Wofür Gerstetten 2024 Geld ausgeben will und welche Vorhaben warten müssen
Die Inflation, der terroristische Angriff in Israel, der anhaltende Ukraine-Krieg. "Leider steht es um die Rahmenbedingungen zur Beratung unseres Haushalts nochmals schlechter als vor einem Jahr" – man kann wohl sagen: Gerstettens Bürgermeister Roland Polaschek zeichnete bei der Einbringung des Haushaltsplans für das kommende Jahr kein allzu rosiges Bild von der allgemeinen Weltlage. Auch von Gerstetten aus könne man weder die Bundesrepublik noch die Welt retten. „Aber wir investieren allen Widrigkeiten zum Trotz in die Infrastruktur, in Straßen, in Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Glasfaserausbau.“ Auch 2024 wieder. Geplant ist das zweithöchste Investitionsvolumen in der Geschichte der Gemeinde: 14,4 Millionen Euro.
Wofür soll 2024 Geld ausgegeben werden?
Noch einmal zu Buche schlägt der Neubau der Gussenstadter Turn- und Festhalle. Eingeplant sind dafür weitere 3,5 Millionen Euro. Allerdings kann die Gemeinde mit Zuschüssen in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro rechnen. Eine Million Euro plant die Gemeinde für die bessere verkehrliche Anbindung des Heuchlinger Industriegebiets Äußere Wiesen ein, sprich für die Erweiterungsfläche der Firma Gardena. Für den ersten Abschnitt der Sanierung der Gerstetter Gartenstraße rechnet man mit Ausgaben von 585.000 Euro, erwartet werden Zuschüsse in Höhe von 300.000 Euro.
In die Sanierung der Hausener Straße in Dettingen sollen 400.000 Euro investiert werden, bei einer Fördersumme von 220.000 Euro. Die Anschaffung eines neuen Schleppers für den Gerstetter Forstbetrieb kann bis zu 350.000 Euro teuer werden. Darüber hinaus sind für die Dachsanierung sowie Vergrößerung der Aussegnungshalle am Heldenfinger Friedhof 300.000 Euro veranschlagt. Für die Sanierung des kirchlichen Kindergartens an der Werderstraße sind rund 155.000 Euro eingeplant.
In den Ausbau des Breitbandnetzes bzw. die Anbindung unterversorgter Gebiete sollen fünf Millionen Euro fließen. Da hier 90 Prozent durch Zuschüsse vom Bund gedeckt sind, muss die Gemeinde selbst „lediglich“ 500.000 Euro übernehmen. Insgesamt muss bei dem Thema laut Polaschek aus Gründen des Personalmangels aber mit Verzögerungen gerechnet werden. Mit 700.000 Euro schlägt 2024 die beschlossene Rekommunalisierung des Stromnetzes zu Buche.
Was muss warten?
Der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in direkter Nachbarschaft zu Polizei und DRK muss laut Bürgermeister Polaschek einmal mehr verschoben werden. Zwar sei das Baugesuch fertig geplant, der Bebauungsplan rechtskräftig und das Grundstück von der Gemeinde gekauft. Die Entwicklung der Finanzlage und die schlechte Förderkulisse im Feuerwehrwesen lassen den Baubeginn im kommenden Jahr aber nicht zu. Ebenfalls dagegen spreche, dass die Gemeinde keinen Antrag auf Ausgleichstockmittel stellen kann, da pro Gemeinde und Jahr nur ein Projekt gefördert werden kann. Gerstetten muss 2024 den Fokus erneut auf den Neubau der Turn- und Festhalle in Gussenstadt legen. Der Antrag sei dieses Jahr wegen nicht veröffentlichter Förderrichtlinien erneut zurückgestellt worden, so Polaschek. Jetzt müsse man mit der Halle ein drittes Mal ins Rennen gehen. „Ich bin nun bald 48 Jahre im öffentlichen Dienst. Aber so einen handwerklichen Murks habe ich selten erlebt.“
Was wurde 2023 geschafft?
