Volker Wissings umstrittenes Gespür für den Lkw-Boom
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erwartet bis 2051 einen Lkw-Boom. Deshalb hat er den beschleunigten Ausbau von Autobahnen durchgesetzt. Bahnverbände haben seine Verkehrsprognose unter die Lupe genommen – und kommen zu anderen Ergebnissen.
Fachkräftemangel Wissings Langfristprognose geht bis 2051 von 54 Prozent mehr Lkw-Verkehr aus. Das Problem benennen die Forscher: Es fehlen bereits jetzt 70 000 Fahrer. Autonome Lkw würden kaum Abhilfe schaffen, heißt es in der Prognose. „Es wird schlicht nicht genug Lkw-Fahrer geben, um ein Wachstum von 54 Prozent im Straßengüterverkehr zu realisieren“, kritisiert der Geschäftsführer der Güterbahnen, Peter Westenberger.
Lkw-Maut und Klimaschutz Die Prognose geht davon aus, dass sich der Lkw-Mautsatz bis 2040 geringfügig verändert. Die Maut ist daran gekoppelt, wie klimafreundlich Lkw sind. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Flotten immer weniger CO2 ausstoßen, was den Mautsatz senkt. Das sehen die Bahnverbände kritisch. Aus ihrer Sicht werden die Flotten nicht im erhofften Maße erneuert. So gibt es noch keine ausreichende Ladeinfrastruktur für E-Lkw. Der Ausbau sei teuer und zeitaufwendig. Darüber hinaus gehe die Verkehrsprognose von zu niedrigen CO2-Preisen aus.
„Die Kritik am Aufbau der Lkw-Ladeinfrastruktur können wir nicht nachvollziehen“, teilte ein Sprecher des Verkehrsministeriums mit. Die Vorbereitungen für den Aufbau liefen auf „Hochtouren“. Die Langfristprognose zeichne ein Zukunftsbild. Zwischenzeitlich veränderte Rahmenbedingungen wie etwa der CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut würden in der nächsten Prognose berücksichtigt.
Kapazität und Kohle Bis 2030 werden die wichtigsten Trassen in Deutschland saniert. Das bedeutet eine Kapazitätssteigerung auf der Schiene. Dies würde in der Prognose aber nicht berücksichtigt, kritisieren die Verbände. Zudem würde der Einsatz der Digitalen Automatischen Kupplung nicht nur eine Kapazitätssteigerung von 2, sondern 15 Prozent bedeuten. Wissing geht davon aus, dass künftig vor allem Paketsendungen deutlich zunehmen, während Kohletransporte auf der Schiene abnehmen. Das sieht der Vorsitzende des Verbands der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI), Malte Lawrenz, anders. Die Nachfrage nach der Schiene werde nicht sinken, „nur weil weniger Kohle transportiert wird. Etwa drängen die Hersteller von Wasserstoff, Flüssigerdgas und Ammoniak sowie von Waren auf Paletten zunehmend auf die Schiene“, sagt er. „Die Verbände waren von Anfang an in den Prozess der Festlegung der Prämissen eingebunden“, teilte ein Ministeriumssprecher mit. „Die Kritik der Verbände zeugt aus Sicht des BMDV von einem unterschiedlichen Verständnis von Verkehrsprognosen.“