Ein Jahr im Amt: Bürgermeister Dirk Schabel und die knappe Gemeindekasse Dischingens
Herr Schabel, wenn Sie das erste Jahr im Amt in einem Wort zusammenfassen müssten, welches wäre das?
Anspruchsvoll.
Inwiefern?
Dadurch, dass ich die fünf Jahre zuvor schon Kämmerer war, dachte ich, dass ich in den Themen drin bin. Diese Erwartung hat sich schon erfüllt, insofern, dass ich nahtlos anknüpfen konnte. Aber politische Gesamtverantwortung zu haben, das ist eine neue Situation.
Ist das auch mit einer Anspruchshaltung verbunden, die Ihnen gegenüber besteht?
Das eigentlich weniger. Aber wenn man neu in dieser Position ist und dem Gemeinderat drei Monate nach dem Amtsantritt die Hiobsbotschaft überbringen muss, dass man manche der bisherigen Pläne über den Haufen werfen muss…
Sie sprechen über die Nachricht im vergangenen Dezember, als klar wurde, dass die Gemeinde zwei Millionen Euro an Gewerbesteuer an Varta zurückzahlen muss.
Genau. Das war schon sehr anspruchsvoll. Aber ich muss im Rückblick sagen: Das haben wir gut hinbekommen. Es waren viele Konsolidierungsmaßnahmen notwendig, aber wir konnten immer noch vieles umsetzen.
Dischingen galt ja nie als reiche Gemeinde, das ist aber nochmals dramatischer geworden. Wie geht man damit um?
Man kann sich eben nur bis zur Decke strecken, also brauchten wir Kompromisse. Anstatt zu sagen, was können wir dieses Jahr machen, haben wir uns mehr um die Frage kümmern müssen, was können wir uns leisten und wie können wir die Dinge anders steuern.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein Teil des Kompromisses war zum Beispiel, dass wir für die Außenanlagen am Kindergarten Frickingen einen anderen Weg gegangen sind. Da war ursprünglich geplant gewesen, ein größeres Konzept umzusetzen, mit Mitteln aus einem Förderprogramm. Jetzt haben wir beschlossen, auf mögliche Fördermittel zu verzichten und es in kleinerem Stil mit ehrenamtlicher Unterstützung zu machen. So kann man Dinge auch bei mangelnden Mitteln auf den Weg bringen. Und das schafft auch Verbindung innerhalb der Gemeinde.
Bei den übrigen Gewerbesteuerzahlern liegen wir im Plan.
Bürgermeister Dirk Schabel
Erwarten Sie, dass in absehbarer Zeit wieder mehr Gewerbesteuer fließen wird?
Im Moment habe ich da bei einem großen Gewerbesteuerzahler wenig Hoffnung. Bei den übrigen Gewerbesteuerzahlern liegen wir im Plan.
Da muss man bei aller Knappheit vermutlich kreativ sein.
Die Elektrotechnik der Egauhalle ist da ein weiteres Beispiel. Dieses Problem stand in den letzten Jahren immer mal wieder im Raum, da haben wir jetzt gesagt: Wir müssen es angehen, setzen es aber in Bauabschnitten um. Im ersten Schritt haben wir die elektrotechnische Grundversorgung vergeben. Bei solchen unaufschiebbaren Dingen müssen wir mit Blick auf die Finanzlage vertretbare Abschnitte bilden. Wir backen kleinere Brötchen, bringen die Dinge aber zur Umsetzung. Das wird auch die Maßgabe für 2024 sein.
Gibt es da Rückmeldungen oder auch Kritik aus der Bürgerschaft?
Sicherlich können wir nicht alle Wünsche erfüllen. Wichtig ist, dass man nach außen zeigen kann, dass wir uns um die Themen kümmern. Die Abhängigkeit von einem beziehungsweise wenigen großen Gewerbesteuerzahlern ist vielen Bürgern bewusst.
Dazu gehört dann auch, immer wieder Schlaglöcher zu füllen.
Ja, das ist ein beliebtes Thema, aber auch da wird es so sein, dass wir ein Konzept benötigen, wie wir insgesamt mit dem großen Wegenetz umgehen. Da werden wir die Dinge auch neu denken und vielleicht auch unbequeme Entscheidungen treffen müssen, damit wir die wichtigen Wege erhalten können.
Nach außen hin erlebt man den Dischinger Gemeinderat als durchaus meinungsfreudig. Wie haben Sie die Zusammenarbeit bislang erlebt?