Das Gerstetter Gewerbegebiet Tiefe Gasse wurde fertig erschlossen und teilweise bereits bebaut. So ist dort nun zum Beispiel ein neues Postverteilzentrum entstanden. Für die freien Flächen haben laut Polaschek bereits weitere Unternehmen Interesse bekundet. Als Erfolg verbucht die Gemeinde außerdem den Beginn der Erschließungsarbeiten im Dettinger Baugebiet Nördlich des Kammerwegs – nach langer Vorbereitungszeit und zahlreichen Gutachten. Bereits fertig geworden ist man mit der Erschließung des Gebiets Vordere Gasse in Heldenfingen. Nachdem anfangs keine Firma gefunden werden konnte, sind dort nun auch die verpflichtenden archäologischen Grabungen abgeschlossen. Einer Vermarktung, so Polaschek, dürfte jetzt nur noch die gesunkene Nachfrage im Weg stehen.
Wie entwickelt sich der Schuldenstand?
Zum jetzigen Zeitpunkt geht man in Gerstetten davon aus, dass das Ergebnis des Jahres 2023 etwas positiver ausfallen wird als geplant. „Der Ergebnishaushalt schließt nach den aktuellen Hochrechnungen mit einem Überschuss von rund 2,2 Millionen Euro ab“, fasste Roland Polaschek zusammen. Geplant habe man mit 1,8 Millionen Euro, die Abweichung ergebe sich aus höheren Gewerbesteuereinnahmen.
Zum 1. Januar 2024 rechnet die Gemeinde mit einem Schuldenstand von voraussichtlich 1,3 Millionen Euro. „Bei Rücklagen von 2,6 Millionen Euro“, wie Bürgermeister Polaschek hinzufügte. Bis 2027 werde die Verschuldung aber wohl auf 8,9 Millionen Euro ansteigen. Polaschek weiter: „In 2024 muss mit einem negativen Ergebnis von -1,5 Millionen Euro geplant werden. Demnach wird es notwendig, die Rücklagen aus den vorangegangenen positiven Jahren zum Ausgleich heranzuziehen.“ Bei der Gewerbesteuer rechnet man 2024 mit fünf Millionen Euro. Den absoluten Höchststand hatte man 2022 mit sieben Millionen Euro erreicht, 2023 werden es circa sechs Millionen Euro sein.
Was macht Hoffnung?
Die Erweiterung des Gardena-Werks bei Heuchlingen erfülle ihn mit Zuversicht und Freude, sagte Polaschek. Obwohl das Unternehmen bei der Umsatzentwicklung einen Dämpfer habe hinnehmen müssen, halte es an den Plänen fest und sei seit einigen Wochen Eigentümerin sämtlicher Grundstücke. Die Bauarbeiten an der Gussenstadter Halle liegen im Plan. In Betrieb gehen soll die neue Halle zum Schuljahreswechsel 2024.
Was sorgt für Verärgerung und Frust?
Von einem „gehörigen Maß an Zorn“ spricht Polaschek, wenn er daran denkt, dass die Gemeinde Gerstetten allein im vergangenen Jahr circa zwei Millionen Euro für archäologische Untersuchungen ausgeben musste. Herausragende Funde seien dabei, etwa auf der Gardena-Erweiterungsfläche, nicht zu Tage gekommen, was seiner Einschätzung nach auch nicht zu erwarten war. Als Vergleich zieht Polaschek den mittlerweile geschlossenen Archäopark bei Stetten ob Lontal heran. Dort sei das Land nicht willens, die Ausstellung archäologischer Highlights angemessen zu finanzieren.
Dass der Hebesatz der Kreisumlage angehoben wird, führt in Gerstetten zu Ausgaben in Höhe von 1,4 Millionen Euro über dem Ansatz (insgesamt sieben Millionen Euro). „Das ist gewaltig“, sagte Polaschek, und werde in Zukunft zu einer weiteren Mehrbelastung des Gerstetter Haushalts führen. Geplant ist die weitere schrittweise Erhöhung des Hebesatzes.
Wie geht es mit dem Gerstetter Haushalt weiter?
Auf die Einbringung folgt in der nächsten Sitzung des Verwaltungsausschusses des Gemeinderats die Vorberatung des Entwurfs. Die öffentliche Beratung und Beschlussfassung soll im Januar stattfinden.