Gegen den Rathausneubau

Gemeinderäte wollen nicht als Initiatoren des Bürgerbegehrens in Dischingen bekannt werden

Sieben Gemeinderäte engagieren sich für das Bürgerbegehren in Dischingen, mit dem der Gemeinderatsbeschluss zum Rathausneubau aufgehoben werden soll. Obwohl das rechtlich völlig unbedenklich ist, wollen sie nicht aus der Deckung kommen.

Das geplante neue Rathaus in Dischingen wird zu groß und zu teuer – das ist zumindest der Eindruck, den offenbar viele Bürgerinnen und Bürger in der Härtsfeldgemeinde haben. 970 Unterschriften konnten die Initiatoren für ein Bürgerbegehren gegen diesen Gemeinderatsbeschluss vom 2. Dezember 2024 sammeln. Das Anliegen ist legitim und das demokratische Mittel des Bürgerentscheids in der Gemeindeordnung Baden-Württembergs festgeschrieben.

Was in Dischingen aber unter allen Umständen unter Verschluss bleiben soll, sind die Namen der meisten Initiatoren des Bürgerbegehrens. Elf Menschen haben sich zusammengetan, um den im Gemeinderat mit 13 zu sieben Stimmen gefassten Beschluss zu kippen. Drei davon sind als Vertrauensleute in die Öffentlichkeit getreten, Andreas Mas Casellas, Martin Kölle und Hans Rau. Die weiteren acht Personen wollen anonym bleiben. Auch das wäre nicht kritikwürdig – wären nicht sieben davon Mitglieder des Gemeinderats.

Deren Initiative für das Bürgerbegehren ist rechtlich völlig unproblematisch: „Gemeinderätinnen und Gemeinderäte haben wie alle Bürgerinnen und Bürger das Recht, sich an Bürgerbegehren zu beteiligen – es gibt hier keine Einschränkungen“, teilt das Heidenheimer Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde dazu mit. Genauso sieht man es auch im übergeordneten Regierungspräsidium in Stuttgart.

In Heidenheim, wo es vor fast 20 Jahren einen Bürgerentscheid zum Verkauf der städtischen Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft GBH gab, wurde das Bürgerbegehren von der SPD initiiert, deren Stadträte mehrheitlich gegen den Verkauf gestimmt hatten, im Gemeinderat aber unterlegen waren. Dies wurde von Anfang an so kommuniziert, später gab es auch Unterstützung von den Grünen, der DKP und den Gewerkschaften.

Fast wortgleiche Antworten

Wieso also wollen die sieben Dischinger Gemeinderäte, die offenbar im Gremium gegen den Entschluss gestimmt haben, jetzt ihre Meinung nicht mehr öffentlich vertreten? Auf eine entsprechende Frage der HZ ging keiner der sieben Angesprochenen ein. Obwohl alle sieben einzeln kontaktiert und nicht mit den Namen der anderen Gemeinderäte konfrontiert wurden, schrieben ein Vertreter der CDU und einer der Bürgervereinigung Gemeinde Dischingen fast wortgleiche Antworten: „Ich bin über Ihre Nachricht überrascht“, und verwiesen auf die Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens.

Diese Empfehlung gaben auch drei weitere Gemeinderäte ab, einer bekundete, er wolle sich nicht äußern, und einer antwortete gar nicht auf das Anschreiben. Abgestritten hat aber keiner der Angesprochenen sein Engagement für das Bürgerbegehren. Aus organisatorischen Gründen seien ausschließlich die Vertrauenspersonen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Dies sei der einzige Grund, weshalb die Gemeinderatsmitglieder ihr Engagement als Initiatoren des Bürgerbegehrens nicht öffentlich machen würden, so einer der Gemeinderäte.

Andreas Mas Casellas, eine der Vertrauenspersonen der Gruppe, hatte vor knapp zwei Wochen gegenüber der HZ versichert, die Initiatoren des Bürgerbegehrens seien insgesamt überparteilich und hätten „mit politischen Entscheidungen nichts am Hut“. Tatsächlich sind Gemeinderatsmitglieder aller Fraktionen außer dem Freien Wählerblock bei den Initiatoren vertreten, womit in Dischingen kreisweit auch die erste Kooperation mit der in mehreren Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD gebildet wurde. Die Aussage, die Initiatoren hätten mit politischen Entscheidungen nichts am Hut, wiederholte Mas Casellas auf Nachfrage der HZ nicht. Darüber hinaus sei er nicht befugt, über Mitglieder zu sprechen, so Mas Casellas.

Eine „Under-Cover-Mission“?

Andreas Plaznik, der Vorsitzende des CDU-Ortsverbands, hatte in einer Pressemitteilung Transparenz von den Initiatoren gefordert, von denen nun offenbar drei Mitglieder seiner Partei und Gemeinderäte sind. „Mir ist nicht bekannt, welche Personen hinter der Bürgerinitiative stehen“, schreibt Plaznik auf Anfrage der HZ. Darum habe er Transparenz angemahnt, „denn in meinem Demokratieverständnis sollten insbesondere durch die Wahl legitimierte Vertreter des Gemeinderates klar und offen ihre Meinung vor dem Bürgermeister, der Verwaltung und der Bevölkerung darlegen und vertreten.“

Die Vorgehensweise, ein Bürgerbegehren zu initiieren, ist für Plaznik nachvollziehbar: „Ein Teil der Gemeinderäte war sicher bitterlich enttäuscht, dass keine weiteren Alternativen zum Rathausbau vorgestellt und diskutiert wurden.“ Aber gerade dann sei es wichtig, sich klar zu positionieren und „nicht eine Under-Cover-Mission zu fahren und sich hinter den Vertrauenspersonen zu verstecken“.

Bürgermeister Dirk Schabel sagt auf HZ-Anfrage, dass der Verwaltung gegenüber bisher nur die drei Vertrauenspersonen aufgetreten seien. „Wer die anderen Personen sind, dazu liegen uns keine offiziellen Informationen vor“, so Schabel. Er wird dem Gemeinderat in der nächsten Sitzung am Montag, 27. Januar, vorschlagen, den Bürgerentscheid mit der Fragestellung „Sind Sie gegen den Rathausneubau und damit gegen den gefassten Gemeinderatsbeschluss vom 2.12.2024?“ zuzulassen.

Dieser soll dann auf Sonntag, 18. Mai, terminiert werden. Bis dahin wäre das Vorhaben Rathausneubau auf jeden Fall blockiert, denn die Gemeinde darf unterdessen keine weiteren Schritte in dieser Sache unternehmen. Damit würde sich die Angelegenheit der Neugestaltung der Dischinger Ortsmitte, die schon seit 2019 diskutiert wird, mindestens um ein weiteres halbes Jahr verzögern.

Warum der GBH-Bürgerentscheid in Heidenheim scheiterte

Der einzige Bürgerentscheid im Landkreis Heidenheim in den vergangenen Jahrzehnten fand am 11. März 2007 statt. Damals ging es um die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses zum Verkauf der städtischen Aktien an der Wohnungsbaugesellschaft GBH. Allerdings war der Verkauf an die Gagfah zu diesem Zeitpunkt schon abgewickelt. Zwar sprachen sich 75,58 Prozent (7249 Bürger und Bürgerinnen) im Bürgerentscheid für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses aus, aber es nahmen nur 26,91 Prozent der Wahlberechtigten überhaupt an der Abstimmung teil. Damit wurde die notwendige Zahl von 8945 Stimmen gegen den Gemeinderatsbeschluss nicht erreicht, und das Bürgerbegehren scheiterte.

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