Wie "Rock am Härtsfeldsee" erwachsen wurde und zu dem, was es heute ist
Seit einigen Tagen ist die 25. Auflage des „Rock am Härtsfeldsee“ am letzten Juniwochenende ausverkauft. Zuletzt hatte es noch eine Handvoll Tagestickets für den Freitag gegeben. Damit ist den Veranstaltern, dem Verein „Jugend Dischingen“, gelungen, woran auch ungleich größere Festivals derzeit zu knabbern haben. Nur ein Beispiel: Die Macher des fast zeitgleich ins Leben gerufenen „Bang your Head!“-Festivals in Balingen haben dieser Tage wegen davon galoppierender Kosten die Reißleine gezogen und ihr Festival beerdigt.
Ein Spaziergang ist es auch für die Dischinger nicht. Die Kosten für Zelt, Technik, Versorgung oder Sicherheit seien gestiegen, die Gagenvorstellungen mancher Bands „teilweise wahnsinnig“, sagt Ralf Eberhardt, der im Festivalteam unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Auch „Rock am Härtsfeldsee“ musste seine Preise 2022 erhöhen, aber die Fans wie die Sponsoren aus der Region zogen offenbar mit. Die Getränkepreise sollen möglichst stabil bleiben, so Eberhardt.
Mit Verspätung: „Jugend Dischingen“ feierte das 25-Jährige mit 250 Gästen
Anfang Mai feierten die Aktiven mit rund 250 geladenen Gästen in Trugenhofen ihr 25. Jubiläum, dank Corona mit zwei Jahren Verspätung, denn eigentlich war die „Jugend Dischingen“ bereits zum 30. Dezember 1995 gegründet worden, die Feier musste jedoch verschoben werden.
Rund 45 Mitglieder hat der Verein, und auch wenn viele der Gründungsmitglieder dem jugendlichen Alter schon ein gutes Stück entwachsen sind, spricht der geschätzte Altersdurchschnitt von 35 Jahren dafür, dass es ausreichend viele interessierte Nachrücker gibt. Mehr noch: „Wir haben mittlerweile mehr als 50 Kinder“, erzählt Eberhardt und lacht. Zumindest personell sollte die Zukunft des Festivals damit gesichert sein.
25 Jahre sind natürlich auch eine Gelegenheit zurückzublicken. In den Anfangsjahren war „Rock am Härtsfeldsee“ noch eine Veranstaltung, wie es sie in den 1990er-Jahren vielerorts gab: Ein Zelt, mehrere Tage nacheinander regional beliebte Coverbands, eine lange Theke und günstige Getränke.
„In Extremo“ sorgte in Dischingen für einen der ersten Höhepunkte
Das Festival am See nahm aber bald den nächsten Schritt. Spätestens mit Beginn der 2000er-Jahre tauchten auf den Plakaten die Namen überregional bekannter Bands auf. 2003 zum Beispiel war mit den Mittelalter-Rockern von „In Extremo“ ein erster Höhepunkt erreicht. 2006 reiste Schock-Rock-Altmeister Alice Cooper aufs Härtsfeld.
Im Jahr darauf hätte es eine weitere Legende beinahe nicht nach Dischingen geschafft: Lemmy Kilmister sollte mit „Motörhead“ zum Finale am Samstagabend das Zelt erbeben lassen, aber noch um die Mittagszeit stand die Band samt Instrumenten und Gepäck neben einem kaputten Flieger auf einem bulgarischen Flughafen. Es dauerte bis zum Nachmittag, bis eine neue Maschine organisiert war. Am frühen Abend landete das Trio in Augsburg. Ralf Eberhardt war damals als Fahrer dabei, Gitarrist Phil Campbell und Schlagzeuger Mickey Dee fuhren bei ihm mit, Frontmann Lemmy nahm im BMW eines Mitstreiters Platz. Der Abend war gerettet, auch wenn „Motörhead“ eine Stunde später als geplant auftrat.
Die ganz großen Namen der Metal-Szene sind heutzutage unbezahlbar
Jene Jahre seien der „Durchbruch“ für das Festival gewesen, sagt Eberhardt im Rückblick. Ein ausverkauftes Zelt wurde zur Regel. Große Namen wie „Kreator“, „Powerwolf“ oder „Sabaton“ seien aus Kostengründen zwar nicht mehr drin, aber sie alle waren schon am See. „Es macht viel Spaß zu sehen, wie unser Baby gewachsen ist“, sagt der Dischinger. Man sei ein eingespieltes Team, auch wenn man sich das Jahr über teils kaum sehe. Spätestens zum Zeltaufbau sind alle wieder am Start.
Selbst dem mutmaßlichen Tiefpunkt der Historie können die Veranstalter etwas Positives abgewinnen: 2012 rasten Sturmböen über das Festivalgelände, verwüsteten den Campingplatz und verletzten mehrere Besucher. Allerdings blieb es bei relativ harmlosen Blessuren, außerdem nutzte die „Jugend Dischingen“ den Schreckmoment, um ein Sicherheitskonzept zu erarbeiten, das zu dieser Zeit praktisch einzigartig war. „Heute weiß jeder, was im Notfall zu tun ist“, sagt Eberhardt.
Die Gemeinde Dischingen steht hinter der Veranstaltung
Nicht minder positiv sei, wie sehr die Gemeinde hinter dem Festival steht. Die Verwaltung unterstütze die Macher, in vielen Geschäften trage man die schwarz-bunten Festivalshirts und freue sich über die längst internationalen Besucher.
Die Höhepunkte in diesem Jahr sind die Bands „Eisbrecher“ und „Hammerfall“, die Tradition regionaler Bands wird mit „Enslave the Chain“, „Undertow“ und „Brainstorm“ fortgesetzt. Auch für 2024 haben die Veranstalter bereits erste Bands gebucht, Namen sollen aber erst gegen Ende des Jahres genannt werden.
Mittlerweile hat sich auf dem Härtsfeld noch ein weiteres Festival etabliert: Am kommenden Freitag, 19. Mai, geht auf dem Gelände der Familienbrauerei Hald wieder das „Heavydays“ mit elf Bands über die beiden Bühnen. Mit dabei sind unter anderem „Born from Pain“, „Dreamshade“ und „Undertow“. Infos unter heavydays.de.