Bürgerentscheid

Rathausneubau: Dischingens Einwohner haben am 18. Mai die Wahl

Das Bürgerbegehren gegen den Beschluss des Rathausneubaus in Dischingen nach bisheriger Planung ist zulässig. Das hat der Gemeinderat am Montagabend einhellig festgestellt. Weil über das Bauvorhaben selbst aber weiterhin keine Einigkeit im Rat herrscht und der Baubeschluss mehrheitlich Bestand hat, werden nun die Dischinger Einwohner am 18. Mai bei einem Bürgerentscheid das Wort haben.

Das Thema treibt die Härtsfeldgemeinde mittlerweile seit ein paar Wochen um: der am 2. Dezember 2024 von einer 13-zu-sieben-Mehrheit im Gemeinderat beschlossene Neubau eines Rathauses mitten im Ort, am Platz des Hauses Bairle. Wie sehr die Angelegenheit die Dischinger Einwohnerschaft beschäftigt, zeigte sich auch am Montagabend bei der sehr gut besuchten Ratssitzung, als an die 120 Zuhörer und Zuhörerinnen in die Egauhalle kamen. Zur Beratung stand das von einer örtlichen Initiative, die sich inzwischen als „Interessensgemeinschaft Für Dischingen“ (IG) bezeichnet, ins Leben gerufene Bürgerbegehren „Stoppt den beschlossenen Rathausneubau“ an. Dieses dient mit seinen Listen von Unterstützer-Unterschriften als Antrag auf einen Bürgerentscheid. Und um das Beratungsergebnis vorwegzunehmen: Es wird am Sonntag, 18. Mai, in Dischingen diesen Bürgerentscheid geben.

Die Fragestellung bei der Abstimmung dann wird „Sind Sie gegen den Rathausneubau und damit gegen den gefassten Gemeinderatsbeschluss vom 2.12.2024?“ lauten. Eingangs der Beratung schilderte Bürgermeister Dirk Schabel, dass diese Frage aber auch nach Meinung der Kommunalaufsicht ein Problem berge: Die Formulierung impliziere, dass bei einer Ja-Mehrheit kein Rathausneubau erfolgen könne, während die Begründung des Bürgerbegehrens darlege, dass ein größen- und kostenmäßig angepasstes Rathaus gebaut werden soll. Die Vertrauenspersonen der IG – Hans Rau, Martin Kölle und Andreas Mas Casellas – hätten jedoch einen anderen Vorschlag abgelehnt und bei dieser Fragestellung bleiben wollen.

Parallelen zum Jahr 1978 in Dischingen

„Wir werden heute keine Grundsatzdiskussion führen über den Rathausneubau oder über Außenanlagen“, erklärte Schabel. Beraten werde nur über das Bürgerbegehren beziehungsweise den Bürgerentscheid. In der Folge zitierte er aus einem HZ-Bericht aus dem Jahr 1978, bei dem es auch schon um einen Rathausneubau ging. Damals sei die Frage gewesen, ob sich die Gemeinde in das gemeinsame Bauprojekt von Kirche und Volksbank einbringen soll. Es hätten sich eine „Menge von Nebenkriegsschauplätzen eröffnet, die das Dorf damals gespalten haben“. Manches, was er jüngst gehört habe, lasse ihn Parallelen zu 1978 erkennen: so etwa Stress in Vereinen, Gemeinderäte, die in der aktuellen Situation nicht mehr kandidieren würden oder aufgrund ihrer Entscheidung nicht mehr gegrüßt würden. Schabel: „Ist das die Sache wirklich wert? Mich stimmt das mit Sorge, was in den letzten vier Wochen in unserer Gemeinde passiert ist.“

Hauptamtsleiterin Theresa Schneidermeier ging anschließend auf die Voraussetzungen für das Bürgerbegehren und deren Prüfung durch die Verwaltung ein. Das notwendige Quorum von sieben Prozent oder 252 der 3602 stimmberechtigten Dischinger Bürger bei den Unterstützerlisten sei erfüllt: Von den insgesamt eingereichten 973 Unterschriften seien 823 als gültig anerkannt worden, bei 150 habe das notwendige Datum zur Unterschrift gefehlt. Binnen vier Monaten nach Feststellung der Zulässigkeit durch den Gemeinderat müsse der Bürgerentscheid stattfinden. Vorgeschlagen werde der 18. Mai. Ein früherer Zeitpunkt – so die Hauptamtsleiterin später in Beantwortung einer Anfrage – sei nicht möglich: Der Tag der Bundestagswahl am 23. Februar scheide aufgrund von Fristen aus, weitere Daten unter anderem wegen Fasching, Ferien und Feiertagen.

