Kultur in der Arche

Dr. Lisa Federle und Bernd Kohlhepp in der Arche Dischingen: Wenn sich Gegensätze anziehen

„Hämmerle“ mal anders: Der Kabarettist Bernd Kohlhepp holte sich in der Dischinger Arche in Form von Dr. Lisa Federle Verstärkung ins Boot und überließ in einer autobiografischen Lesung – ganz Gentlemen-like – weitestgehend der Dame den Vortritt.

Der bisherige Lebensweg von Dr. Lisa Federle ist alles andere als stromlinienförmig verlaufen – im Gegenteil: Es gab eine Vielzahl an Gipfeln zu erklimmen. Von diesen Gipfeln erzählte sie am Sonntag in der Dischinger Arche. Mit zarten 20 Jahren stand Federle vor etlichen Herausforderungen: alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, das Gymnasium abgebrochen und Aushilfsjobs in der Gastronomie, um sich und ihre kleine Familie über Wasser zu halten. Die Zukunft sah nicht rosig aus. Aber Lisa Federle lernte zu kämpfen – und zu lesen.

Sie holte ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studierte im Anschluss Medizin und war als Assistenzärztin im Fachgebiet der Anästhesiologie tätig. Sie arbeitete auf der Intensivstation und war leitende Notärztin. Heute betreibt sie eine private Hausarztpraxis in Tübingen. Ihre Autobiografie „Auf krummen Wegen“, welche an diesem Abend in der Arche im Vordergrund stehen sollte, erreichte 2022 Platz drei der Spiegel-Bestsellerliste. 2023 folgte der zweite literarische Abstecher mit „Vom Glück des Zuhörens“.

Bernd Kohlhepp muss in Dischingen nicht mehr großartig vorgestellt werden. Der ebenfalls in Tübingen sesshafte „Hämmerle“ zählt zu den beliebtesten deutschsprachigen Kabarettisten und findet regelmäßig den Weg in die Arche. Am Sonntag mimte Kohlhepp, der im knallig-bunten lila Anzug als selbsternannter „Prince Purple“ auftrat, den klassischen Moderator. Er interviewte seine Gegenüber auf vergnügliche Art und Weise und formulierte aus ernsten Themen amüsante Details. In der Arche verwandelten die beiden Protagonisten den ausverkauften Saal zum „Dischinger Hexenkessel“ – zumindest sah das Bernd Kohlhepp mit einem dicken Augenzwinkern so.

Kuriose Geschichten einer Notärztin

Inhaltlich fuhren die beiden einiges auf. So erläuterte Lisa Federle, dass Notärzte in der Regel keine Nasentropfen mit sich tragen und daher auch manchmal einigen Schimpftiraden ausgesetzt sein können. Die Lacher hatten sowohl Kohlhepp als auch Federle auf ihrer Seite, als sie die Geschichte einer 17-jährigen Frau erzählten, bei der aus Rückenbeschwerden eine Schwangerschaft wurde und Federle kurzerhand als Geburtshelferin fungierte. Erwarte stets das Unerwartete – so oder ähnlich könnte man die Situation von Federle als berühmteste deutsche Notärztin auf den Punkt bringen.

Anrührend und herzerwärmend hingegen war das Erlebnis mit einer älteren Dame, die an Heiligabend den Notarzt gerufen hatte, um sich in ihrem trostlosen, langweiligen und von Einsamkeit und Armut geprägten Leben ein paar kostbare und gemeinsame Augenblicke schenken zu lassen. Da war es, das Glück des Zuhörens. Und Federle bewies, dass eine solche Konversation keine Einbahnstraße sein muss.

Der Kabarettist und die Notärztin: Bernd Kohlhepp und Dr. Lisa Federle in der Dischinger Arche. Foto: Siggi Feil

Federle sprach sich vehement für ein verpflichtendes soziales Jahr aus – es schärfe die Sinne für die wesentlichen Dinge im Leben. Auch das Thema Nachbarschaftshilfe sei für sie elementar: einfach mal mit dem Nachbarn reden, backen oder kochen – es könne alles so viel einfacher sein im Leben, wenn man miteinander kommuniziere. Natürlich erläuterte Kohlhepp, warum Männer lange nicht so wehleidig sind, wie es ihr Ruf voraussagt, während Federle ihre Geschichten und Erfahrungen mit dem früheren Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Erwin Teufel, oder dem Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer, zum Besten gab. Mit Palmer wird sie im Übrigen im April dieses Jahres ihr drittes Buch („Wir machen das jetzt! – Über den Mut, neue Wege zu gehen“) veröffentlichen.

Ungewohntes Format für Arche-Besucher

Corona, Long Covid und Alzheimer wurden ebenfalls thematisiert, ehe Kohlhepp zum Abschluss des Abends in seiner Rolle als Frau Schwertfeger nochmals für Stimmung sorgte. Die renitente, ältere Dame möchte eines Tages auf ihrem Grabstein die Inschrift „In der Truhe liegt die Kraft“ stehen haben. Das ist mal eine klare Ansage.

Dr. Lisa Federle und Bernd Kohlhepp – das matcht. Die beiden harmonierten in ihrem Lese-Programm sehr gut miteinander und spielten sich gekonnt die Bälle zu – und bescherten dem Veranstalter ganz nebenbei einen gelungenen Start in ein vielversprechendes Jubiläums-Jahr. Heuer wird 25 Jahre Kultur in der Arche gefeiert. Das Publikum musste sich anfangs noch für das ungewohnte Format erwärmen, wurde allerdings mit knapp zweieinhalb unterhaltsamen Stunden belohnt und lernte ganz nebenbei noch richtig viel fürs Leben.

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