Spärlich sind die historischen Informationen über das wohl aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende kleine Wallfahrtskirchlein „Großer Herrgott“, das an exponierter Stelle unter Bäumen an der Straße von Eglingen nach Demmingen steht, nahe des Eglinger Kellers. Bis zur Schlacht von Giengen 1462 soll sich in diesem Gebiet der untergegangene Pfarrort Taterloch befunden haben.
Ihren Namen verdankt die malerisch gelegene Kapelle einem monumentalen Kruzifix im Inneren, das einschließlich Sockel jüngst mit einer Höhe von knapp über vier Metern vermessen wurde und um das sich örtliche Legenden ranken. Auf dem Holzkreuz, das eine Tafel mit der Jahreszahl 1715 trägt, ist eine etwa lebensgroße Christusfigur befestigt, die als spätgotisch und qualitätvoll gilt.
Derzeit ist das Kreuz allerdings in Folien gehüllt und das ganze Gebäude von 10,50 Meter Länge, 6,23 Meter Breite und mit einer Höhe von 7,70 Meter seit Mitte Mai innen wie außen eingerüstet. Mit Bauzäunen ist der Bereich um die Kapelle abgesperrt. Grund dafür sind umfangreiche Sanierungsarbeiten, bei denen der stark geschädigte Dachstuhl des denkmalgeschützten Bauwerks im Vordergrund steht.
Die Decke der Eglinger Kapelle hängt durch
Auslöser der jetzigen Bauarbeiten war eine Bauschau, im Zug derer festgestellt wurde, dass die Decke im Kapelleninneren sehr verformt ist und durchhängt. Auch Risse wurden dabei entdeckt. „Es wurde beschlossen, dass man in den nicht zugänglichen Dachstuhl einmal reinschauen muss“, schildert Werner Stolz vom Langenauer Architekturbüro Weber, der als Projektleiter bei der Sanierung und Renovierung der Kapelle fungiert. „Dann kam das böse Erwachen.“
Bei der Inspektion zeigte sich, dass die Dachbalken aufgrund von Fäulnis durch eingedrungene Feuchtigkeit sowie durch Schädlingsbefall stark geschädigt sind und dringend in Teilen ausgetauscht werden müssen. Gleichzeitig stellten die Fachleute überrascht fest, dass es sich beim verwendeten Holz großteils um Birke handelt – ein Holz, das Stolz wegen der Verformbarkeit als ungeeignet für ein solches Bauobjekt charakterisiert. Das Denkmalamt habe Fichtenholz zum Austausch in den geschädigten Bereichen genehmigt, sagt der Projektleiter. In Bereichen, wo Eiche verwendet wurde und verfault ist, soll auch wieder Eiche zum Einsatz kommen. „Unser Ziel ist aber so viel Substanzerhalt wie möglich.“
Momentan liegt der Dachstuhl der Kapelle „Großer Herrgott“ für die umfangreichen Zimmererarbeiten frei, mit Folien vor der Witterung geschützt. Die alten Dachziegel wurden abgenommen, Balken und Dachlatten des Satteldachs sind offen sichtbar. An vielen Stellen haben die Zimmerleute in aufwendiger Arbeit schon geschädigte Holzabschnitte entfernt und durch neue Stücke ersetzt. Die bröselig gewordene Bockshaut, die im Dachstuhl von oben als Putz die Decke unter den Dachlatten hält, muss noch erneuert werden.
Stahlträger für ein Tonnengewölbe im Dachstuhl
Richtung Westen findet sich im Dachstuhl ein Tonnengewölbe, das mit Stahlträgern abgestützt werden muss. Hier seien mangels quer durchlaufender Balken die Schubkräfte zu groß, erklärt Stolz. Aber auch der Länge des Gebäudes nach sollen beidseitig Stahlträger eingesetzt werden, um die Verformung des Birkenholzes zu stoppen und das Gewölbe oben zu halten. Am Ende der Instandsetzung kommen die alten Schieferplatten wieder aufs Dach.
Im Innenraum ist die Decke zurzeit mittels Weichsprießung abgestützt, einer gepolsterten Sicherung, um ein Herabfallen sich lösender Teile zu verhindern. Nach dem Ende der Arbeiten im Dach steht hier die Untersuchung der Decke vom Gerüst aus an. Wo nötig, erfolgen Reparaturen. Die normalerweise innen stehenden vier barocken Heiligenfiguren wurden entnommen. Wie bei dem vor Ort gebliebenen großen Kruzifix sei bei ihnen aber im Wesentlichen nur eine Reinigung vorgesehen, so der Projektleiter. Gleiches gilt für die alten, mit kunstvollen Schnitzereien versehenen Kirchenbänke, bei denen das allerdings in Eigenleistung der katholischen Kirchengemeinde Eglingen geplant sei. Schließlich würden im Inneren noch die Wände gereinigt und sofern erforderlich gestrichen, gefolgt von einem Außenanstrich und dem Beseitigen von dort vorhandenen Rissen. Für Ende Oktober erwartet der Projektleiter den Abschluss der Sanierung.
Die Finanzierung der Sanierung der Kapelle „Großer Herrgott“
Auf Kosten von insgesamt 390.000 Euro werden die Arbeiten an der Kapelle „Großer Herrgott“ kalkuliert, so Stolz. Aus dem Denkmalförderprogramm des Landes kommen 37.710 Euro. Pfarrer Dr. Dietmar Horst ergänzt, dass die Kirchengemeinde Eglingen als Auftraggeber 19.000 Euro an Spenden und 70.000 Euro aus ihrem Haushalt aufbringen müsse. Letzterer Betrag könne sich noch reduzieren, wenn ein Zuschuss von der Stiftung Denkmalschutz Baden-Württemberg bewilligt wird. Der große Rest aber seien zugesagte Finanzmittel aus kirchlichen Fonds und hier vor allem aus dem Ausgleichsstock.
Die Legende vom „Großen Herrgott“
Ein Ritter von Eglingen soll der Legende zum „Großen Herrgott“ zufolge mit dem Heer Barbarossas ins Heilige Land gezogen sein. Er geriet dort in jahrelange Gefangenschaft, konnte aber schließlich fliehen und erreichte Venedig. In einem Kirchlein sah er das Kruzifix des „Großen Herrgotts“ und erwarb es für seine Heimat auf dem Härtsfeld. Dort hängte er es in seiner Pfarrkirche auf. Nach der Zerstörung im Zuge der Schlacht von Giengen 1462 konnte das Kruzifix ohne Schäden aus dem Schutt gezogen werden. So erbaute man an diesem Platz die Kapelle und die Wallfahrt zum „Großen Herrgott“ begann.
Dass es sich wohl nur um eine Legende handeln kann, ist schon daran zu erkennen, dass Barbarossas Kreuzzug zu Ende des zwölften Jahrhunderts stattfand. Die Christusfigur des „Großen Herrgotts“ gilt jedoch als spätgotisch und ihre Entstehung wird in Publikationen im 15. oder 16. Jahrhundert verortet. Das Kreuz selbst trägt die Jahreszahl 1715.