Tante-Emma-Läden waren früher eine liebenswerte Einrichtung. Mitten im Ort bestand durch sie die schöne Möglichkeit, sich kurzfristig mit wichtigen Dingen oder dem beim Großeinkauf Vergessenen zu versorgen. Doch weitgehend sind diese Geschäfte längst dem modernen Einkaufsverhalten gewichen. In manchen Gemeinden auf dem Land wird das durch die Einrichtung von Dorfläden aufgefangen, andernorts aber gehen die Einwohner in Bezug auf ein schnelles, lokales Angebot der Nahversorgung leer aus. In Dischingen soll sich das ab Samstag, 4. Mai, ändern: Streicht man ein paar Buchstaben, landet man bei „Tante-M“, deren Filiale Am Baumwolf 20 an diesem Tag um 10 Uhr eröffnet wird.
„Tante-M“ ist ein Franchise-Unternehmen, hinter dem die Firma Chrisma GmbH mit Sitz in Pliezhausen (Landkreis Reutlingen) steht. Vorrangig in Kommunen mit 700 bis 4000 Einwohnern sollen Geschäfte mit einem Sortiment für den täglichen Bedarf von teils auch frischen Lebensmitteln bis zu Drogeriebedarf entstehen, die von einem örtlichen Lizenznehmer in Eigenregie geführt werden. Die Idee umfasst einen weitgehend automatisierten Filialbetrieb, der an sieben Tagen die Woche von 5 bis 23 Uhr geöffnet ist und nahezu ohne Personal auskommen soll. Als „Mission“ nennt das Unternehmen die Verbesserung der Lebensqualität von Einwohnern kleiner Ortschaften „durch ein im Zentrum gelegenes Nahversorgungskonzept, wie es früher selbstverständlich war“. Bislang gibt es über 50 „Tante-M“-Läden mit Schwerpunkt im Raum Stuttgart und Schwäbische Alb.
Der erste „Tante-M“ in Ostwürttemberg kommt nach Dischingen
Das Dischinger Geschäft ist der erste „Tante-M“ in Ostwürttemberg. Betreiber und Geschäftsführer sind Aron Wörrle und sein Vater Franz, die in Dischingen auch den Reinigungsservice „Putzteufel“ führen. Für den für die Familie neuen Schritt in Richtung Einzelhandel haben sie die Wörrle Handelsgesellschaft GbR gegründet. Ihr Laden wird nach eigener Einschätzung einer der kleinsten „Tante-M“ sein: Er kommt auf etwa 52 Quadratmeter und ist in einer umgebauten Doppelgarage mit Nutzungsänderung für den Einzelhandel untergebracht.
Der 31-jährige Sohn schildert, wie er auf den Gedanken für ihren Laden kam. Er habe gemerkt, dass im Dorf vieles verloren gegangen und immer weniger vorhanden sei, so auch nur noch eine Gaststätte. Eine Vorstellung sei gewesen, dass es einen Ort geben sollte, wo man schnell noch etwas kriegen kann, wenn man es braucht – zu jeder Tages- und Uhrzeit. Er habe sich für die Möglichkeit eines Angebots ohne Personal interessiert, bei dem trotzdem aber auch die älteren Einwohner im Ortszentrum kaufen können. „Und ich suchte einen Weg, wie auch sonntags etwas verkauft werden kann“, sagt Aron Wörrle.
In Dischingen ein Sortiment von etwa 1000 Artikeln bei „Tante-M“
„Wir sind nicht da, wo man seinen Großeinkauf macht“, erläutert er weiter. Ihr „Tante M“ werde etwas teurer sein als große Supermärkte, aber eben auch sonntags eine Versorgung anbieten, beispielsweise mit Kuchen. Etwa 1000 Artikel werde das Sortiment umfassen. Ein Teil werde von einem Großhändler angeliefert, zu dem das Franchise-Unternehmen Chrisma den Kontakt herstellte. Es gebe aber keine Vorgaben, was er in seinem Laden anbieten muss. So komme ein großer Teil der Waren von regionalen Anbietern vom Härtsfeld und aus dem Kreis Heidenheim.
Die Spannweite der Artikel werde von Backwaren und Metzgereiprodukten über Molkereiwaren und Eingemachtes sowie Obst und Gemüse bis zu Eis, Süßwaren und Getränken reichen. Hinzu kämen ein Kaffeeautomat, Geschenkartikel, Batterien und auch etwas Drogeriebedarf. „Der Laden wird sich nach der Eröffnung weiterentwickeln“, sagt Aron Wörrle. Es gebe bei „Tante-M“ Wunschzettel für die Kunden, denn in jedem Dorf beständen unterschiedliche Interessen beim Warenangebot. „Damit wird jeder einzelne ‚Tante-M‘-Laden zum Dorfladen.“
Weil im Geschäft kein Alkohol verkauft werden darf, soll davor ein Automat mit Altersverifizierung aufgestellt werden, der rund um die Uhr zugänglich ist. Dort können Kunden dann auch das Härtsfelder Bier kaufen.
Wie es bei „Tante-M“ in Dischingen ohne Personal funktionieren soll
Doch wie funktioniert das Ganze ohne Personal? Aron Wörrle erläutert, dass der Zugang mit Zeitregelung morgens automatisch freigegeben und nachts automatisch geschlossen werde. Sollte sich nach Schließung noch jemand im Laden befinden, kann von innen immer geöffnet werden, um hinauszugelangen. Das Bezahlen der Einkäufe erfolgt ebenfalls elektronisch ohne Personal: Die Kunden scannen ihre Waren selbst und können alle aktuellen Zahlmöglichkeiten nutzen, auch Bargeld. „Die Leute müssen genauso ehrlich sein, wie wir mit ihnen umgehen.“
Dass das Ganze ein Familienbetrieb wird, zeigt sich auch daran, dass sich der 31-Jährige zunächst selbst zusammen mit seinen Eltern um den Ablauf kümmern will. Es werde jeden Tag jemand für ein paar Stunden vor Ort sein, um sich mit dem Sortiment und den Waren zu befassen. Außerdem werde man in der Anfangszeit vermehrt anwesend sein, um den Kunden den Umgang mit dem Laden zu vermitteln. Vieles werde abhängig sein davon, welche Kunden kommen. Wörrle: „Es ist ein Projekt, bei dem ich mit Herzblut dabei bin.“
Sonntagsöffnung der „Tante-M“-Läden stößt auch auf Widerstand
Geöffnet ist der Dischinger „Tante-M“ am 4. und 5. Mai von 10 bis 23 Uhr. Ab Montag, 6. Mai, wird der Laden täglich von 5 bis 23 Uhr zugänglich sein.
Die Möglichkeit zum Einkauf auch am Sonntag ist für die „Tante-M“-Läden eine wesentliche Grundlage. Doch nicht alle sind mit der Sonntagsöffnung einverstanden. Mehrere Medien haben voriges Jahr berichtet, dass es Widerstand gegen den Verkauf am Sonntag gibt. Die „Allianz für den freien Sonntag“, die in Baden-Württemberg aus kirchlichen Verbänden und Gewerkschaften besteht, hat 2023 Ministerien aufgefordert, gegen die von ihnen als rechtswidrig eingestuften Sonntagsöffnungen bei „Tante-M“ vorzugehen. Die Allianz bezieht sich dabei auf das Ladenöffnungsgesetz. Bislang sei aber nichts geschehen.