Der in die Krise geratene Ellwanger Batteriehersteller Varta startet ein radikales Sanierungsverfahren, dies wurde Mitte Juli bekannt: Geplant ist die Durchführung eines Restrukturierungsvorhabens gemäß dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) anzuzeigen. Bestehende Aktien würden damit ihren Wert verlieren. Dem Unternehmen zufolge könnten so Arbeitsplätze gesichert werden.
Die IG Metall Aalen und Heidenheim äußern nun hingegen erhebliche Kritik an dem Vorgehen der Varta AG, dieses Restrukturierungsvorhaben gemäß dem Starug-Gesetz anzuzeigen. In einer Pressemitteilung vom Freitag betont die Gewerkschaft, das aus ihrer Sicht erhebliche Risiko, dass bestehende Aktionäre enteignet werden, ohne hierfür eine Entschädigung zu erhalten. Die Regelungen des StaRUG ermögliche es, so die IG Metall, Aktionärsgruppen unterschiedlich zu behandeln, was zu einer Benachteiligung der kleineren Aktionäre führen kann.
Wie die IG Metall weiter mitteilt, sei es aus ihrer Sicht unabdingbar, dass der Konzern, mit all seinen Sparten und Werken, an einen strategischen Investor mit langfristigem Engagement gehen müsse. Man kämpfe gemeinsam um den Erhalt der Arbeitsplätze und der industriellen Wertschöpfung in der Region.
Tobias Bucher, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Heidenheim sagt dazu: „Dass Varta in einer derartig schwierigen Situation ist, ist ein Dilemma. Der letzte und einzige Ausweg, vor einer ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden Insolvenz, ein StaRUG-Verfahren einzuleiten, ist ein schmerzhafter Schritt, der mit Sicherheit nicht leichtfertig entschieden wurde. Dieser krasse Schnitt betrifft alle Aktionäre und führt zum Totalverlust“, so Bucher.
Tamara Hübner, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Aalen ergänzt: Die Varta hat leider bitter gezeigt, wie sich Managementfehler auswirken. Wir brauchen ein solides, zukunftsfähiges Konzept mit einem verlässlichen Investor, mit einem verbindlichen Management und einer Zukunftsvereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung, die gemeinsam mit den Arbeitnehmervertreterinnen gestaltet und auch eingehalten wird.“
Kritisch für Varta-Mitarbeiter: Kapitalherabsetzung auf null
Ein besonders kritischer Punkt sei laut IG Metall die Möglichkeit einer Kapitalherabsetzung auf null, wodurch die bisherigen Aktionäre vollständig enteignet werden können. In solchen Szenarien kann es vorkommen, dass nur ein ausgewählter Großaktionär an einer anschließenden Kapitalerhöhung teilnehmen und somit an der Zukunft des Unternehmens partizipieren darf, während alle übrigen Aktionäre leer ausgehen.
Bucher weiter: „Dies betrifft auch Mitarbeiter aller Standorte, die im Glauben an ,Ihre Varta´ Aktien erworben haben. Das ist besonders bitter, wenn man bedenkt, dass die Situation ausschließlich durch interne Fehlentscheidungen der Vergangenheit rühren. Dass derartige „Fehlentscheidungen“ in Zukunft nicht mehr passieren, hat die Arbeitnehmervertretung die Einsetzung eines mitbestimmten Aufsichtsrats eingeleitet.
Als IG Metall ist es uns wichtig, diese schwierige Situation zu überwinden, und den Tech-Konzern, der mit seinen Produkten zweifelsohne in einem Zukunftsmarkt aktiv ist, zukunftsfähig aufzustellen. Das Unternehmen muss gestärkt aus dieser Krise herauskommen.“
Was sagen Vertreter aus Politik und Kommunen?
