Risse in Wänden und Decke

Barocke Nothelferkapelle in Dischingen leidet unter schweren Schäden

Die katholische Nothelferkapelle in Dischingen muss aufgrund erheblicher Schäden dringend restauriert werden. Untersuchungen und Vorarbeiten dafür sind bereits erfolgt. Der Dekan und Pfarrer Dr. Dietmar Horst hofft, dass es in den nächsten zwei Jahren so weit ist.

Sanierungsbedarf – ein Begriff, der viele der Kirchen und Kapellen im Raum Dischingen verbindet. Bei einigen der denkmalgeschützten Bauten wie den Kapellen „Großer Herrgott“ bei Eglingen oder St. Johannes Nepomuk in Iggenhausen wurde in jüngerer Zeit schon umfangreich an der Restaurierung gearbeitet, weitere stehen für die Zukunft auf der Agenda der katholischen Kirchengemeinden auf dem Härtsfeld. In den Fokus rückt hier jetzt auch zunehmend die 1666 erbaute und 1758 teilweise umgestaltete Nothelferkapelle, die sich in Dischingen etwas erhöht an der Straße nach Ballmertshofen befindet. Äußerlich eher unscheinbar, ist das Bauwerk aufgrund seiner Ausstattung doch von größerem historischem Interesse. Und es benötigt schon seit Jahren dringend eine Instandsetzung. Ab 2025/2026 könnte es nun dazu kommen.

Die barocke Nothelferkapelle in Dischingen steht am Ortsausgang Richtung Ballmertshofen. Viele Schäden machen eine baldige Restaurierung nötig. Foto: Rudi Penk

Sehr augenfällig sind heute die vielen Beschädigungen und schadhaften Stellen am Äußeren und im Inneren der auf die Verehrung Marias und der heiligen 14 Nothelfer ausgerichteten Dischinger Wallfahrtskapelle. 1973 bis 1975 hatte es bereits eine umfangreiche Restaurierung wegen Rissen in den Wänden und herabgefallenem Putz gegeben. Im Dach wurden damals zur Stabilisierung Stahlträger eingezogen. Und auch 1992 fanden Instandsetzungsarbeiten statt. Doch schon der Vorgänger von Pfarrer Horst, Pfarrer Thomas Augustin, stellte 2006 anlässlich 300 Jahre Weihe der Kapelle fest, dass aufgrund von Schäden eine erneute Sanierung notwendig wäre, jedoch bei der Diözese das Geld dafür fehle.

Viele Risse haben sich in Wänden und Decke gebildet

In jüngerer Zeit ist es wieder vermehrt zur Bildung von Rissen innen und außen gekommen, im Sommer 2022 sind erneut Putz- und Stuckteile von Decke und Wänden in den Kirchenraum herabgefallen, Holzschädlinge haben Ausstattungsstücke befallen. Pfarrer Horst nahm Kontakt zum Langenauer Architekturbüro Weber auf, das sich auch um die anderen sanierungsbedürftigen Kirchen im Raum Dischingen kümmert. Unter Leitung von Projektleiter Werner Stolz erfolgten Voruntersuchungen. Und mittlerweile besteht die Hoffnung, dass das Baudenkmal in den nächsten Jahren restauriert werden kann.

Bei den Voruntersuchungen 2022/2023 stellte das beauftragte Architekturbüro deutliche Schäden an Putz und Stuck fest. Foto: Jeannie Moses

Zwei Hauptbereiche hat Stolz für eine Sanierung der Nothelferkapelle ausgemacht. „Im Dach sind größere Schäden, die sich auf die gesamte Decke auswirken“, schildert er. Bei der Restaurierung in den siebziger Jahren sei nicht alles optimal ausgeführt worden. Die Auflagepunkte der Balken im Dach seien durch Feuchtigkeit, Schädlinge und zu geringen Luftaustausch angegriffen, Teile der Balken müssten ersetzt werden. Die Spannweite der Deckenbalken sei zu groß und so biege sich die gesamte Decke nach unten: „Sie hängt in der Mitte bestimmt zehn Zentimeter durch. Der Stuck reißt und stürzt herab.“ Im Chorbogen, der nur einen sehr flachen Verlauf habe und daher über keine starke tragende Funktion verfüge, gebe es „erhebliche Risse“. Weitere finden sich an vielen Stellen der Decke und der Wände.

