Verhandlung von dem BGH

Warum Werbeblocker so umstritten sind

Aufdringliche Onlinewerbung nervt viele User. Sie verwenden deshalb Adblocker, um aufdringliche Banner zu unterdrücken. Sie schneiden damit aber auch wichtige Umsatzströme der Webseiten-Betreiber ab.

Deutschlands größter Verlag, Axel Springer, versucht seit Jahren, den Werbeblocker Adblock Plus juristisch zu stoppen. Nach einer Schlappe vor dem Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2018 landete jetzt der Fall erneut in Karlsruhe. Fragen und Antworten zu einem grundsätzlichen Konflikt im Internet:

Was ist der Gegenstand der Kontroverse?

In dem Fall vor dem BGH geht es um die Software Adblock Plus des Kölner Unternehmens Eyeo, die Werbung auf Webseiten blockiert. Der Adblocker erkennt und entfernt Werbeanzeigen, bevor sie auf dem Bildschirm der Anwenderinnen und Anwender angezeigt werden.

Wie funktioniert die Blockade im Detail?

Ein Adblocker analysiert den Quellcode der Webseite und identifiziert Elemente, die Werbung darstellen. Das können bestimmte Befehle («Tags») der Webseiten-Beschreibungssprache HTML sein. Der Werbeblocker untersucht aber auch die Adressen («URLs») von Webservern. Wird die Adresse dem Server eines Dienstleisters der Werbebranche zugeordnet, wird unter bestimmten Bedingungen verhindert, dass von dort Inhalte geladen und angezeigt werden.

Worum ging es beim ersten Fall vor dem BGH?

Im ersten Anlauf hatte Springer versucht, den Blocker Adblock Plus mit einer Wettbewerbsklage zu stoppen. Der BGH sah in seinem Urteil vom April 2018 in dem Eyeo-Angebot jedoch keinen unlauteren Wettbewerb und auch keine rechtswidrige aggressive Geschäftspraxis. Die Entscheidung über den Einsatz des Werbeblockers liege beim Nutzer der Internetseiten und nicht bei dem beklagten Unternehmen. (I ZR 154/16) Der BGH störte sich auch nicht daran, dass Eyeo Geld von Werbe-Unternehmen kassiert hatte, damit ihre Anzeigen von Adblock Plus nicht herausgefiltert, sondern als «akzeptable Werbung» durchgelassen werden.

Wie argumentiert Springer im zweiten Anlauf?

Springer stützt sich beim neuen Versuch auf das Urheberrecht, das der Verlag an den HTML-Codes besitze. HTML steht für HyperText Markup Language und ist die standardisierte Auszeichnungssprache, die verwendet wird, um Inhalte auf Webseiten zu erstellen und zu strukturieren. «Werbeblocker verändern die Programmiercodes von Webseiten und greifen damit – wir meinen: urheberrechtswidrig – direkt in das verfassungsrechtlich geschützte Angebot von Medienunternehmen ein», sagte ein Konzern-Sprecher der dpa. Werbeblocker beschädigten dadurch nicht nur eine zentrale Finanzierungsgrundlage von Journalismus, sondern gefährdeten langfristig auch den offenen Zugang zu meinungsbildenden Informationen im Internet.

Wie lautet die Antwort auf Eyeo auf die Vorwürfe?

Eyeo erklärte im Laufe der beiden Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht in Hamburg, die von Springer geforderte Gleichsetzung des einer Webseite zugrundeliegenden HTML-Codes mit einem Computerprogramm hätte weitreichende Folgen. Sie bedeute nicht nur das Ende für ein barrierefreies und sicheres Internet. Internetnutzerinnen und -nutzer dürften außerdem nicht mehr selbst entscheiden, wie sie ihren Browser konfigurieren und das Internet sehen. App-Entwickler müssten damit jeden Webseitenbetreiber einzeln um Erlaubnis bitten, ob eine Anwendung auf deren Seite genutzt werden darf. Dies führe zu einer großen Rechtsunsicherheit.

Wie sehen die Gerichte bislang den neuen Fall?

Weder das Landgericht Hamburg noch das Hanseatische Oberlandesgericht wollten der Argumentation des Verlages folgen. Die Beeinflussung des Programmablaufs durch den Werbeblocker sei keine Umarbeitung des Programms. Es könne offenbleiben, ob die Dateien, die beim Webseitenaufruf an den Nutzer übermittelt würden, als Computerprogramm urheberrechtlich geschützt seien und der Verlag über die ausschließlichen Nutzungsrechte verfüge. (AZ: I ZR 131/23)