Nur ein Dreivierteljahr hatte die Idee einer etwas anderen Einkaufsmöglichkeit in Dischingen Bestand: Das Nahversorgungskonzept „Tante-M“ mit Betriebszeiten von 5 bis 23 Uhr an allen sieben Wochentagen findet in der Härtsfeldgemeinde zum 31. Januar 2025 sein Ende. Der 31-jährige Aron Wörrle, der das kleine Einzelhandelsgeschäft in der Straße Am Baumwolf zusammen mit seinem Vater Franz führt, zeigt sich enttäuscht über die Entwicklung, die nun die Schließung zur Folge hat.
„Ich habe nie gedacht, dass da großes Geld verdient wird, aber ich hatte mich in die Idee verliebt“, sagt Wörrle. „Ich dachte mir, dass es für die Einwohner etwas Tolles wäre, bedingt dadurch, dass es immer weniger Läden gibt.“ Und zunächst hatte sich das auch den Sonntag einschließende Konzept eines weitgehend personalfreien Verkaufs von Artikeln des täglichen Bedarfs mit selbstständigem Kassieren durch die Kundschaft auch positiv gestaltet, wie der Geschäftsführer noch im vorigen September geschildert hatte. Dafür, dass alles nun anders aussieht, erkennt er im Wesentlichen drei Gründe.
Ein Schließungsgrund: zu geringe Nachfrage der Kunden
Zum einen nennt Wörrle hier die fehlende Nachfrage von Kundenseite. Während der Umfang der Einkäufe in der Zeit nach der Eröffnung im Mai 2024 beständig zugelegt habe, sei die Nachfrage in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen. Und mit dem „Netto“-Markt bestehe ohnehin auch Konkurrenz im Dorf. „Es war für uns finanziell nicht mehr tragbar.“
Hinzu komme das Sortimentsproblem mit Produkten mit ablaufendem Haltbarkeitsdatum. Von den Lieferanten habe man bestimmte Mengen abnehmen müssen, die so aber nicht verkauft werden konnten. Als Beispiel erwähnt er etwa Quark, den seine Familie dann versucht habe, selbst zu verwerten. Da nichts zurückgegeben werden könne, sei der Bestand „unternehmerisches Risiko“. Vielleicht würde sich ja alles noch einspielen, doch „bis dahin zahlt man halt drauf“, so Wörrle.
Ein weiterer Grund für die Schließung des in einer gepachteten Doppelgarage auf 52 Quadratmetern untergebrachten, ersten „Tante-M“-Ladens in Ostwürttemberg sei der „zunehmende Schwund“. So habe die Häufigkeit der Diebstähle seit Beginn des Schuljahrs im September 2024 zugenommen, schildert der 31-Jährige. Mittels der aufgestellten Überwachungskameras habe er vor allem Kinder als Täter feststellen können. 20 bis 25 Fälle habe es über zwei bis drei Monate hinweg gegeben. Jede Woche sei er mehrmals mit der Polizei in Kontakt gestanden und auch mit der benachbarten Schule habe er gesprochen. Wörrle erstattete Anzeigen, doch was daraus geworden ist, wisse er bis heute nicht. Von älteren Kunden sei dagegen mitunter vergessen worden, einen Artikel abzukassieren. Insofern betreffe der „Schwund“ jung wie alt.
Hoher Aufwand durch Nachverfolgung des „zunehmenden Warenschwunds“
Den materiellen Schaden durch die verschwundenen Waren sieht der Geschäftsführer eher im kleineren Rahmen von Beträgen bis etwa zehn Euro je Vorfall. Es sei auch zu Entschuldigungen vom Einen oder Anderen gekommen. Was aber vielmehr zu Buche schlage, sei der verwaltungsmäßige Aufwand, den die Vorkommnisse in Bezug auf Nachverfolgung mit sich bringen. Der Zeitwert bewege sich hier sicherlich in einer Größenordnung von ein paar tausend Euro. Alles ziehe sich lange hin.
