Julian Nagelsmann und Aleksander Ceferin verbindet wahrlich nicht viel. Für beide ist die Europameisterschaft im Sommer von herausragender Bedeutung, das schon. Davon abgesehen sind es sehr unterschiedliche Fußball-Kreise, in denen sie sich bewegen.
An diesem sportpolitisch aufgeladenen Donnerstag in Paris eint den Bundestrainer und den UEFA-Präsidenten aber das gewisse Gefühl der Entspannung, das sich beide erlauben dürfen.
Nagelsmann verfolgt am Abend (ab 18.00 Uhr) im Maison de la Mutualité mehr oder weniger als Platzhalter die Auslosung der Nations League, die zwar tolle Gegner bringen könnte, ihn aufgrund seines nach der EM auslaufenden Vertrages aber, Stand jetzt, nicht mehr betrifft. Ceferin muss beim UEFA-Kongress zuvor (ab 10.00 Uhr) nach Wochen der aufgeregten Berichte keine Rebellion mehr fürchten. Wie für seinen verhassten Freund Gianni Infantino bei der FIFA wird auch für den Slowenen der Begriff der Amtszeitbegrenzung maximal gedehnt.
UEFA, FIFA und die Langzeitpräsidenten
Die Debatte über Ceferins mögliches Wirken an der UEFA-Spitze bis 2031 habe eine «rechtliche Dimension, aber auch eine politische», sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf der Deutschen Presse-Agentur. «Rechtlich ist es so, dass man diesen Schritt durchaus mitgehen und vertreten kann.» Politisch habe der DFB «ein ausgezeichnetes Verhältnis» zum UEFA-Präsidenten, «der uns bei der EM massiv unterstützt hat, mit dem wir unglaublich eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet haben», sagte Neuendorf.
Der Kongress wird en bloc über mehrere Statutenänderungen abstimmen, in einer geht es darum, seit wann die zwölfjährige Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten gilt. Mit der aktuellen Formulierung dürfte Ceferin (56), der seit September 2016 im Amt ist, 2027 nicht erneut zur Wahl antreten, mit der neuen schon. Innerhalb des Verbands, dessen Exekutivkomitee bereits am Mittwoch (14.00 Uhr) tagt, war ein Streit darüber entbrannt. Ceferins langjähriger Unterstützer Zvonimir Boban trat von einem hochrangigen Posten zurück.
«Sehr, sehr müde» sei er, sagte Ceferin zuletzt dem britischen «Guardian» und ließ offen, ob er überhaupt noch einmal antreten würde. «Ich bin nicht sicher.» Taktik? Die Vollversammlung in der französischen Hauptstadt wäre zumindest ein passender Anlass, sich bitten zu lassen und die Kandidatur zu erklären. Infantino hatte sich seine Klarstellung der FIFA-Statuten von seinem Council durchwinken lassen, in dem auch Neuendorf sitzt.
Der ungeliebte Wettbewerb
An Ceferin ist der DFB in diesem Jahr in besonderer Weise gebunden. Die Heim-EM in geopolitisch schwierigen Zeiten muss für den Verband ein Erfolg werden - wirtschaftlich wie sportlich. Entsprechend ordnet die sportliche Leitung dem Turnier alles unter. Vertragsgespräche mit Nagelsmann und Sportdirektor Rudi Völler, der wie der Bundestrainer nur bis nach dem Turnier unterschrieben hat, wird Neuendorf in Paris kaum führen - so anspruchsvoll die Nations League auch werden kann.
Spanien, Portugal und Serbien wäre die schwerste Konstellation für die Gruppenphase des Turniers, in dem sich die DFB-Auswahl in den vergangenen Ausgaben mehr blamiert hat als die Fans zu begeistern. Das Finalturnier, das Deutschland noch nie erreicht hat, steigt Anfang Juni 2025. Für Nagelsmann könnte dann ein anderes Turnier längst wichtiger sein: Die neue, gigantische Club-WM in den USA.