"Hämmerle eskaliert"

Die Kunst des Bruddelns und Schimpfens: So war Bernd Kohlhepp in der Arche in Dischingen

Gut 130 Kabarettbegeisterte fanden sich im proppenvollen Saal der Dischinger Arche ein, um den Ausführungen von Bernd Kohlhepp im Rahmen seines Programmes „Hämmerle eskaliert“ zu frönen. Über die hohe Kunst des Bruddelns und Schimpfens.

Viele Worte muss man über Bernd Kohlhepp einleitend sicherlich nicht verlieren. Der 1962 im schweizerischen Zofingen zur Welt gekommene und in Tübingen lebende Schauspieler, Kabarettist, Autor und Musiker ist ein gern gesehener Gast in unseren Breitengraden.

Sein Alter Ego Hämmerle, welches er 1998 zum Leben erweckte, benötigt keine Vorwärmphase: betritt Hämmerle die Bühne, ist er auf 180 und in einem nicht mehr zu stoppenden Redeschwall, um nach wenigen Minuten festzustellen: "vielleicht hat mir mein Arzt einfach die falschen Medikamente verschrieben".

Die hohe Kunst des Bruddelns und Schimpfens

Das Leben des Herrn Hämmerle befindet sich in einem gewaltigen Umbruch. Seine Frau hat ihm den Laufpass gegeben und den Job ist er nach internen Umstrukturierungsmaßnahmen auch los. Zeit, sich den wichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Beim Aufräumen des Kellers entdeckte Hämmerle einen Band mit längst vergessenen Gedichten und gab lyrische Schwergewichte wie „Der Pömpel“, die „Kutterschaufel-Trilogie“ oder „Die Spuck-Gugg“ zum Besten. 

Hämmerle erläuterte, weshalb Pinguine als Vorbild des Zusammenhaltes für uns Menschen dienen, uns beim Gendern weit voraus sind und es angesagt ist, mit den urigen Seevögeln bevorzugt einen Abstecher zum Döner-Stand zu machen, anstatt die Wilhelma oder den Funkturm in Stuttgart zu besuchen. Die Frage, ob Zebras nun weiße oder doch schwarze Streifen haben, wurde wissenschaftlich endlich geklärt. Seinem Kumpel Peter Brodbeck half er beim Beantworten von 200 teils delikaten Fragen aus dem Parship-Katalog. Hämmerle weiß nun mal ganz genau, was Frauen wollen – zumindest glaubt er das.

„Drecksmaschin‘“ statt „Sex Machine“

Weniger begeistert zeigte sich Hämmerle von seiner neuen Männer-WG, der neben Brodbeck auch Sautter beiwohnen sollte – beide wurden kurzerhand von ihren Frauen vor die Tür gesetzt und suchten nach einer neuen Bleibe. Die notorische Unordnung von Hämmerle litt gewaltig und irgendwann fand er sich nachts nicht mehr im Bett oder auf dem Sofa, sondern mitsamt Sautters Graupapagei in der Badewanne. Welch ein Abstieg. Da half auch der Staubsaugroboter nichts: Der Ärmste wäre fast an einer längst verschollenen alten Socke von Hämmerle beim Verrichten seiner Arbeit erstickt. Dafür gab es eine Ode an den guten alten Handfeger und den Verweis, dass ein Schwabe niemals durch künstliche Intelligenz ersetzt werden kann.

Ein Abend ohne Gesangseinlagen bei Herrn Hämmerle? Vollkommen undenkbar. Der Kultsong „Iko Iko“ aus dem Jahre 1953 wurde in schwäbisch intoniert und somit um eine vollkommen eigene Nuance erweitert. Bobby McFerrin’s „Don’t Worry Be Happy“ wurde kurzerhand zum Lied von der Heißklebepistole umfunktioniert, während James Brown’s „Sex Machine“ zur „Drecksmaschin‘“ deklariert wurde. So sang sich Hämmerle durch einige Klassiker aus den Bereichen Rock’n’Roll, Country oder Jazz und erntete dabei verdienten Szenenapplaus.

Der Brückenschlag zum Publikum gelang

Die Interaktion mit seinen Zuhörern versteht Bernd Kohlhepp wie kaum ein anderer und zeigte auch in der Arche, mit welchem Improvisationstalent er ausgestattet ist. Gern garniert er seine Darbietung mit einem herzhaften Schuss Zynismus, um im nächsten Moment mit einer wohl dosierten Portion Charme dagegenzuhalten. Im tiefsten Inneren ist und bleibt Hämmerle ein Womanizer vor dem Herrn und stellt eine mit Selbstironie getränkte Kultfigur dar, die seinen Gefühlen gern freien Lauf lässt.

Dabei gilt natürlich die vielleicht älteste und für den Besucher wichtigste Kabarett-Weisheit: Augen auf bei der Sitzplatzwahl. Wer unbedingt in der ersten Reihe sitzen möchte, muss mit etwaigen Risiken und Nebenwirkungen rechnen und ist eigentlich selber schuld, wenn er am nächsten Tag bei der Arbeit etwas süffisant von der Seite angegrinst wird.

Knapp zweieinhalb Stunden dauerte der kurzweilige Auftritt von Bernd Kohlhepp und bot bisweilen zahlreiche Schenkelklopfer und Lacher. Kohlhepp hat nach den vielen Jahren seiner Bühnenpräsenz noch immer ein feines Gespür für gleichermaßen aktuelle wie spannende Themen.

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