Leserbrief

Kein Protz-Palast in Dischingen

Leserbrief zum Bürgerbegehren gegen einen Rathausneubau in Dischingen:

Keine Frage: Das Dischinger Rathaus ist baulich in einem erbärmlichen Zustand, und der Handlungsbedarf ist seit über 20 Jahren bekannt. Was bei der Diskussion um den Neubau aus dem Fokus gerät, ist ein alarmierender Investitionsstau in der Gemeinde. Die Straßen und die Abwasserkanalisation sind teilweise in einem verheerenden Zustand. Die Energiebilanz der Gemeinschaftsschule ist desaströs, über die räumlichen Zustände der Grundschule ganz zu schweigen, und die Egau-Halle hat ihre besten Tage längst gesehen. Viele Bürger fragen sich: Was bringt uns und unseren Familien das Rathaus im Hinblick auf all die anderen Baustellen?

Der Gemeinderat hat mit einer „Hau-Ruck-Mentalität“ und einem „Augen-zu-und-durch“ ein Rathaus beschlossen, das nur ein Argument kennt: Es wird nicht günstiger. Richtig, denn wenn dieses Rathaus so gebaut wird, dann wird es nicht günstiger, sondern deutlich teurer. Die Aufstellung der Lebenszykluskosten des neuen Gebäudes und die Kosten der Grundsanierung für die Nachnutzung des alten Rathauses verschweigt die Verwaltung der Öffentlichkeit.

Alternativen wurden nicht erörtert und vorgestellt. Der Bürgermeister griff stupide auf den Architektenwettbewerb zurück und verkaufte dem Gemeinderat alten Wein in neuen Schläuchen. Wie toll diese Architektenwettbewerbe sich später in der Gemeinde Dischingen auswirken, kann man am 45-jährigen Holzgebäude der Gemeinschaftsschule sehen. Der Unmut der Bürger ist überall zu hören, und man bezeichnet das geplante neue Rathaus gerne als Protz-Palast. Eine Zeitenwende beim Durchdenken solcher Projekte ist dringend angesagt, denn die wirtschaftliche Gesamtsituation in Deutschland ist auf Jahre hinaus desaströs.

Vergleicht man die finanzielle Ausstattung und die Lebensqualität mit den Nachbargemeinden auf dem Härtsfeld, so befindet sich Dischingen nicht im Sinkflug, sondern im freien Fall. Die Attraktivität von Dischingen macht der Bürger nicht an einem völlig überdimensionierten Rathaus fest, das die Ortsmitte völlig entstellt. Die Ortsmitte sollte eigentlich ein Treffpunkt zum Kommunizieren und Verweilen sein. Jetzt gilt es für Bürgermeister und Verwaltung, eine sinnvolle Planung von Alternativen einzuleiten, die vor allen Dingen Synergien aufzeigt, um genügend finanziellen Spielraum für das Feuerwehrgerätehaus, den Bauhof, dringende Schulsanierungen, Straßen- und Feldwegebau, Kanalisation, sowie die Förderung der Vereine und des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu lassen.

Die erfolgreiche Unterschriftenkampagne spricht eine deutliche Sprache. Schön wäre es dennoch, nicht nur die drei Vertrauenspersonen namentlich zu kennen, sondern alle elf Personen, die hinter dieser Initiative stecken. Die Bürgerinnen und Bürger wollen basisdemokratisch beteiligt werden. Das wäre ein guter erster Schritt, um der Politikverdrossenheit in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und die klaffende Lücke in der Wahrnehmung der Realität zwischen Bürgermeister, Verwaltung und der Mehrheit des Gemeinderats auf der einen Seite und den Dischinger Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite zu verkleinern.
Andreas Plaznik, Dischingen