Wären Kellner über das Eisberg-Rendezvous informiert, hätten sie vielleicht nicht angeheuert. Insofern scheint das Timing im Ringen um Personal für die Bundeswehr nicht ganz geschickt. Meint jedenfalls Michael Altinger, der am Sonntagabend in der ausverkauften Arche Dischingen sein Programm „Die letzte Tasse Testosteron“ präsentierte.
Ist die Arbeit eines Kabarettisten derzeit eigentlich besonders schwer oder besonders leicht? Michael Altinger jedenfalls schöpft aus dem Vollen: Zum Auftakt lässt er im Henry-Fonda-Outfit aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ und Trump-Manier verkünden, er halte Baden-Württemberg für eine schöne Stadt in der Nähe von Moskau. Und er mache Dischingen „great again“, indem er es besetze, für reichlich Nachkommen sorge und Einwohner und Zugezogene mit billigem Schnaps vertreibe. Und da ist es auch schon, das Testosteron, das, wenn nicht gerade von testosterongesteuerten Personen die Rede ist, über den ganzen Abend in einer Tasse zur Einnahme bereitsteht. Die letzte Tasse, so will es der Programmtitel.
Kongenialer Partner
Und so will es auch das „Große Buch der Strunzenöder“, das bis ins Mittelalter zurückgeht und aus dem Altinger immer wieder zitiert. Stilecht mit mittelalterlich anmutenden Tänzeleien, kongenial unterstützt von Musiker, Sidekick und Effektmaschine Andreas Rother, der nicht nur Musik einwirft, sondern auch so manchen trockenen Kommentar.
Das mittelalterliche Strunzenöd besteht vor allem, erfahren die auf das Beste amüsierten Besucher in der Arche, aus einer Menge nach Genuss von Testosteron berühmt gewordener Altingers. Da wäre Christopher Altinger, der einzige Seefahrer der Familie, der auszog, Indien anzusteuern und dann Neuland und die Ayurveda-Kur entdeckte. Und da war Hildegard von Altinger, die nicht nur Kräuterwissen hinterließ, sondern auch Verse wie „Lass ab oder es wird Dir in die Glocke getreten“. Leif Gunnar Altingerson trug die Berge in Norddeutschland ab, um sie in den Rocky Mountains unterzubringen. Galileo Altinger wurde nicht müde, die Scheibe Erde so lange zu kneten, bis sie eine Kugel war. Und schließlich Teresa Altinger, die nach der Dosis Testosteron ihre Mütterlichkeit entdeckte und nach Kalkutta auszog.
Brandmauern mit Fenstern und Türen
Freilich weiß Altinger auch von Zeitgenossen zu berichten, die die Dosis Testosteron vielleicht ein wenig übertrieben haben. Darunter fallen beispielsweise Politiker, die Brandmauern mit Fenstern und Türen ausstatten. Und verlassene Ehemänner, die die verflossenen Ehefrauen damit strafen wollen, nicht nur Haus, Auto und Sorgerecht für erwachsene Kinder zu behalten, sondern auch damit, rechts zu wählen. Oder auch Ehemänner, die ihre Hausmännerpflicht darin erfüllt sehen, sich um die Getränke zu kümmern.

Mit „Schulterpolster und Achselhaar“ recyceln „Der Andi und ich“ – so der damalige Bandname des Duos – einen Hit aus den 1980er Jahren, der nie einer war, und im Lied „Ich mache täglich meine Übungen“ gibt es Seitenhiebe auf all diejenigen, die denken, wenn sie Dinge sagen, seien sie auch getan. Giovanni, der Inhaber des einzigen Restaurants in Strunzenöd nach Schließung des Postwirts, und vor allem seine in jungen Jahren sehr ansehnliche Mutter ziehen sich durchs Programm. Denn er sucht händeringend Personal, was er mit Handwerkern gemeinsam hat, die aus Verzweiflung schon anbieten, dem Kunden die Kosten bei Do-it-yourself zu erstatten. Archäologen, die Knochen als männlich identifizieren, weil neben ihnen Waffen liegen und kein Thermomix, rät Altinger, die heutige Brille abzunehmen und zur Kenntnis zu nehmen, dass die Urmenschen sehr viel lockerer im Umgang mit Geschlechterrollen waren als die heutige Spießergesellschaft.
Nach Grönland auch Bayern?
Und für Markus Söder, der Gewerbegebiete sehr viel schöner findet als Windräder, hat Altinger besondere Aussichten parat: Sollte es dazu kommen, dass neben Grönland auch Bayern als Eroberungsgebiet interessant wird, dann sei an den letzten Imperator erinnert, der das erledigt hatte. Nach Napoleon sei Bayern schließlich Königreich geworden.
Narretei und Redewort, wie die Jobbeschreibung Altingers im „Großen Buch der Strunzenöder“ lautet, Musik, Gesang und Tanz jedenfalls sorgten für einen überaus pointenreichen Abend, an dem sich Michael Altinger auf seine geistreiche und fantasievolle Art all dem annahm, was derzeit an Themen herumschwirrt. Dabei schloss er die beängstigenden Themen nicht aus. Was tun, wenn es zur Katastrophe kommt? Es mag ja Menschen geben, so Altinger, die dann erst einmal Urlaub machen. Er hingegen hat einen anderen Rat: „Liebe“. Sprach’s, um eine wirkungsvolle Pause zu machen. Schaden würde es ja nicht, und vielleicht macht das ja wirklich vieles great again.
Weitere Termine in der Arche Dischingen
Im Mai stehen gleich zwei Veranstaltungen in der Arche Dischingen an. Mit Christian Springer ist erneut ein Hochkaräter dabei. Am Sonntag, 4. Mai, präsentiert er sein Programm „Leider“. Kommunikationstipps verspricht Franziska Wanninger mit ihrem Programm „Wenn Du wen brauchst, ruf mich nicht an“, das am Sonntag, 25. Mai, zu erleben sein wird.