Kunst

Kunst kennt keine Grenzen: Moritz Bartsch aus Dischingen ist Epileptiker und liebt es, zu malen

Der Dischinger Moritz Bartsch ist Epileptiker und geistig beeinträchtigt. Wenn er an seiner Leinwand sitzt, schaltet er ab. Ein Besuch im Atelier.

Auf der Staffelei steht eine Leinwand, mit Bleistift ist eine Frau skizziert. Farbe ist hier noch nicht zu sehen. Pinsel und Tuben sind in Blechdosen auf dem Tisch verstaut. Am Kleiderhaken hängt der vollgekleckste Blaumann. Vor diesem Bild sitzt Moritz Bartsch nun schon lange. Er betrachtet es immer wieder, überlegt – und hält wieder inne. Er weiß einfach noch nicht so recht, wie er seine Vorstellungen umsetzen soll.

Kunst braucht seine Zeit. Das weiß auch Moritz Bartsch. Der 21-jährige Dischinger liebt es, zu malen. Die Corona-Pandemie hat sein Talent zutage gebracht. Ein Glück, das Moritz aus dieser grauen Zeit mit in die Gegenwart nehmen kann.

Ein junger Mann mit Träumen und Visionen

Moritz Bartsch ist Epileptiker und „geistig retardiert“, wie die Mediziner sagen. Als er drei Wochen alt war, merkten die Eltern, dass etwas nicht stimmte. Eine Odyssee an Arztbesuchen und Diagnosen später, gab es Gewissheit für die Eltern.

Wer Moritz Bartsch kennt, weiß, dass er ein ziemlich normaler junger Mann ist. Einer, der Träume hat. Und Visionen. Er liebt „Rock am Härtsfeldsee“ und ist neuerdings Bogenschütze. Bei der Hilfsorganisation „Regens Wagner“ in Dillingen ist er als Keramiker angestellt. Im Alltag und im sozialen Leben kommt er manchmal organisatorisch an seine Grenzen – dank der guten medikamentösen Einstellung sind das seine einzigen Beeinträchtigungen.

Pinsel und Farben: Moritz Bartsch hat sich nach und nach mit Equipment eingedeckt. Foto: Markus Brandhuber

Manchmal malt Moritz Bartsch nächtelang durch

Zurück zur Kunst. „Es kann locker mal eine Stunde vergehen, in der ich nur vor der Leinwand sitze und keinen einzigen Pinselstrich mache“, sagt Moritz Bartsch. Und dann gibt es wieder Tage und Nächte, da sprudelt die Inspiration nur so aus ihm heraus. Mutter Jutta Bartsch weiß: „Es gab schon Nächte, in denen er komplett durch gemalt hat.“ Sohn Moritz Bartsch kontert: „Da hab ich einfach meine Ruhe.“

Ruhe braucht er zum Malen. Und seine Musik. Mehr nicht. Die Ideen sind in seinem Kopf, wie er sagt. Szenen aus dem Leben, aus der Gefühlswelt, Erfahrungen, Träume, Verborgenes – bei Moritz Bartsch bahnt sich das seinen Weg und landet auf der Leinwand.

Das Selbstporträt ist sein Lieblingsmotiv

Er hat einige Lieblingsmotive. Sein absolutes Herzensstück ist aber sein Selbstporträt, das er 2022 fertiggestellt hat. Hier offenbart sich eine Gedanken- und Gefühlswelt, für die mancher nicht den Mut hat, sie zu preiszugeben. „Das Selbstporträt zeigt mich und meine Familie, meine Erfahrungen und auch Ängste“, sagt der 21-Jährige. Mutter Jutta Bartsch gibt zu: „Da waren wir dann schon bewegt zu sehen, was in seinem Kopf vorgeht, dass er wie jeder Mensch gute und schlechte Gedanken hat.“

Ohnehin: Die Eltern sind unheimlich stolz auf den Jungen und sein Talent. Sie fördern es, wo es nur geht. „Moritz tut das unheimlich gut, er kann beim Malen abschalten. Das ist sein Ventil“, sagt Jutta Bartsch.

Arm in Arm: Moritz Bartsch gehen die Ideen für seine Motive nicht aus. Foto: Markus Brandhuber

Der Dischinger probiert verschiedene Techniken aus

Seine Werke würde er selbst als abstrakte Kunst bezeichnen, sagt der 21-Jährige. In den sozialen Medien teilt er seine Bilder – mehr als 700 Menschen verfolgen seinen künstlerischen Weg. Da wird Bewunderung ausgedrückt, sogar in verschiedenen Sprachen.

Moritz Bartsch hatte sich zu Coronazeiten von sozialen Medien inspirieren lassen, Kunst zu machen. Eines Tages bat er die Eltern um Leinwände und Equipment. Er probiert sich in verschiedenen Techniken aus. Am liebsten hat er den Pinsel in der Hand und malt mit Acryl- und Ölfarben. Er nutzt aber auch die klassischen Wasserfarben. Spraydosen hat er auch schon probiert.

Ein selbsternannter „Kunstmöger“

Lieblingskünstler? Da platzt Moritz Bartsch direkt mit Banksy raus – die Graffiti-Kunst hat es dem jungen Mann angetan. Er mag aber auch da Vincis Kunst sehr: „Seine Feinarbeit fasziniert mich. Wie aus so vielen einzelnen Linien ein Bild entsteht.“ Ob von dieser Bewunderung auch was in seine Werke einfließt? „Mag sein“, sagt der Dischinger.

Moritz Bartsch kennt sich aus. Er setzt sich mit Kunst auseinander, besucht Ausstellungen, macht sich Gedanken. Ein Kunstliebhaber? „Eher ein Kunstmöger“, sagt er und lacht.

Moritz Bartsch hat schon einige seiner Werke verkauft

Er hatte bereits Ausstellungen in den Schloss-Arkaden, im Heidenheimer „Samocca“ oder beim Motorradfrühling in Nattheim. Und: Moritz Bartsch hat auch schon einige seiner Werke verkauft. An die 30 Stück, schätzen die Eltern. Zum Teil gibt es auch Auftragsarbeiten – das jedoch mag Moritz Bartsch nicht allzu gerne. Der Druck ist hoch, die Erwartungen zu erfüllen.

Der junge Künstler hat weitere Ambitionen, will sich jetzt für eine integrative Ausstellung in Berlin bewerben. Seine Kunst soll also noch größere Kreise ziehen. Pinsel und Leinwand sollen seine Begleiter bleiben. Sicher wird er auch irgendwann ansetzen und die Frau auf der Leinwand kolorieren. Dann, wenn die Zeit reif ist.

„Grenzenlose Kunst“: Moritz Bartsch gibt Kurse in der „Arche“

Moritz Bartsch will sein Wissen teilen und Kindern die Welt der Kunst eröffnen. Deshalb gibt er zusammen mit seiner Mutter Jutta Bartsch schon länger Kunstkurse. Aktuell läuft ein Kurs in der Dischinger Arche. Nächster Termin ist nach der Sommerpause am 7. September von 10 bis 12 Uhr.

Es ist ein integratives Projekt und soll gesunde wie beeinträchtigte Kinder zusammenbringen. Jutta Bartsch erklärt: „Auf diese Weise können wir auch Berührungsängste abbauen. Es ist so schön, zu sehen, was hier alles entsteht.“ Moritz Bartsch macht Interessenten Mut: „Malen kann jeder“, sagt er. Man müsse nur wollen. Anmeldungen sind direkt in der „Arche“ möglich.

Seine Werke teilt Moritz Bartsch bei Instagram unter abstrakt_mo.

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