Gründung einer Genossenschaft

Fragen und Antworten: Wie würde es mit einer Gastronomie im Gerstetter Bahnhotel klappen?

Das Bahnhotel, geführt von einer Genossenschaft. 120 Gerstetter waren an Infos zu dieser Möglichkeit zum Betrieb der Gaststätte interessiert. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem Projekt.

Fragen und Antworten: Wie würde es mit einer Gastronomie im Gerstetter Bahnhotel klappen?

„Wir treffen uns heute im Biergarten und essen einen Wurstsalat.“ Ein schönes Bild, das Pfarrer Jürgen Bobzin den gut 120 Gerstettern da am Donnerstagabend im Bahnhotel in die Köpfe zauberte. Am Vorbild des Gasthauses Schwanen in Nehren bei Tübingen dröselten Bobzin und Franz Nerad, früher Gemeinderat und Vorsitzender des Partnerschaftskomitees, die Möglichkeiten einer genossenschaftlich geführten Gastronomie im aktuell leerstehenden Bahnhotel auf. Dazu Fragen und Antworten.

Wie würde der Betrieb des Bahnhotels mit einer Gastro-Genossenschaft ablaufen?

Die Genossenschaft würde das Bahnhotel von der Gemeinde Gerstetten pachten. Dass die Gemeinde hier mitgeht, haben Nerad und Bobzin bereits abgeklärt. Bürgermeister Roland Polaschek selbst machte dies bei der Versammlung im Bahnhotel deutlich. Im Raum steht möglicherweise ein umsatzabhängiger Pachtvertrag. Dazu Bobzin: „Die Gemeinde hat ja auch etwas davon, wenn das Haus nicht leersteht.“ Für den Betrieb des Restaurants würde die Genossenschaft Personal einstellen, darunter Koch, Servicepersonal und Geschäftsführer.

„Das müssen Leute machen, die das gelernt haben, Leute mit Ahnung von Gastronomie“, machte Bobzin deutlich. Die Suche nach Mitarbeitern werde sicherlich eine Herausforderung. Da das wirtschaftliche Risiko bei einer Anstellung im Vergleich zu einer selbstständigen Tätigkeit in der Gastronomie aber begrenzt sei, erhoffe man sich gute Chancen. Im Hintergrund würde der dreiköpfige ehrenamtliche Vorstand der Genossenschaft mit dem Personal zusammenarbeiten. Kontrolliert würde der Vorstand von einem Aufsichtsrat. Die weiteren Mitglieder der Genossenschaft hätten ebenfalls Stimmrecht.

Rund 120 Gerstetter interessierten sich für die Idee einer Gastro-Genossenschaft. Markus Brandhuber

Wie gründet man eine Gastro-Genossenschaft?

Hier wollen sich die Initiatoren Nerad und Bobzin an der Vorgehensweise der Nehrener orientieren. Erster Schritt, so Pfarrer Bobzin, wäre die Gründung eines Fördervereins, der dann im Bahnhotel regelmäßig kulturelle Veranstaltungen organisiert. Der Erlös dieser Veranstaltungen würde für den Erhalt des Bahnhotels eingesetzt. Ebenfalls für eine Vereinsgründung sprächen steuerliche Gründe. Im zweiten Schritt würde die Genossenschaft gegründet. Mit deren Kapital im Rücken könnte dann das Restaurant gepachtet und betrieben sowie Personal eingestellt werden. Das Kapital würde aus dem Verkauf der Genossenschaftsanteile stammen. „Das alles funktioniert aber nur, wenn sich im Verein genügend Bürger aktiv einbringen“, so Bobzin.

Ist man in Nehren mit diesem Konzept erfolgreich?

Beim „Schwanen“ in Nehren handelt es sich um ein sehr altes Haus. Zu Beginn der Überlegungen, wie dem Gasthaus wieder neues Leben eingehaucht werden könnte, war das Gebäude heruntergekommen. Mit Hilfe der Kommune, der das Gasthaus gehört, und Fördergeldern wurde der „Schwanen“ saniert. Heute halten 183 Nehrener Anteile an der Genossenschaft. Ein Anteil kostet dort 500 Euro, verkauft wurden 330 Anteile. Das Eigenkapital der Genossenschaft beträgt demnach 165.000 Euro. Schwarze Zahlen schreibt das Gasthaus erst seit rund zwei Jahren. Zuvor war der Betrieb auch wegen der Corona-Pandemie schwierig.

