Der jüdische Student Lahav Shapira, der bei einer mutmaßlich antisemitisch motivierten Attacke zusammengeschlagen wurde, hat der Freien Universität Berlin vorgeworfen, zu wenig gegen israelfeindliche Gruppen getan zu haben.
«Die Unileitung hat den israelfeindlichen Gruppen viel zu viel Spielraum gewährt. Jüdische Kommilitonen und ich hatten das FU-Präsidium lange vor dem Angriff auf mich aufgefordert, diese Gruppen zumindest zu beobachten», sagte der 30-Jährige in einem Interview mit der «Welt», das online veröffentlicht wurde. Die Universität habe Lösungsansätze versprochen, die Studierenden dann aber «ignoriert».
Shapira war Anfang Februar mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23 Jahre alter propalästinensischer, deutscher Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Auf einem Foto aus dem Krankenhaus, das die «Welt» in ihrem Artikel veröffentlichte, hat Shapira ein stark geschwollenes und verfärbtes Gesicht, das mit mehreren Bandagen und Pflastern verbunden ist. «Meine Nase war komplett durchgebrochen, auch ein Knochen in der Augenhöhle und in der Wange waren gebrochen», sagte der 30-Jährige der Zeitung.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung, die Tat werde derzeit sowohl als antisemitisch eingestuft als auch im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt. Die Ermittlungen und die Auswertung von Beweismitteln dauerten noch an, wie es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur hieß.
Immer wieder kam es bei Protesten an der Freien Universität zuletzt zu Auseinandersetzungen zwischen Studierenden unterschiedlicher Lager. In dem Interview kritisierte Shapira, dass die Hochschule die Verantwortung an die Studierenden habe abgeben wollen. «Wir sollten Ankündigungen israelfeindlicher Demos weiterleiten und wurden dazu animiert, Plakate oder Schmierereien selbst zu entfernen.» Offenbar traue sich die Universität nicht, sich selbst zu kümmern, so der Student. «Unabhängig davon, dass das die Aufgabe der Uni wäre, kann das sogar gefährlich werden, wie der Angriff auf mich zeigt.»
Er sei gestresst, habe aber keine Angst rauszugehen, sagte Shapira. «Ich habe mehrere Erfahrungen mit Antisemitismus und Gewalt gemacht. Das führt nicht dazu, dass ich mich zu Hause einschließen will.» Wenn er abends unterwegs sei, werde er aber künftig aufpassen müssen, wer in seiner Nähe sei.
Freie Universität weist Vorwürfe zurück
In einer Stellungnahme, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hat die FU die in dem Interview erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Die Universität habe israelfeindlichen Gruppen weder Spielräume eingeräumt, noch Lösungsansätze ignoriert, hieß es darin. «Die FU hat frühzeitig zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Antisemitismus entgegenzutreten», sagte ein Mitarbeiter der Pressestelle.
Unter anderem gebe es eine Ansprechperson für Betroffene und Zeugen von Antisemitismus, psychologische Beratung und spezielle Kurse zum Umgang mit dem Nahost-Konflikt für Hochschulangestellte. Weitere Maßnahmen seien in der Planung.
Weiter hieß es, der FU-Leitung sei nicht bekannt, dass Studierende aufgefordert worden seien, Plakate selbstständig zu entfernen. «Die Hochschulleitung würde niemals bewusst Maßnahmen ergreifen oder anregen, die Studierende persönlich in Gefahr bringen.» Plakate, die strafbare Inhalte darstellten, würden entfernt, sobald sie entdeckt oder der Ort, an dem sie aushingen, bekannt gemacht würde. In der Regel sei der Hausmeisterdienst für das Entfernen zuständig.
Berliner Senat will Hochschulgesetz verschärfen
Als Konsequenz auf den Angriff beabsichtigt der Berliner Senat eine Verschärfung des Hochschulgesetzes umzusetzen. Ziel ist, die erst 2021 abgeschaffte Möglichkeit zur Exmatrikulation von Studenten nach bestimmten Straftaten wieder einzuführen. Angedacht ist eine entsprechende Senatsvorlage bis Ostern und ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens im Abgeordnetenhaus möglichst bis zur Sommerpause im Juli, wie Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung deutlich machte. Die Universität hat dem mutmaßlichen Angreifer ein Hausverbot erteilt.