Paritätslücke in Chefetagen

Viele Firmen geben trotz Pflicht kein Frauenanteil-Ziel an

Mehr als 2000 deutsche Unternehmen sind eigentlich gesetzlich verpflichtet, für den Frauenanteil in ihren Chefetagen jährliche Zielvorgaben festzulegen. Nur ein Teil davon tut das aber bislang.

Trotz gesetzlicher Verpflichtung veröffentlichen nur knapp zwei Drittel von mehr als 2000 deutschen Unternehmen eine jährliche Zielgröße zum Frauenanteil in ihren Vorständen. Das geht aus einem Bericht der Bundesregierung zum Frauenanteil in Führungsebenen hervor, den das Bundeskabinett verabschiedet hat. Der Bericht umfasst eine Auswertung zu 2109 Unternehmen aus der Privatwirtschaft, dem öffentlichen Dienst des Bundes und Unternehmen mit unmittelbarer Mehrheitsbeteiligung des Bundes.

Dem Bericht zufolge hatten im zuletzt untersuchten Geschäftsjahr 2021 lediglich 62,1 Prozent dieser Unternehmen eine Zielgröße zum Frauenanteil in ihren Vorständen veröffentlicht - obwohl alle seit 2015 einer gesetzlichen Pflicht unterliegen, dies zu tun. Mehr als die Hälfte von ihnen (53 Prozent) setzte sich zur weiblichen Besetzung der Vorstandsposten die Zielgröße null - also das Ziel, keine einzige Frau im jeweiligen Unternehmensvorstand zu haben. Das ist den Unternehmen bislang erlaubt.

Weshalb sich dennoch nicht alle an die Veröffentlichungspflicht halten, liegt laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) auch an nicht funktionierenden Sanktionsmechanismen. Sie forderte mehr Konsequenz bei der Durchsetzung der rechtlichen Vorgaben. «Es ist ganz klar: Solche Verstöße sind sanktionierbar. Sie ziehen Strafen nach sich», sagte Paus der dpa. Für die Verfolgung seien die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sowie das Bundesamt für Justiz zuständig. Sie setze sich in Gesprächen mit beiden Stellen verstärkt dafür ein, die Regelverstöße «künftig sichtbarer zu machen und Sanktionen effektiv durchzusetzen», sagte Paus. Es brauche generell mehr gut qualifizierte Frauen in den Chefetagen.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, ist der Frauenanteil in den Führungsebenen der genannten Unternehmen seit 2015 kontinuierlich gestiegen. Wegen der Erhebungszeiträume sind in dem Bericht lediglich Daten für das Jahr 2021 verfügbar, in Teilen auch für das Jahr 2022. 

Demnach ist in der Privatwirtschaft der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder aller Unternehmen von 2015 bis 2021 um mehr als sieben Prozentpunkte auf 26 Prozent gestiegen. In jenen 104 Unternehmen, die unter eine feste Quote für die Neubesetzung von Aufsichtsratsposten fallen, hat es laut Bericht im selben Zeitraum eine Steigerung um mehr als zehn Prozentpunkte gegeben. Hier lag der Frauenanteil 2021 bei 35,7 Prozent - und damit über der gesetzlichen Pflichtquote von 30 Prozent.