Eine historische Ansicht auf der Empore der Nothelferkapelle

Seit seinen 2022 und 2023 vorgenommenen Untersuchungen seien nur wenige, kleine Stücke auf den Kirchenboden hinabgefallen. „Wir haben hier eine sehr hochwertige Decke mit Malereien und Stuckverzierungen. Das wäre schon fatal, wenn da etwas runterfällt“, so Stolz. Diese Aussage lässt sich besonders auch auf eines der historisch bedeutendsten Ausstattungsstücke der kleinen Kapelle beziehen: ein an der Decke über der Empore befindliches Fresko von 1758, das als einzige heute existierende Ansicht einen Blick auf Alt-Dischingen zur Mitte des 18. Jahrhunderts ermöglicht. Zu sehen sind unter anderem links die frühere Dischinger Pfarrkirche und das Rathaus des Dorfs sowie rechts Schloss Taxis, damals noch Schloss Trugenhofen. Und im Vordergrund die Nothelferkapelle mit ihrem kleinen Glockentürmchen. Über dieser Ortsansicht schweben die Figuren von Johannes dem Täufer mit dem Lamm, Papst Alexander VII., der die vom einstigen Bauherrn angestrebte Dischinger Nothelfer-Wallfahrt 1667 bestätigt hatte, sowie eine weitere gekrönte Gestalt. Dehios Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler zufolge ist dieses Fresko mit „I.G.K.“ signiert.

Der andere wesentliche Sanierungsbereich, der dem Projektleiter zufolge zuerst angegangen werden muss, befindet sich genau entgegengesetzt zum Dach: bei den Fundamenten der Kapelle im Erdboden. In den Siebzigern seien die Fundamente freigelegt und mit Beton unterfangen worden, um gegen die nach oben führenden Risse in den Wänden vorzugehen, so Stolz. Die Probleme seien aber geblieben: „Die Risse sieht man auch heute wieder an der rechten Langseite, außen und innen.“ Ein Grund dafür sei der sehr weiche, tonige Boden. Die neben dem Gebäude stehenden Bäume würden in trockenen Jahren die Feuchtigkeit aus dem Erdboden ziehen und so das Volumen verringern. Dies führe zu Bewegung in den Mauern.

Pfähle sollen unter die Fundamente gerammt werden

Mit einem modernen Verfahren soll hier nun für Stabilität gesorgt werden: Auf Vorschlag eines Geologen hin sollen 20 bis 24 spezielle Pfähle unter die Fundamente gerammt werden, bis hinab auf einen tragfähigen Untergrund. Oben werden die Pfähle an das Fundament betoniert. Erst danach werde die Kapelle für die weiteren Arbeiten innen und außen eingerüstet, im Inneren mit einer Weichsprießung zur Sicherung der Decke.

Gegen die unter anderem von Holzwürmern verursachten Schäden an der sehr bunten hölzernen Ausstattung – selbst die wie Marmor aussehenden Altäre sind in Wirklichkeit aus Holz – wurde im November 2024 schon etwas unternommen: Mit Genehmigung der Diözese erfolgte eine mehrtägige Begasung des abgedichteten Innenraums, um die Schädlinge zu beseitigen.

