Radsport

Zeugenaufruf, Rückzug von Teams: Folgen des Todes von Mäder

Nach dem Tod von Radprofi Gino Mäder wird weiter die Unfallursache untersucht. Mehrere Teams verlassen die Tour de Suisse. Das Thema Sicherheit steht erneut im Fokus.

Zeugenaufruf, Rückzug von Teams: Folgen des Todes von Mäder

Inmitten der Trauer um Radprofi Gino Mäder und den Ermittlungen zur Unfallursache geht die Tour de Suisse weiter. Am Samstagmittag startete die vorletzte Etappe der Schweiz-Rundfahrt. Drei Teams waren nicht mehr dabei. Noch sind viele Fragen zum tragischen Tod des Schweizers Mäder im Alter von 26 Jahren offen. 

Warum wird die Rundfahrt fortgesetzt?

Am Freitag, dem Tag des Todes von Mäder, war die sechste Etappe gestrichen worden, stattdessen hatten die Radprofis bei einer Gedenkfahrt ihres Kollegen gedacht. Danach verständigten sich die Verantwortlichen nach eigenen Angaben mit den Teams, mit den Fahrern und den Betreuern auf eine Fortsetzung der Rundfahrt. «Nach Rücksprachen mit allen involvierten Personen stehen wir als Direktion geschlossen hinter diesem Entscheid», erklärte Tour-Direktor Olivier Senn. Sie würden versuchen wollen, die letzten beiden Etappen des Männerrennens «in einem angemessenen Rahmen durchzuführen».

Die Zeitmessung fürs Gesamtklassement findet am Samstag bereits 18,8 Kilometer vor dem Ziel statt. Das Zeitfahren am Sonntag werde ebenfalls im Rennmodus durchgeführt, hieß es in einer Mitteilung. Mäders Familie solle eine Fortsetzung der Rundfahrt befürwortet haben. Am Start der dritten Tour de Suisse für Frauen am Samstag wurde ebenfalls festgehalten. 

Drei Männer-Teams aber werden nicht mehr dabei sein: Neben Mäders Rennstalls Bahrain Victorious zogen sich Intermarché-Circus-Wanty aus Belgien und das Team der Schweizer Radlegende Fabian Cancellara am Samstag zurück. «Unter diesen schwierigen Umständen, ist das für uns der menschliche Weg, die Gefühle unserer Fahrer zu respektieren und Gino Respekt zu zollen», erklärte das Team Tudor Pro Cycling. 

Ist der Unfallhergang geklärt?

Nein. Es ist immer noch unklar, was am Donnerstag auf der Abfahrt wenige Kilometer vor dem Ziel passierte. Bekannt ist, dass neben Mäder auch der 21 Jahre alte Magnus Sheffield stürzte. Sein Ineos-Team hatte am Unfalltag bestätigt, dass der US-Profi in einen Unfall verwickelt gewesen sei, sich eine Gehirnerschütterung und leichte Prellungen zugezogen habe und eine Nacht im Krankenhaus bleiben müsse. 

Tour-de-Suisse-Arzt Roland Kretsch, der als Erster an der Unfallstelle gewesen war, hatte dem Schweizer «Blick» gesagt, dass es zu einem Sturz von zwei Rennfahrern gekommen sei und diese die Böschung runtergekracht seien. «Wahrscheinlich überhöhte Geschwindigkeit oder zu spät gebremst oder verhakelt, das ist nicht ganz klar.» 

Möglicherweise kann Sheffield zur Klärung beitragen. Die Kantonspolizei Graubünden hat einen Zeugenaufruf gestartet. «Insbesondere werden Personen gesucht, die den Unfall beobachten oder sogar filmen konnten», hieß es in der Mitteilung. 

Wie sind die Reaktionen in Mäders Heimatland auf den Tod?

Praktisch in allen Schweizer Medien wurde neben den sportlichen Fähigkeiten Mäders auch dessen Engagement außerhalb des Radsports gewürdigt. «Gino Mäder wollte die Welt zu einem besseren Ort machen», schrieb die «NZZ». Mäder sei beseelt vom Anspruch gewesen, für andere da zu sein. «Er bewies, dass Sportler keine Egoisten sein müssen.» 

Mäder habe für Schweizer Gletscher gespendet und «versuchte stets, mit sich selber im Reinen zu sein», schrieb der «Tagesanzeiger». Mäder spendete schon mal bei einer Spanien-Rundfahrt über 3000 Euro für gemeinnützige Zwecke – einen Euro für jeden Fahrer, den er auf den Etappen hinter sich ließ. Sein Hund Pello war einst ein Streuner in Bilbao, statt in einer spanischen Tötungsstation landete er bei Mäder.

Inwiefern hat der Unfalltod Mäders eine Sicherheitsdebatte in Radsport verstärkt?

Durch den bisher noch ungeklärten Unfallhergang ist eine Einschätzung insgesamt schwierig. Schwere Stürze und Unfälle auch mit Todesfolge sind leider nicht neu im Radsport, Schutz bieten praktisch nur die Helme. Der Tod von Fabio Casartelli 1995 nach einem Unfall auf einer Etappe der Tour de France hatte die Debatte um eine Helmpflicht befeuert, erst acht Jahre später wurde sie aber eingeführt. Kurz vorher war der Kasache Andriej Kiwilew nach einem Sturz gestorben.

Trotz Helmpflicht kam es aber auch danach noch zu tödlichen Unfällen. 2016 starb der belgische Profi Antoine Demoitié an den Folgen einer Kollision mit einem Begleitmotorrad, 2019 überlebte der belgische Radprofi Bjorg Lambrecht einen Sturz auf der Polen-Rundfahrt nicht.

Bei Mäders Sturz war die Straße trocken, die rasante Abfahrt stand am Ende einer Etappe über 215,3 Kilometer mit 3295 Höhenmetern. Es sei keine schlaue Idee gewesen, das Ziel einer solchen Etappe nach einer Abfahrt zu platzieren, sagte der 23 Jahre alte Weltmeister Remco Evenepoel aus Belgien. «Man muss vielleicht zukünftig schauen, dass Abfahrten nicht so kurz vor dem Ziel gemacht werden», pflichtete auch der ehemalige Radprofi Fabian Wegmann in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur bei. 

Bei der Abfahrt würden Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde erreicht. «Das ist gefährlich. Da denkt man als Rennfahrer nicht immer dran, es ist aber immer präsent.» Nach allem, was er bislang mitbekommen habe, sei es aber ein Fahrfehler gewesen. Und Wegmann, der als Sportchef die Planungen für die Strecke der Deutschland Tour unterstützt, betonte auch: «Man kann als Veranstalter so eine lange Strecke nicht komplett absichern und jeden Pass mit Fangzäunen absichern, dass ein Fahrer nicht von der Straße abkommen kann. Das ist zeitlich und finanziell nicht machbar.»