Kennen das Vorbild-Gasthaus in Nehren beide auch privat: Pfarrer Jürgen Bobzin (links) und Franz Nerad. Markus Brandhuber

Wie ist die Idee für eine Gastro-Genossenschaft in Gerstetten entstanden?

Als die Ära der langjährigen Bahnhotel-Besitzer in den 90er-Jahren zu Ende ging, berichtete Franz Nerad, habe auch er sich dafür stark gemacht, dass die Gemeinde Gerstetten das Haus kauft. Heute plage ihn deswegen bisweilen ein schlechtes Gewissen gegenüber den Bürgern. Denn wie man weiß, haben sich in den vergangenen Jahren einige Pächter im Bahnhotel versucht, von langer Dauer war aber keines der Engagements. „Das Bahnhotel ist ja ein Stück weit die Seele unserer Kommune“, erklärte Nerad seinen Antrieb.

Und die Idee, das Bahnhotel mit Hilfe einer Genossenschaft wiederzubeleben? Die kam Nerad, weil dessen Tochter zufällig in Nehren wohnt und den Vorsitzenden der dortigen Gastro-Genossenschaft kennt. Auch Pfarrer Jürgen Bobzin war das Konzept der Nehrener bekannt. Denn: Wie es der Zufall will, kommt er ursprünglich ganz aus der Nähe von Nehren und kennt das dortige Gasthaus Schwanen.

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

Fest geplant ist ein Treffen am 23. Januar, bei dem sich interessierte Bürger mit den Vorbereitungen zur Gründung des Vereins beschäftigen. Weiter geht es am 9. Februar mit einer ersten kulturellen Veranstaltung der Gastro-Initiative. Geplant ist ein schwäbischer Abend im Bahnhotel. Spenden, die an diesem Abend eingenommen werden, sollen dem zu gründenden Verein zugute kommen.

Alle weiteren Termine stehen noch in den Sternen. Gut vorstellen könne man sich die Vereinsgründung aber im März, so Pfarrer Bobzin. Außerdem den tageweisen Betrieb des Biergartens von April bis Juli. Die Bewirtung würden in dieser Zeit die Vereinsmitglieder übernehmen. Zwischen April und Juli könnte es zudem um die Erstellung des Genossenschaftsvertrags gehen. Weiterer Punkt wäre die Suche nach Personal. Die Eröffnung des Bahnhotels mit regelmäßigem Betrieb schwebt Nerad und Bobzin im Herbst kommenden Jahres vor.

Wie sind die Erfolgsaussichten der Idee?

„Ich verspreche nicht, dass es die Genossenschaft geben wird.“ Das machte Pfarrer Bobzin am Donnerstagabend deutlich. Er persönlich sehe die Idee als riesige Chance für den Ort. Ob etwas daraus wird, hänge aber davon ab, ob die Bürger selbst die Verantwortung fürs Bahnhotel übernehmen wollten. „Die Idee lebt vom Mitmachen.“ Wie in der Vergangenheit einfach zu sagen, der Wirt sei schlecht, sei dann keine Möglichkeit mehr. „Aus diesem Muster müssen wir raus“, verdeutlichte Bobzin. „Der Wirt sind dann wir!“

Klar sei aber auch, dass sich das Vorhaben finanziell rechnen müsse. Nur das Eigenkapital der Genossenschaft zu verbrennen, sei keine Option. Die Illusion, dass auf dem Weg zur Gastro-Genossenschaft und danach keine Probleme auftreten, dürfe man sich ebenfalls nicht machen. So hätten die Nehrener etwa erst lernen müssen, dass sich in ihrer Ortschaft ein Mittagstisch nicht lohne. Eine Unsicherheit aber konnten Nerad und Bobzin nehmen: Sollte es finanziell nicht gut laufen, seien die Mitglieder der Genossenschaft nicht dazu verpflichtet, Geld nachzuschießen.

Was geschieht mit den anderen Nutzern des Bahnhotels?

Hier wird es laut Bobzin und Nerad keine Änderungen geben. So soll beispielsweise die Volkshochschule weiterhin das Bahnhotel nutzen können.

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