Als „Schwuchtel“ beschimpft, dann bewusstlos geschlagen

Bewährungsstrafe für Faustschlag gegen den Kopf bei Faschingsparty in Dischingen

Eine Faschingsparty in einem Dischinger Festzelt endete im vergangenen Jahr für einen jungen Mann im Krankenhaus. Erst wurde er als „Schwuchtel“ beschimpft, dann bewusstlos geschlagen. Ein jetzt unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung Angeklagter hatte dagegen eine ganz andere Version des Geschehens.

Es hätte ein lustiger Abend sein können, in Feierlaune mit Musik und Freunden im Dischinger Faschingszelt im Februar vorigen Jahres. Stattdessen landete ein heute 25-Jähriger mit unklaren neurologischen Ausfällen im Krankenhaus und ein bisher unbescholtener 23-Jähriger erhielt als Quittung dafür eine etwas über einjährige Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Was genau an diesem Abend im Festzelt passiert war, versuchte Richter Dr. Christoph Edler in einer Verhandlung des Heidenheimer Amtsgerichts zu klären. Der Vorwurf gegen den Angeklagten lautete auf Beleidigung und gefährliche Körperverletzung. Er soll das Opfer zunächst mit Ausdrücken wie „Schwuchtel“ und „schwule Sau“ beschimpft haben und am Ende mit einem Faustschlag gegen den Kopf bewusstlos geschlagen haben.

Die beiden jungen Männer hatten wohl zeitweise einen ähnlichen Freundeskreis, aber ansonsten nichts miteinander zu tun. Warum es an diesem Abend gleich am Eingang des Festzelts dazu kam, dass der Angeklagte den Mann verbal anging, blieb unklar. Alkohol dürfte allerdings eine Rolle gespielt haben. Er habe getrunken, sich aber „nicht abgeschossen“, erklärte dazu der Angeklagte. Das Ganze sei doch auch nur eine „Fopperei“ gewesen, versuchte er die Beleidigungen zu verharmlosen. Er habe nur gesagt, dass die neue Frisur „gay“ aussehen würde. Vielleicht habe er auch das Wort „Schwuchtel“ gesagt, aber nicht zu dem Mann direkt, sondern zu einem Kumpel.

Angeklagter: „Ich sehe mich nicht in der Verantwortung“

Es habe gegenseitige Beleidigungen gegeben und der 25-Jährige sei aggressiv aufgetreten, habe ihn geschubst und ihm eine Ohrfeige verpasst. „Ich habe mich bedroht gefühlt“, schilderte der Angeklagte seine Sicht der Dinge. Sein Schlag sei lediglich eine Abwehrreaktion gewesen und nicht, um „blindlings auf ihn einzuschlagen“. Dass sein Kontrahent zu Boden gegangen sei, wollte er nicht mitbekommen haben. Inzwischen sehe er ein, dass seine Reaktion nicht angemessen gewesen sei. Die mögliche Zahlung eines Schmerzensgelds, wie sie der Nebenklagevertreter für den Geschädigten forderte, lehnte der Angeklagte aber rundheraus ab. „Da sehe ich mich nicht in der Verantwortung“, er sei selbst schließlich auch geschlagen worden.

Der Geschädigte berichtete als Zeuge, dass er den Angeklagten am Eingang des Zelts begrüßen wollte und mit den Worten „mit Schwuchteln rede ich nicht“ abgewiesen worden sei. Im Festzelt sei es dann immer wieder zu zufälligen Begegnungen gekommen, bei denen der Angeklagte ihn weiter beleidigte und ihm auch ein Bein gestellt habe, so dass er auf die Knie gestürzt sei. Er sei dann selbst auch lauter geworden und habe den Angeklagten zur Rede gestellt, warum er nicht einfach aufhören könne. Er habe ihn aber nicht geschubst und ihm auch keine Ohrfeige gegeben.

Ein Freund des Angeklagten habe sich dann zwischen sie gestellt und zu vermitteln versucht. Mit diesem habe er ganz normal geredet, als ihn plötzlich der Faustschlag völlig überraschend seitlich am Kopf getroffen habe und er zu Boden gegangen sei. Er sei kurz bewusstlos gewesen, habe aus dem Ohr geblutet und verschwommen gesehen. Ersthelfer hätten ihn vor Ort versorgt, später sei seine Mutter mit ihm in die Notaufnahme gefahren. 

