicht alles möglich ist. Deswegen ist Superman nie auf der Erde angekommen und Batman viel älter als Flash.
Viele Was-wäre-wenn?-Momente
Der Film nimmt das Thema dabei gekonnt auf die Schippe, etwa wenn Barry erschrocken feststellt, dass Eric Stoltz in «Zurück in die Zukunft» mitspielt, während Michael J. Fox die Hauptrolle in «Footloose» hat. (Stoltz war tatsächlich zunächst als Marty McFly gecastet worden, bevor Fox übernahm.) Doch damit nicht genug. «The Flash» überrascht mit zahlreichen genialen Was-wäre-wenn?-Momenten aus der langen Geschichte der DC-Comics und -Filme, die hier nicht verraten werden. Nur so viel: Ben Affleck und Michael Keaton sind nicht die einzigen bekannten DC-Gesichter in dem unterhaltsamen Film.
«The Flash» kommt über fünf Jahre später als ursprünglich geplant in die Kinos. Grund für die Verzögerung waren mehrere Wechsel auf dem Regiestuhl, die Corona-Pandemie und der Ärger um Ezra Miller (30). Miller machte mit gewalttätigen Ausbrüchen und anderen Skandalen viele Negativschlagzeilen. Eine Neubesetzung des Films war nicht mehr möglich, das 200-Millionen-Dollar-Spektakel einzustampfen war ebenfalls keine Option. Welche Zukunft Miller – hervorragend in der ungewöhnlichen Doppelrolle – in Hollywood hat, ist derzeit offen.
Michael Keaton mit grandiosen Actionszenen
Der 71 Jahre alte Keaton, der als Batman immer noch genauso cool ist wie 1989, stiehlt in «The Flash» allen die Show. Sein Comeback wurde von Warner Bros. im Vorfeld werbewirksam vermarktet, um einen Hype zu erzeugen. Der Kult-Batman liefert nicht nur wunderbar nostalgische Momente, sondern auch grandiose Actionszenen.
Während Keaton für die Vergangenheit steht, empfiehlt sich DC-Debütantin Sasha Calle für zukünftige Abenteuer. Ob der geplante «Supergirl»-Film mit ihr kommen wird, steht jedoch in den Sternen. Unter der Leitung von Filmemacher James Gunn («Guardians Of The Galaxy») steht das DC Extended Universe, dessen gesamtes Potenzial bisher kaum genutzt wurde, vor einem Neustart. Als kreativer Kopf der DC Studios soll Gunn ein konsistentes filmisches Universum nach dem Vorbild des Marvel Cinematic Universe der Konkurrenz aufzubauen.
Dass DC Films das Risiko eingeht, noch einmal mit Miller zu arbeiten, ist zumindest fraglich. Die Zeit von Henry Cavill als Superman oder Gal Gadot als Wonder Woman ist laut Branchenmedien definitiv abgelaufen. Andererseits: Indem «The Flash» verschiedene Realitäten und Zeitstränge zu einem Multiversum verknüpft, eröffnet es Gunn und Co. für die Zukunft unendliche Möglichkeiten.
Andy Muschiettis originelles Zeitreise-Abenteuer zählt trotz einiger verzeihlicher Längen zu den besten DC-Filmen bisher. Inspiriert von der Comic-Reihe «Flashpoint», zeigt das witzige und stellenweise sogar tiefgründige und sehr emotionale Comic-Epos, was mit diesem Stoff auf der Leinwand möglich ist. Damit ist «The Flash» hoffentlich ein Vorbote für eine spannende DC-Zukunft.