UN-Bericht: Zivilisten in russischem Gewahrsam gefoltert
Russische Akteure haben seit dem Überfall auf die Ukraine nach einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros Hunderte Zivilisten gefoltert. 77 seien summarisch getötet worden, sagte die Leiterin des UN-Menschenrechtsbüros in der Ukraine, Matilda Bogner, am Dienstag. «Das ist ein Kriegsverbrechen.» Einige dieser Tötungen seien in einem Bericht im Dezember schon erwähnt worden.
Das Büro hat in einem Bericht 864 Fälle von Menschen dokumentiert, die seit Beginn des Krieges im Februar 2022 und bis Mai 2023 von russischer Seite meist in besetzten Gebieten festgenommen wurden. Darunter seien Personen des öffentlichen Lebens, humanitäre Helferinnen und Helfer, Priester und Lehrerinnen und Lehrer gewesen. Fast alle hätten von Folter berichtet.
Auf ukrainischer Seite dokumentierte das Büro 75 Fälle festgenommener Zivilisten. Sie hätten auch mehrheitlich von Misshandlung und Folter berichtet. Russland und die Ukraine verstießen mit den Festnahmen beide gegen internationales Recht. Die Ukraine habe zwar Gesetze erlassen, um Festnahmen wegen Verdachts auf Hilfe für den Feind zu ermöglichen. Die Befugnisse gingen aber zu weit.
«Die russischen Streitkräfte, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden haben in großem Umfang zivile Gefangene gefoltert und misshandelt», sagte Bogner. Von Kämpfern der Wagner-Gruppe, die am Wochenende mit einem später gestoppten bewaffneten Aufstand in Russland Schlagzeilen machten, seien keine Festnahmen von Zivilisten bekannt. Das Büro hat früher aber über Fälle von Misshandlung und Folter von ukrainischen Kriegsgefangenen, also Kämpfern, in Wagner-Gewahrsam berichtet.
Hohe Dunkelziffer
Das Büro zählt nur Fälle, in denen es die Umstände selbst klären konnte. Die wahren Zahlen der festgehaltenen Zivilisten seien womöglich mehr als doppelt so hoch, sagte Bogner.
Ukrainische Behörden hätten mit einer Ausnahme Zugang zu allen Haftanstalten und Gefangenenlagern gewährt und vertrauliche Gespräche mit Gefangenen ermöglicht. Von russischer Seite habe es trotz zahlreicher Anfragen keinerlei Zugang zu gefangenen Zivilisten gegeben. Das Büro hat mehr als 1100 Menschen teils nach ihrer Entlassung gesprochen und 70 Mal ukrainische Gefangenenlager besucht.