34.000 Euro haben die verschiedenen Voruntersuchungen an der Kapelle gekostet, schildert Projektleiter Stolz. Bis Mai 2025 soll nun die Restaurierung bei der Diözese beantragt werden, eine Entscheidung sei für Ende nächsten Jahres zu erwarten. „Dann könnte es Anfang 2026 mit weiteren Planungen, den Ausschreibungen und der Ausführung losgehen.“ Derzeit rechnet er mit Sanierungskosten von 900.000 Euro. „Ich habe gleich gesagt, dass das eine Million Euro wird“, sagt Pfarrer Horst. Neben dem Kostenanteil von Diözese und Kirchengemeinde will er auch einen Zuschussantrag beim Denkmalamt stellen. Denkbar sei für ihn im Zusammenhang mit der Sanierung ebenfalls, Erneuerungen an der Elektrik und den Lampen vorzunehmen: „Das werde ich mal anregen.“

Die Legende von den 14 Nothelfern

Was die einstige Entstehungsgeschichte der barocken Kapelle angeht, so ist überliefert, dass Graf Johann Willibald Schenk von Castell, der einstige Besitzer der Herrschaft Dischingen, sie 1666 erbauen ließ, um hier eine Nothelferwallfahrt zu begründen, wie in Vierzehnheiligen, nahe dem bayrischen Bad Staffelstein. Jene Wallfahrt in Franken geht auf eine Legende von vier Erscheinungen Mitte des 15. Jahrhunderts zurück, bei der ein Schäfer die 14 Heiligen als Kinder gesehen haben soll, die den Bau einer Kapelle an diesem Ort erbaten. Vier Bildtafeln aus dem Jahr 1726 unter der Empore illustrieren diese Legende in der Dischinger Nothelferkapelle.

Sehr farbenprächtig zeigt sich das Innere der 1758 von Joseph Dossenberger umgestalteten Nothelferkapelle. Foto: Rudi Penk

Das Kirchlein war damals noch ein sehr einfacher Baukörper, ohne Sakristei oder Chor. Die drei Altäre im Inneren kamen bis spätestens 1706 hinzu, dem Jahr, in dem der Augsburger Weihbischof Eustach Rudolf von Westernach die Kapelle am 16. Mai weihte. Erhebliche Veränderungen am Bau gab es dann 1758: Damals beauftragte Fürst Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis den Baumeister Joseph Dossenberger, den späteren Architekten der Dischinger Pfarrkirche St. Johannes Baptist, mit der Umgestaltung der Nothelferkapelle durch den Anbau eines Chors, Stuckierungen und Wandgliederungen im Inneren im Rokokostil. Der Innenraum ist als dreiachsiger Saal mit Westempore angelegt.

Zur Ausgestaltung kamen damals die Darstellungen der 14 Nothelfer auf dem Hochaltarbild sowie in 14 Medaillons mit biblischen Sinnbildern für sie hinzu – für das Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler in Verbindung mit der Marienverehrung eine „ikonographisch interessante Ausstattung“. Eine qualitätvolle, barocke Pieta, die heute auf dem linken Seitenaltar steht, gehört ins Jahr 1757. Einige Deckenmalereien stammen aus dem Jahr 1892 von Hermann Siebenrock: im Chor ein Gnadenstuhl und im Langhaus eine weitere Darstellung der 14 Nothelfer. Schöne Schnitzereien zieren das Kirchengestühl in dem insgesamt sehr farbenprächtig wirkenden Bauwerk.

Wie die Kapelle genutzt wird

Für etwa ein Jahr bliebe die unter anderem für Taufen, Trauungen, Andachten und kleine Konzerte genutzte Nothelferkapelle wegen der Instandsetzung geschlossen. Bis dahin kann die Kapelle von März bis Oktober tagsüber besichtigt werden – zumindest bis zum Gitter unter der Empore. Das benachbart wohnende Betreuer-Ehepaar Mathilde und Gerhard Schweinstetter öffnet auf Wunsch aber auch das Gitter für einen intensiveren Besuch und führt durch die Nothelferkapelle. Eine Wallfahrt hierher gibt es heute noch von der Dunstelkinger Antoniusbruderschaft am ersten Julisamstag jeden Jahres. Und schon jetzt werden Spenden für die Restaurierung gesammelt.

Wer die 14 Nothelfer sind

Die 14 Nothelfer sind folgende Heiligen: Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christophorus, Cyriacus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margareta, Pantaleon und Veit.

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