In ihrer Pressemitteilung vom Freitag hat die IG Metall zahlreiche Vertreter aus Politik und Verbänden um Stellungnahmen zur Angelegenheit gebeten. So äußern sich Abgeordnete und Kommunalpolitiker und zur Angelegenheit:
Leni Breymaier, MdB, SPD fordert: „Für die Kolleginnen und Kollegen bei Varta, aber auch für absolut zukunftsfähige Produkte aus Ostwürttemberg und dem Ries braucht Varta starke Investoren und keine Heuschrecken. Und die Beschäftigten haben ein Management verdient, das ihr Erfahrungswissen zu schätzen weiß und Arbeitnehmervertretungen vor wichtigen Entscheidungen konsultiert und einbindet.“
Roderich Kiesewetter, MdB, CDU findet: „Die Einleitung eines Sanierungsverfahrens nach dem Starug für Varta ist wichtig, denn es geht auch darum, den Innovationsstandort Deutschland zu sichern. Die Förderung von 300 Mio. Euro von Bund und Land für die Batteriezellfertigung in Ellwangen, hat die Bedeutung deutlich gemacht. Deshalb muss aufgearbeitet werden, wie es nach der massiven Förderung von Bund und Land zu einem derartigen Missmanagement kommen konnte. Beim eingeleiteten Sanierungsverfahren ist mir wichtig, dass vor allem Kleinaktionäre geschützt werden, die bislang hinten runterfallen. Zudem muss zwingend eine Perspektive für die Beschäftigten beinhaltet sein.“
Christoph Schmid, MdB Wahlkreis Donau-Ries (SPD) sagt: „Meine Sorge gilt den engagierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Varta, die in den letzten Wochen und Monaten durch viele Wellentäler gehen mussten. Sie verdienen eine faire Chance und dürfen nicht die Zeche für Fehlentscheidungen des Managements bezahlen. In ihrem Sinne hoffe ich auf eine zeitnahe Lösung, die die Arbeitsplätze in Baden-Württemberg und Bayern erhält und die Zukunftsfähigkeit der Standorte sichert.“
Andreas Stoch, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, betont: „Die Varta AG ist ein Juwel. Als Marke, als Zukunftsbetrieb, als Arbeitgeberin für so viele Menschen, die ich in Dischingen, Ellwangen und Nördlingen kenne. Varta wurde allein durch schwere Managementfehler in diese Krise gebracht, und mit den richtigen Entscheidungen wird Varta schnell wieder auf die Beine kommen. Das lohnt sich für uns alle, und zwar weit über die nächste Bilanz hinaus. Deswegen dürfen wir Varta nicht denen überlassen, denen es nur um Profite geht. Varta ist es wert!“
Dr. Joachim Bläse, Landrat des Ostalbkreises, führt aus: „Die Varta AG hat als weltweiter Innovations- und Technologieführer mit dem Produkt Batterie in seinen vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten Maßstäbe in einer der zukunftsträchtigsten Branchen gesetzt. Was in der Vergangenheit möglich war, wird auch künftig wieder möglich sein. Hinter den Erfolgen stehen exzellente und standortverbundene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Forschung, Entwicklung und Produktion, die vielfach über Generationen dem Unternehmen die Treue halten. Der Erhalt dieser Arbeitsplätze ist daher oberstes Ziel für den Wirtschaftsstandort Ellwangen und den Ostalbkreis. Mit dem Einstieg eines soliden Investors sehe ich gute Chancen für vorhandene, marktfähige Innovationen und eine zukunftsfähige Restrukturierung.“
Peter Polta, Landrat des Landkreises Heidenheim, erklärt: „Der Landkreis Heidenheim ist seit jeher ein starker Wirtschaftsstandort mit vielen namhaften und traditionsreichen Unternehmen. Dazu gehört auch Varta mit seinem Werk in Dischingen als größter Arbeitgeber im Ort. Als Landrat des Landkreises Heidenheim würde ich mich freuen, wenn die Sanierung gelingt und sowohl der Standort selbst als auch die Arbeitsplätze in Dischingen dauerhaft erhalten bleiben.“
Winfried Mack, MdL für den Wahlkreis Aalen (CDU), unterstreicht: „Die Varta ist seit Jahrzehnten ein hochinnovatives Unternehmen, sowohl hinsichtlich der Batterietechnologie selbst als auch der Fertigungstechnik. Wir brauchen in Europa im Hinblick auf unsere Wettbewerbsfähigkeit eine viel stärkere Batterieindustrie. Hier spielt eine geeinte, starke Varta, die technologische Spitzenleistungen hervorbringt, eine Schlüsselrolle.“
Michael Dambacher, Oberbürgermeister Ellwangen, CDU ist besorgt: „Mit Sorge verfolge ich die aktuelle Entwicklung der Firma. Die Varta ist ein Ellwanger Unternehmen mit großer Tradition, das schon mehreren Generationen Arbeit gegeben hat. Somit ist die Varta also ein Stück Ellwangen. Ich hoffe deshalb sehr darauf, dass die aktuelle Ungewissheit bald beendet sein wird und sich das Unternehmen erholen wird.“