Mit aggressivem Auftreten auch schon zuvor aufgefallen

Exakt so schilderte auch ein weiterer Zeuge den Hergang. Der Angeklagte sei ihm zuvor schon im Festzelt durch sein aggressives Auftreten aufgefallen und habe auch seine damalige Freundin belästigt. Der Mann sei „auf 180“ gewesen, habe plötzlich ausgeholt und an dem Kumpel vorbei mit der Faust zugeschlagen. Im anschließenden Durcheinander wurde der Zeuge selbst als vermeintlicher Schläger von der Security abgeführt. Der Angeklagte verließ das Festzelt dagegen unbehelligt. Auch ein anderer Zeuge bestätigte den Faustschlag und dass der Geschädigte dabei zu Boden gegangen sei.

Die Freundin des Angeklagten wollte dagegen nur gesehen haben, dass der Geschädigte ihren Freund geschubst und geohrfeigt habe. Da gegen die junge Frau wegen versuchter Strafvereitelung ermittelt wird, wurde sie von Richter Edler darauf hingewiesen, dass sie keine Antworten auf Fragen geben müsse, mit denen sie sich selbst belasten könnte.

Der Geschädigte bekommt einen Schlag und Sie drücken ihn weg.

Staatsanwalt

Er habe schlichten wollen, erklärte der Zeuge, der sich zwischen die beiden Männer gestellt hatte, blieb aber ansonsten eher vage. Den Schlag seines Kumpels habe er zwar mitbekommen, aber angeblich sei der Geschädigte dadurch nicht zu Boden gegangen. Er habe ihn dann gegen die Bar geschoben, um die Kontrahenten zu trennen. „Der Geschädigte bekommt einen Schlag und Sie drücken ihn weg“, wunderte sich der Staatsanwalt.

Für das Opfer hat der Vorfall bis heute Folgen. Immer wieder bekomme er bei körperlicher Anstrengung Kopfschmerzen und müsse seinen Arbeitsplatz früher verlassen, berichtete er. Auch unter dem vielen Gerede nach dem Vorfall habe er sehr gelitten. Ein Mann aus dem Umfeld des Angeklagten habe ihn per Whatsapp aufgefordert, die Anzeige zurückzuziehen.

Nach der Verletzung war das Opfer zunächst in der Notaufnahme behandelt worden und verbrachte anschließend vier Tage im Krankenhaus, um neurologische Symptome abzuklären.

Heimtückischer Schlag, der lebensgefährlich sein könnte

Am Ende sah die Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf als erwiesen an. Auch wenn es aus ihrer Sicht durchaus wechselseitige Provokationen gegeben haben könnte, gebe es keinen Grund für den Faustschlag, der sogar lebensgefährlich für das Opfer hätte sein können. Zudem sei der Schlag heimtückisch aus dem Hinterhalt ausgeführt worden, so dass sich der Geschädigte nicht habe verteidigen können. Für die Beleidigung und die gefährliche Körperverletzung forderte er eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten zur Bewährung, auch dann, wenn das Gericht nur von einer einfachen Körperverletzung ausgehen sollte. Neben einer Schadenswiedergutmachung an den Geschädigten seien zudem 2000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu bezahlen.

Der Verteidiger sprach dagegen von einer lockeren Provokation seines Mandanten, die wohl anders angekommen sei. Dass der Geschädigte dabei ruhig geblieben sei, nehme er ihm nicht ab. „Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte.“ Die Geschichte habe sich hochgeschaukelt und es sei „glücklicherweise wenig passiert“. Er forderte für seinen bisher nicht vorbestraften Mandanten eine Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen zu je 40 Euro und eine Schmerzensgeldzahlung von 500 Euro.

Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte.

Verteidiger

Am Ende verurteilte Richter Dr. Christoph Edler den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Wochen wegen Körperverletzung und Beleidigung sowie zu einer Zahlung von 2000 Euro Schmerzenzgeld an den Geschädigten und weiteren 1000 Euro an den Hilfs-und Wohltätigkeitsverein. Die Freiheitsstrafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

In seiner Begründung machte der Richter deutlich, dass ihm das grundlos aggressive Verhalten des Angeklagten, der bisher solide im Leben gestanden habe, völlig unverständlich sei. Er habe zugegeben, den Schlag ausgeführt zu haben, weil er angeblich selbst geschubst und geohrfeigt worden sei. Diese Behauptung sehe er als widerlegt an. Das Opfer habe dagegen durch einen Faustschlag aus dem Hinterhalt eine Schädelprellung und eine Gehirnerschütterung mit neurologischen Folgen erlitten und leide bis heute darunter.

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