Leserbrief

Der Erfinder des Tötens mit Phenolspritzen soll seinen Doktortitel nicht behalten dürfen

Leserbrief zum nicht aberkannten Doktortitel des KZ-Arzts Franz von Bodmann.

Im Artikel „KZ-Arzt behält Doktortitel“ in der gedruckten Ausgabe vom 16. November wird davon berichtet, dass der KZ-Arzt Franz von Bodmann seinen von der Tübinger Universität 1935 erteilten Doktorgrad nicht aberkannt bekommt, obwohl er in der Nazizeit viele Gräueltaten begangen und als „Erfinder des Tötens mit Phenolspritzen“ gilt.

Dieses Ergebnis ist skandalös, da in den letzten Jahren viele Doktorgrade, vor allem von Politikern z. B. wegen unrichtiger Verwendung von Zitaten der Doktortitel aberkannt wurde.

Ich erinnere an die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin, spätere Bundesministerin für Bildung und Forschung und Botschafterin im Vatikan, Annette Schavan. Ihr wurde der Doktorgrad im Jahr 2013 wegen Textstellen ohne Quellenangaben entzogen.

Bei einer Promotion handelt es sich um einen Verwaltungsakt. In der Bundesrepublik Deutschland können nach deutschem Verwaltungsrecht Verwaltungsakte zurückgenommen werden.

Eine Aberkennung des Doktorgrades kann auch erfolgen, wenn sich eine Person als unwürdig für die Führung eines Doktorgrades erweist.

Folgerichtig wurde dem KZ-Arzt Josef Mengele 1964 der Doktorgrad von der Universität Frankfurt entzogen.

Diese Möglichkeit müsste meiner Meinung nach auch für Franz von Bodmann gelten.

Promotionen in der Nazizeit sollten generell hinterfragt werden.

Dies gilt z. B. auch für die Mitarbeiter des NS-Reichsgesundheitsministerium und Rassenforscherin Eva Justin. Eva Justin hat in der vormaligen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin eine Dissertation eingereicht mit dem Titel „Lebensschicksale artfremd erzogener Zigeunerkinder und ihrer Nachkommen“. Für diese Arbeit wurde Frau Justin 1943 der Doktorgrad verliehen. Die Arbeit kann man im Internet einsehen. Im Mittelpunkt dieser Dissertation stehen die Untersuchungen von 40 Sinti und Roma Kindern aus dem katholischen Kinderheim St. Josefspflege in Mulfingen (Baden-Württemberg). Nach Abschluss der Promotion wurden 39 dieser Sinti-Kinder am 9. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert. Im August 1944 wurden diese Kinder bis auf vier im KZ Auschwitz-Birkenau in der Gaskammer getötet.

In Folge der vorgelegten Dissertation wurden noch viele Sinti und Roma Frauen zwangssterilisiert und Viele in Konzentrationslager deportiert und umgebracht.

Die damalige Friedrich-Wilhelms-Universität wurde nach 1949 in die Humboldt-Universität Berlin umbenannt. Bis zum heutigen Tag wurde diese Promotion von der Universität nicht aberkannt.

Mit Hilfe des damaligen Doktorgrades konnte Justin (verstorben 1966) nach 1945 noch Karriere in der jungen Bundesrepublik machen. 1948 wurde Justin, obwohl sie keine psychologischen Kenntnisse hatte, als Kriminalpsychologin in Frankfurt am Main angestellt. Später konnte sie auch noch als „Feldforscherin“ in einem „Wohnwagenlager“ in Frankfurt tätig werden. Ein Ermittlungsverfahren gegen Justin wurde 1960 eingestellt.

Dieser bisher noch nicht vollständig aufgearbeitete Fall zeigt, dass mit einer Aberkennung der Promotion von ehemaligen Nazis von allen Universitäten in Deutschland ein Bekenntnis und Zeichen gesetzt werden könnte, ja müsste.

Dieses Zeichen sollte im Fall Bodmann auch von der Tübinger Universität kommen!

Werner Eitle, Dettingen

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