Ihre Wahrnehmung ist schon richtig (lacht). Ich erlebe das als sehr konstruktiv. Es gibt Themen, da gehen die Meinungen auseinander, das gehört zum Meinungsbildungsprozess dazu. Ich bin ein sehr rationaler Mensch, deshalb ist mir wichtig, Dingen nicht emotional zu entscheiden. Wenn es unterschiedliche Meinungen gibt, muss man danach trotzdem gesellig zusammensitzen können.
Es ist jeder wichtig, der einen konstruktiven Beitrag leisten möchte zur Gemeindeentwicklung.
Bürgermeister Dirk Schabel
2024 stehen Kommunalwahlen an. Wie würden Sie dafür werben, als Gemeinderätin oder Gemeinderat zu kandidieren?
Ich kann nur jeden auffordern, sich einzubringen. Das ist vor allem bei uns in einer Flächengemeinde eine große Herausforderung. Es ist jeder wichtig, der einen konstruktiven Beitrag leisten möchte zur Gemeindeentwicklung. Es ist elementar für die Meinungsbildung, dass wir genügend Kandidaten haben und der Wähler auch tatsächlich die Wahl hat.
Was wird auf den neuen Gemeinderat zukommen?
Es werden uns in den nächsten Jahren deutlich mehr Kompromisse abverlangt werden als in der Vergangenheit. Ich gehe davon aus, dass die Kompromisse, die wir finden müssen, größer sein werden, um die Aufgaben erledigt zu bekommen. Aber: die Welt verändert sich und mit der Veränderung eröffnen sich immer Möglichkeiten zur Gestaltung.
Wie ist denn der aktuelle Stand in Sachen Rathaus?
Wir haben Anfang des Jahres den Beschluss gefasst, zu prüfen, ob das historische Rathaus in das Konzept mit eingebunden werden kann. Das hat sich im Nachgang als sehr zäh herausgestellt. Es gab beim Landesdenkmalamt lange keinen Ansprechpartner für den Landkreis Heidenheim. Bis ein erster Abstimmungstermin zustande kam, sind mehr als fünf Monate vergangen. Das Ergebnis des Gesprächs war, dass wir ein Ingenieurbüro zur Bauforschung einschalten müssen und Wände und Decken öffnen müssen. Das Amt möchte gerne wissen, was sich hinter den Mauern verbirgt. Es geht darum, ob da irgendwelche Fresken oder Wandmalereien hervorkommen. Das kostet wieder Zeit und ist alles andere als in meinem Sinne. Ich stehe dennoch zu diesem Vorgehen. Wir brauchen mehr Informationen zu dem Gebäude und es gibt kaum Unterlagen. Wir können nur sagen, dass das Gebäude schon vor 1900 stand. Am Ende zählt natürlich, ob es wirtschaftlich Sinn macht, das Gebäude in ein Konzept einzubinden.
Ein Gedanke des Neubaus war ja auch, die Verwaltung unter einem Dach zu vereinen. Es wäre dann der nächste Kompromiss, künftig doch auf mehrere Gebäude verteilt zu bleiben.
Das ist richtig. Entscheidend ist aber: Wenn man dieses Gebäude mitnutzen kann und wir im Neubau auf ein komplettes Stockwerk verzichten könnten, dann würde das die Baukosten des Neubaus um 1,5 Millionen Euro reduzieren. Die Sanierung des historischen Rathauses kostet aber natürlich auch Geld, vermutlich in einer ähnlichen Größenordnung. Ein Bürger hat mal zu mir gesagt: Ist etwas gewonnen, wenn es unterm Strich das gleiche kostet? Da muss ich sagen: Ja, denn dann haben wir neben dem Neubau ein denkmalgeschütztes Gebäude, das saniert ist. Wir müssen uns zukünftig vermehrt um den Gebäudebestand kümmern.
Wie viele Gebäude umfasst das?
In der Egauhalle erneuern wir die Elektrotechnik, in der Dunstelkinger Halle ist das Dach undicht und sicherlich auch ein Teil der Fassade betroffen. In Eglingen ist es die Fassade, dazu eine über 40 Jahre alte Ölheizung. In der alten Schule in Ballmertshofen ist auch das Dach und zum Teil die Fenster marode, die Egauschule in Dischingen ist über 40 Jahre alt. Sie ist seinerzeit zwar mit einem Architekturpreis ausgezeichnet worden, aber das ändert nichts daran, dass es energetisch eine Katastrophe ist. Und im Heimatmuseum kommt die Decke runter. Das sind momentan die wesentlichen Baustellen, um die wir uns akut und in den nächsten Jahren kümmern müssen.