Schließlich kämen noch Probleme mit Behörden hinzu, schildert Wörrle: „Übertriebene Anforderungen unseres Landkreises“ hat er es in einer Kundeninformation formuliert. Konkret bezieht er sich hier auf die Gestaltung des Bereichs im Freien vor dem Geschäft. Dort wurde einige Zeit nach der Eröffnung eine Pergola mit Sitzgelegenheiten aufgestellt und es sei ein Treffpunkt entstanden. Und ein Getränkeautomat, in dem unter anderem auch Bier gegen Altersnachweis verkauft wurde, hat hier seinen Standort. All dies sei ihm als „baugenehmigungsfrei“ dargelegt worden, erzählt der Dischinger „Tante-M“-Chef. Doch dann habe das Heidenheimer Landratsamt plötzlich ein Baugenehmigungsverfahren dafür gefordert, so der 31-Jährige, dessen Familie in der Härtsfeldgemeinde auch den Reinigungsservice „Putzteufel“ führt.
Das Heidenheimer Landratsamt bestätigt auf Nachfrage, dass das ursprüngliche Vorhaben einschließlich Verkaufsautomat als verfahrensfrei eingestuft wurde. Nach einer Mitteilung der Gemeinde Dischingen vom September 2024 habe sich aber herausgestellt, dass der Laden entgegen der ursprünglichen Beschreibung nach und nach erweitert worden sei: „Objektiv handelt es sich mittlerweile um einen Selbstbedienungsladen mit Außengastronomie, der Sitzmöglichkeiten zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt bietet“, so die Erläuterung des Landratsamts. Daher seien die „errichteten verfahrensfreien baulichen Anlagen“ nun „als baurechtlich genehmigungsbedürftiges Gesamtvorhaben zu sehen“. Der Aufforderung, einen Bauantrag einzureichen, sei der Betreiber nicht nachgekommen.
Probleme mit dem Landratsamt wegen Alkoholverkauf im Getränkeautomaten
Darüber hinaus, so die Behörde weiter, sei die Geschäftsführung des „Tante-M“ darauf hingewiesen worden, dass Alkohol „in Getränkeautomaten, die einen Verzehr vor Ort und Stelle zulassen“, nur mit gaststättenrechtlicher Erlaubnis verkauft werden dürfe. Nach dem Jugendschutzgesetz müssten Automaten mit alkoholischen Getränken außerdem in gewerblich genutzten Räumen aufgestellt und durch technische Vorrichtungen vor Alkoholkauf durch Kinder und Jugendliche gesichert werden. Eine Kontrolle des Alters wie am Dischinger Automat reiche hier nicht aus. Nachdem der Alkoholverkauf ohne Konzession auch im November 2024 noch im Außenbereich erfolgt sei, habe der Fachbereich Sicherheit und Ordnung des Landratsamts den Verkauf verboten.
Er habe jedoch eine Konzession für den Verkauf alkoholischer Getränke beantragt, schildert Aron Wörrle. Laut Landratsamt ist für deren Genehmigung aber eine „Einhausung“ des Getränkeautomaten erforderlich: „Dies wurde vom Betreiber allerdings kategorisch abgelehnt.“ Daher habe bislang keine gaststättenrechtliche Erlaubnis erteilt werden können. Und zunächst müsste ein Bauantrag „zur Beurteilung der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit“ eingereicht werden.
Für den „Tate-M“-Chef bedeutete das Verkaufsverbot, dass er den Automaten abschalten bzw. die alkoholischen Getränke daraus entfernen muss. Dem Landratsamt habe er mitgeteilt, dass er sein Geschäft dann wahrscheinlich wieder schließen müsse. Den Alkohol nahm er aus dem Automatenangebot heraus.
Deutlicher Umsatzeinbruch
„Der Verkauf aus dem Automaten machte 25 Prozent des Umsatzes aus“, berichtet der Geschäftsführer. „Dann habe ich eben keinen Umsatz mehr gemacht.“ Es hätten hier somit ein paar tausend Euro gefehlt. Und auch im Laden sei in der Folge weniger verkauft worden. „Man will dem Dorf eigentlich etwas geben, aber dann werden einem nur Steine in den Weg gelegt“, sagt Wörrle frustriert. In der Familie sei daher letztlich entschieden worden, den Dischinger „Tante-M“ zu Ende Januar 2025 zu schließen.
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