Stellungnahme der Initiatoren des Bürgerbegehrens

Wie in der Gemeindeordnung vorgesehen, erhielten dann die Vertrauenspersonen der IG die Gelegenheit zu einer Stellungnahme in der Gemeinderatssitzung. Andreas Mas Casellas, der auch für Hans Rau und Martin Kölle sprach, sagte: „Wir vertreten die Interessensgemeinschaft Für Dischingen, sind überparteilich, sachlich und tun genau das, was wir sagen.“ Die Argumentation und Entscheidung des Gemeinderats im Dezember „ist für uns logisch und rational nicht nachvollziehbar. Wir fühlen uns hier nicht mitgenommen“.

Andreas Mas Casellas sprach in der Sitzung für die Initiatoren des Bürgerbegehrens, zu denen auch Martin Kölle (links) und Hans Rau (rechts) gehören. Foto: Rudi Penk

Die Planung für das neue Rathaus sei „seit mehr als vier Jahren einem stetigen Hin und Her ausgesetzt“, so Mas Casellas. „Jetzt plötzlich den Bau nach vier Jahren durchzuwinken und die nächste Kostensteigerung einfach hinzunehmen, erschließt sich uns nicht.“ Über 970 Unterschriften seien ein deutliches Statement.

„Wir wollen ein zweckmäßiges, in der Größe angepasstes und kostengünstigeres Rathaus, gute und moderne Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde“, sagte der Sprecher. „Und wir wollen für Dischingen ein stimmiges Gesamtkonzept.“ Gewünscht sei ein Stopp der jetzigen Planung und ein „Neustart“ in Zusammenarbeit von Gemeinderat, Verwaltung und Bürgern. „Die veranschlagten Kosten von 7,5, eher acht Millionen Euro sind Steuergelder und uns schlichtweg zu hoch.“ Jeder Arbeitsplatz koste hier knapp 200.000 Euro, plus einem Sitzungssaal für zwei Millionen Euro. „Das ist doch keine Verhältnismäßigkeit und wirtschaftlich unvernünftig.“ Auch Fördergelder seien Steuergelder.

Bürger „im Alter von 16 bis 100 Jahre“ und aus allen Gemeindeteilen würden „dieses Rathaus so nicht“ wollen. Mas Casellas warb namens der IG bei den Gemeinderäten für eine direkte Abstimmung über das Bürgerbegehren. Ein Bürgerentscheid werde nur weiteres Geld und Zeit kosten. Für seine Stellungnahme gab es viel Beifall von den zahlreichen Zuhörern.

Stellungnahme seitens des Freien Wählerblocks

Namens der Gemeinderäte des den Rathausneubau befürwortenden Freien Wählerblocks sprach Stefan Kragler. „Gerade weil so viele unterzeichnet haben, ist der Freie Wählerblock der Auffassung, dass der Bürgerentscheid umgesetzt werden muss“, so Kragler. „Aber auch, weil viele Stimmberechtigte nicht gehört wurden, die Unterschriftslisten waren nicht für alle zugänglich und es wurde nur einseitig abgefragt. Der Bürgerentscheid bietet nun allen Wahlberechtigten die Chance, zwischen Ja und Nein zu entscheiden.“

Gemeinderat Stefan Kragler nahm für den Freien Wählerblock Stellung zum Bürgerbegehren gegen den Rathausneubau. Foto: Rudi Penk

Die aktuellen Baukosten seien hoch, „allerdings für die Gemeinde zu stemmen, da sich die Investition auf zwei bis drei Jahre verteilt“, sagte Kragler. Für die Gemeinde würden 4,6 Millionen Euro als Anteil verbleiben, die Fördermittel von 2,9 Millionen Euro müsse man nicht zurückzahlen: „Geld, das uns zusteht, das wir als finanzschwache Kommune nicht nur beantragen dürfen, sondern auch müssen.“ Werde mit dem Bau nicht begonnen, riskiere die Gemeinde den Verlust wichtiger Förderungen.