Und auf keines dieser Gebäude wird die Gemeinde verzichten können…
Nein. Die beiden Hallen sind Bestandteile der Eingemeindungsvereinbarungen, die Egauschule brauchen wir unbedingt. Ob zum Beispiel das Heimatmuseum zwingend in diesem Gebäude untergebracht sein muss, darüber kann man nachdenken. Das ist Bestandteil von Gemeindeentwicklung: Wir brauchen mehr Vorlauf und müssen wissen, in welchem Zustand unsere Gebäude, Straßen, Fuhrpark etc. ist und was in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf uns zukommt.
Ein weiteres Thema, das bald vor der Tür stehen wird, ist die Ganztagsbetreuung für die Grundschule. Wie ist die Gemeinde da aufgestellt?
Ich denke, die familiären Strukturen sind im ländlichen Bereich etwas anders geprägt als in der Stadt. Wir sollten den Bedarf und die gesetzlichen Anforderungen abgleichen. Das Ziel ist es, das Thema bedarfsorientiert anzugehen, und wenn sich herausstellt, dass kein oder wenig Bedarf besteht, dann stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen. So, wie es rechtlich vorgesehen ist, soll ja auch am Freitagnachmittag betreut werden und sogar zum Teil in den Sommerferien. Es fehlen jetzt schon in den Kindergärten die Erzieherinnen, also wer soll die Betreuung in den Schulen abdecken?
In Dischingen und seinen Teilorten sind in den vergangenen Jahren Baugebiete entstanden oder sie entstehen gerade. Ist die Nachfrage noch anhaltend groß?
Wir hatten für dieses Jahr im Haushaltsplan recht ambitionierte Ziele über die Anzahl der Bauplätze, die wir verkaufen möchten. Das Ziel haben wir im September erreicht. Auch haben wir bisher keine Rückgaben. In unserem neuen Baugebiet in Eglingen gab es zum Jahresbeginn einige Reservierungen. Alle Interessenten sind abgesprungen, nachdem wir Reservierungsgebühren eingeführt haben. Das war ein richtiger und wichtiger Schritt. Nur so lässt sich die Ernsthaftigkeit von Anfragen erkennen. Zwischenzeitlich liegen wieder Anfragen vor.
Wir möchten natürlich unseren Beitrag zur Energiewende leisten.
Bürgermeister Dirk Schabel
Was auch reinkommt, sind vermutlich Anfragen für Freiflächen-Photovoltaikanlagen. Wie gehen Sie damit um?
Wir möchten natürlich unseren Beitrag zur Energiewende leisten. Gleichzeitig möchten wir vermeiden, dass hier die ganze Landschaft zugepflastert wird, wenngleich es sicherlich auch gewisse Anreize für die Gemeinde gäbe. Wir werden in den nächsten Wochen einen Kriterienkatalog verabschieden, der möglichen Interessenten Orientierung bieten soll.
Mehr als ein Grundrauschen an Steuereinnahmen springt dabei aber sicher nicht raus.
Korrekt. Bei diesen PV-Anlagen gibt es zwar seit Herbst 2022 die Möglichkeit, dass wir uns rechtssicher an den Einnahmen beteiligen können. Das sind 0,2 Cent pro Kilowattstunde, und laut einer Faustformel kann man auf einem Hektar rund ein Megawatt Solarstrom produzieren, also rund ca. 2000 Euro pro Hektar an Einnahmen für die Gemeinde generieren. Entscheidend ist, dass wir die Belange von Landwirtschaft, Klima- und Landschaftsschutz sorgfältig gegeneinander abwägen.
Nochmal zurück zur Eingangsfrage: Verändert man sich persönlich unter dem Eindruck eines solchen Amts? Oder sollte ich da besser Ihre Mitarbeitenden fragen?
Ich würde behaupten, dass ich mich als Person nicht verändert habe. Mich hat letzte Woche eine Bürgerin angesprochen und gesagt: „Du fährst ja immer noch das gleiche Auto!“ Ich sagte ihr, nur weil ich Bürgermeister bin, sehe ich keinen Grund, ein anderes Auto zu fahren. Das hat ihr gefallen. Ich versuche nicht abzuheben und der gleiche Mensch zu bleiben. In meinem Büro verwende ich immer noch die Möbel meines Vorgängers. Die Nachhaltigkeit steht im Vordergrund. Es steht Ihnen natürlich auch frei, meine Mitarbeiter zu fragen wie sie über mich denken und ob ich mich verändert habe (lacht).