Der Batteriehersteller Varta befindet sich in einer schweren Krise. Ein Sanierungsplan, der unter anderem den Einstieg des Autobauers Porsche vorsieht, soll das Unternehmen retten. Gleichzeitig verursacht das sogenannte „Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren für Unternehmen in Krisensituationen“ (StaRUG-Verfahren) Unruhe, da es Kleinaktionäre ihre Anteile kosten könnte. Wie wirkt sich die komplexe Lage auf Mitarbeitende am Standort in Dischingen aus?
Oliver Milbich ist Betriebsratsvorsitzender im Werk in Dischingen sowie Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Varta Consumer Batteries. Auf Anfrage der HZ hat er sich zur Lage der Angestellten in Dischingen geäußert. Es gibt gute und schlechte Nachrichten.
Betriebsratsvorsitzender: Dischinger Werk ist ausgelastet
Laut Milbich müssen sich die Angestellten in Dischingen aktuell keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen. Im Gegenteil: „Unser Werk in Dischingen ist bis Jahresende und darüber hinaus mit jeder möglichen Schicht ausgelastet“, so Milbich. Da der Personalstand im Moment sogar zu gering sei, suche man in Dischingen händeringend neue Produktionsmitarbeiter und Produktionsfacharbeiter. Stellenkürzungen seien weder geplant noch denkbar. Um die Arbeitsplätze auch in Zukunft am Standort zu erhalten, befinde sich der Betriebsrat in Gesprächen mit der Geschäftsleitung.
Im Moment besteht Verunsicherung darüber, wie es langfristig weitergeht.
Oliver Milbich, Betriebsratsvorsitzender in Dischingen
Die Stimmung unter den Dischinger Mitarbeitenden beschreibt der Betriebsratsvorsitzende dennoch als angespannt. Die bis heute immer im Raum stehende Insolvenzgefahr verursache definitiv Zukunftsängste bei den Beschäftigten. „Im Moment besteht Verunsicherung darüber, wie es langfristig weitergeht“, so Milbich.
Die bereits im Mai 2023 begonnene Restrukturierung bei Varta sei anfangs schlecht kommuniziert worden. „Die Mitarbeiter haben durch die Medien mehr erfahren als durch die offizielle Kommunikation der Geschäftsleitung“, kritisiert der Betriebsratsvorsitzende. Mit der Cyberattacke Anfang des Jahres sei ein weiterer Tiefschlag hinzugekommen: Stillstand in allen Werken. Zwar hätten die Mitarbeitenden in Dischingen großen Einsatz gezeigt, um die benötigten Batterien zu produzieren und die Produktion früher und besser wieder zum Laufen gebracht, als angedacht. Der Standort benötige aber für die Zukunft Investitionen in bestehende und neue Anlagen, um die benötigten Mengen auch produzieren zu können.
IG Metall kritisiert Vorgehen bei der Sanierung
Auch die Gewerkschaft IG Metall verfolgt die Entwicklungen bei Varta aufmerksam. Tobias Bucher, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Heidenheim, äußert sich kritisch zu den bisherigen Sanierungsmaßnahmen. „Die Sanierung hätte konsequenter umgesetzt werden müssen“, sagt Bucher.
Wie Bucher berichtet, ist die IG Metall in engem Austausch mit den Arbeitnehmervertretern in Dischingen. Man telefoniere täglich, manchmal mehrmals. Dass die Fertigungskapazitäten für das gesamte Jahr 2024 voll ausgelastet sind, sei für den Standort zunächst zwar positiv. Den Beschäftigten sei aber ebenfalls bewusst, dass sie im Konzernverbund sind, und eine Entscheidung – in welche Richtung auch immer –Auswirkungen auf den Standort haben kann.
Auf die Frage, wie die IG Metall die langfristigen Zukunftsaussichten für Varta und den Standort Dischingen einschätzt, verweist Bucher auf hohe Nachfrage und Absatz der Produkte aus Dischingen. „Vor diesem Hintergrund mache ich mir in der gesamten Gemengelage um den Standort Dischingen am wenigsten Sorgen – was nicht heißt, dass ich mich in Sicherheit wiege.“
Bucher weist darauf hin, dass die Sanierung des Unternehmens noch auf wackeligen Beinen steht. Und, sagt Bucher: „Das StaRUG-Verfahren hat zwei Seiten. Es kann vor einer Insolvenz retten, aber es birgt auch das Risiko, dass Kleinaktionäre, einschließlich der Mitarbeiter, ihre Investitionen verlieren.“ Es gelte zu überprüfen, ob der vermeintliche „Webfehler“, dass es keinen Schutz für Kleinanleger gibt, im Gesetz geändert werden muss.
Aktien: Dischinger Mitarbeiter könnten finanzielle Verluste erleiden
Auf die Frage, ob Dischinger Mitarbeiter von diesem Risiko gefährdet sind, weil sie in ihre Firma investiert haben, entgegnet Milbich: „Ja es gibt Mitarbeiter, die Aktien besitzen. Wie viele Mitarbeiter das sind und wie viele Aktien sie besitzen, ist aber nicht bekannt.“ Der Verlust der Aktie im Kleinanlegerbereich sei seines Erachtens ein Fehler im StaRUG-Verfahren. „Da ist der Gesetzgeber gefordert nachzubessern.“
Die nächsten Schritte, um den Standort Dischingen zu sichern
Um mögliche zukünftige Managementfehler verhindern zu können, wurde seitens der Arbeitnehmervertreter ein Aufsichtsrat mit Vertretern der Arbeitnehmer sowie der Gewerkschaft eingefordert. "Dies sollte in den nächsten Wochen abgeschlossen werden", so Bucher. Ein weiterer Schritt sei es, ein Investitionsprogramm für den Standort aufzustellen, um bestehende Anlagen zu modernisieren und benötigte neue Anlagen anzuschaffen.