Das geplante Rathaus sei in Bezug auf Funktions- und Bewegungsflächen sowie Verkehrswege gemäß den Arbeitsstättenrichtlinien angemessen angelegt. „Niemand würde ein Gebäude, das für die nächsten 50 bis 80 Jahre ausgelegt ist, auf Kante nähen.“ Außerdem dürfe und solle es die Gemeinde repräsentieren und „eine einladende Atmosphäre für bestehende und neue Mitarbeiter schaffen“.

Bei einem Neubeginn würden erneut Planungskosten anfallen und Zeit vergehen, um neue Zuschüsse zu beantragen, so Kragler weiter. Möglicherweise könne ein Baubeginn dann erst 2028 erfolgen. Und dass ein kleinerer Bau kostengünstiger werde, „bezweifeln wir“. Der FWB-Sprecher: „Egal, welches Ergebnis der Bürgerentscheid bringen wird, es wird keine Gewinner geben, nur Verlierer. Die Stimmung im Gemeinderat, in der Gemeinde, in den Vereinen, den Organisationen, den Freundeskreisen ist dem Tiefpunkt nahe.“ Auch Kragler erhielt Applaus für seinen Vortrag.

Gemeinderat Silvio Mundinger (ÖDP) sagte: „Man muss die Bürger ernst nehmen und sie an wichtigen Entscheidungen beteiligen. Der Bürgerentscheid ist ein ausgezeichnetes Korrektiv.“ Dr. Hermann Eckstein (ebenfalls ÖDP) bekannte, im Dezember für den Neubau votiert zu haben und erkundigte sich, ob nicht gleich für eine Neuplanung entschieden werden könne. Dazu meinte der Bürgermeister, dass aber erst 20 Prozent der Bevölkerung gehört worden seien. Es gebe zwei Möglichkeiten: Aufheben des Beschlusses vom Dezember oder Zulässigkeit des Bürgerbegehrens und dann Bürgerentscheid.

Die Abstimmungen im Dischinger Gemeinderat

Gemeinderat Holger Mack (Bürgervereinigung Gemeinde Dischingen) beantragte daraufhin, den Gemeinderatsbeschluss für den Rathausneubau aufzuheben. Mit 13 zu acht Stimmen wurde sein Antrag abgelehnt. Im Anschluss stellte das Gremium einstimmig die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens fest.

Abgestimmt wurde dann auch noch über den am Ende der viermonatigen Frist liegenden Termin des Bürgerentscheids. Gremiumsmitglied Mundinger wie auch Mas Casellas namens der IG hatten sich für einen früheren Zeitpunkt ausgesprochen, was jedoch laut Verwaltung nicht möglich sei. Bei einer Gegenstimme von Heiko Röllig (AfD) und sechs Enthaltungen votierten 14 Gemeinderäte für den 18. Mai.

Bürgermeister Dirk Schabel und Hauptamtsleiterin Theresa Schneidermeier äußerten sich im Gemeinderat für die Verwaltung zum Thema Bürgerbegehren. Foto: Rudi Penk

Abschließend ergriff der Bürgermeister nochmals das Wort. Er setzte den Baukostenanteil der Gemeinde von 4,6 Millionen Euro bei dem Rathausneubau in Relation zu anderen Vorhaben. So werde die Ortsdurchfahrt Hofen für rund drei Millionen Euro saniert – „das Ganze für 50 Einwohner in unserer Gemeinde“. Das Rathaus solle im Idealfall 80 Jahre halten und es würden dort Menschen für 4500 Einwohner arbeiten. Die Finanzierung betrage über drei Jahre jeweils 1,5 Millionen Euro. „Das ist mit Rückblick auf vergangene Investitionen nichts Ungewöhnliches.“ Und sollte der Bau beim Entscheid gekippt werden, dann könne das auch zur Folge haben, dass das Rathaus und das gewünschte neue Feuerwehrmagazin um Fördergelder konkurrieren. So könne es auch für die Feuerwehr zu Verzögerungen kommen. Schabel: „Man muss alles nicht nur wirtschaftlich, sondern auch zeitlich bewerten.“

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