Der Anschlag mit einer Handgranate auf eine Trauergemeinde in Altbach ist nur ein Kapitel in der langen Geschichte der blutigen Fehde verfeindeter Gruppen im Großraum Stuttgart. Aber es ist der Fall, der bislang das größte Aufsehen erregt hat.
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Werfer der Granate haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung lange Haftstrafen gefordert, nun will das Landgericht am das Urteil sprechen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem iranischen Staatsbürger in ihrer Anklage unter anderem versuchten Mord vor.
Der zur Tatzeit 23-Jährige soll die Handgranate am 9. Juni auf die Trauergemeinde geworfen haben, zu der zahlreiche Anhänger der verfeindeten Gruppe gehört haben sollen. Mindestens 15 Menschen wurden verletzt, einige schwer. Nur durch einen glücklichen Zufall war die Granate nach Aussage der Ermittler an einem Ast abgeprallt, 30 Meter von der Trauergemeinde entfernt gelandet und explodiert.
Während die Anklagevertretung eine Haftstrafe von 13 Jahren beantragt hat, plädiert die Verteidigung auf elf Jahre Haft. Der Angeklagte hatte über seinen Verteidiger mitteilen lassen, die Anklage sei zutreffend.
Weitere Prozesse wegen Altbach laufen
Mit dem Urteil des Landgerichts wird die juristische Aufarbeitung des Handgranaten-Anschlags im Neckartal aber nicht beendet sein. Denn neben dem Prozess gegen den mutmaßlichen Werfer wird auch gegen fünf junge Männer verhandelt, die nach der Explosion gemeinsam mit anderen versucht haben sollen, sich an dem mutmaßlichen Werfer der Granate zu rächen. Ihnen wird unter anderem versuchten Totschlag, versuchte und gefährliche Körperverletzung sowie Widerstand gegen die Einsatzkräfte vorgeworfen. Erhoben wurden zuletzt in diesem Fall auch weitere Anklagen.
Die Gruppe von insgesamt 10 bis 15 Menschen soll den mutmaßlichen Granaten-Werfer auf seiner Flucht gefasst, aus einem Taxi gezerrt und wie im Rausch verprügelt haben. Bis die Polizei eintraf, schlugen und traten sie ihn und ließen laut Staatsanwaltschaft auch nicht von ihm ab, als Sanitäter helfen wollten.
Blutiger Bandenkrieg im Raum Stuttgart
Hintergrund der Tat ist nach Ansicht der Ermittler ein seit vielen Monaten tobender Bandenkrieg rund um Stuttgart. Der mutmaßliche Granaten-Werfer soll einer Bande aus dem Raum Stuttgart-Zuffenhausen und Göppingen angehören, die Trauergemeinde stand einer anderen Gruppe aus dem Raum Esslingen nahe.
Wiederholt wurde im Laufe der Fehde auch auf Menschen geschossen. Bislang gab es nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) 57 Verhaftungen. Laut Innenministerium und LKA handelt es sich bei den insgesamt rund 550 Anhängern und Unterstützern vor allem um junge und der Polizei bereits bekannte Männer. «Einige von ihnen haben einen Migrationshintergrund, im Kern der Gruppen finden sich zudem mehrere Personen kurdischer Volkszugehörigkeit», hatte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) erklärt.
Nach Angaben der Ermittler ist unklar, warum sich die beiden Gruppen zusammengeschlossen haben und aus welchem Grund sie sich eigentlich so blutig bekämpfen. Es handele sich nicht um familiäre Clans oder um die klassische Bandenkriminalität. Vielmehr sei die Gewalt nach zumeist wechselseitigen Ehrverletzungen eskaliert, es gehe um territoriale Machtansprüche und das Motto «Crime as a Lifestyle» (Verbrechen als Lebensstil), mit dem sich viele in den Gruppen stark identifizierten.