Kabarett

Dietlinde Ellsässer und Jakob Nacken im Kulturhof Erpfenhausen: Idylle mit Gülle und Hymne für den Erpf

Schwäbische Philosophie und Exotik: Dietlinde Ellsässer und Jakob Nacken präsentierten Lieblingslieder im Kulturhof Erpfenhausen.

Der Unterschied zwischen Schwaben und Kölnern? Der Kölner versteht „Käse rar“ und der Schwabe eben „Kai se ra“, also hochdeutsch etwa „Wirf sie herunter“, wenn im Schlager „Que sera“ gesungen wird. Und damit ist auch schon sehr viel gesagt über den Freitagabend im Kulturhof Erpfenhausen: Der Käse war rar, nicht aber die Pointen, die warfen Erzschwäbin Dietlinde Ellsässer und Wahlschwabe mit kölschen Wurzeln Jakob Nacken nur so herunter auf ihr Publikum.

Und Lieder gabs, jede Menge wurde gesungen, Lieblingslieder der beiden waren es, aber ganz offensichtlich auch die Lieblingslieder der Zuhörer, die man gar nicht bitten musste, mitzusingen, das lief ganz von selbst. Beileibe nicht nur bei dem „Sie wünschen, wir spielen“, das Wunschkonzert, das gleich zu Beginn angekündigt wurde, damit „koi Kruscht“ gewünscht wird. Mit Erfolg: Die „weißen Rosen aus Athen“ erblühten, um dann als rote Rosen à la Hildegard Knef auf das Publikum zu regnen, „Merci Chérie“ ertönte und lockte Marylou und Lili Marleen hervor. Was immer das Publikum an Liedern wünschte, das Duo erfüllte es. Alles? Na ja, bei den Fischern von San Juan ging das Publikum leer aus. Aber der einstige Hit ist ja wohl wirklich nur noch im Großraum Aalen bekannt. Apropos: Was macht eigentlich Tommy Steiner? Aber das nur am Rande.

Schmetterling und „Tantenna“

Zu den Lieblingsliedern der beiden Protagonisten gehören solche, die sie bei ihren „Tantenna“ – so wird der Plural von Tanten auf Schwäbisch korrekt gebildet – gehört hat und sich zwar wunderte, wo denn auf dem schwäbischen Land ein Schiff herkommen sollte. Und solche, die er im Plattenregal seiner Eltern entdeckte und schon beim Anblick des Covers mit dem Mann mit Hut und Bart und dem Schmetterling verliebt war. Und noch mehr in das Lied selbst: „Butterfly“ von Danyel Gérard sang Jakob Nacken, und das auf Französisch, während das Publikum den Gesang auf Deutsch beisteuerte – keiner, der 1971 bereits auf der Welt war, würde wohl je den Text dieses Superhits vergessen.

Ein Wiederhören gab es auch mit dem Kinderspiel aus vergangenen Tagen, „Kommt ein Rittersmann daher“ – was heißt „hören“! Als „Ganzkörperspiel“ wurde es aufgeführt, mit Dietlinde Ellsässer als wählerische Liese und Jakob Nacken als Rittersmann auf dem Gaul Jürgen. Und gelernt haben die Zuhörer auch was an diesem Abend: nämlich die „Schick-Pflück-Bring“-Regel für „Tulpen aus Amsterdam“, die genau die Reihenfolge aufzeigt, was mit den Tulpen nacheinander passiert, und auch „Zick Zick Zick eröm“ und dessen richtige Stelle bei „Drink doch eene mit“, mit dem Jakob Nacken aus seiner Heimat eine gewisse Exotik in das Programm brachte.

Traritrara auf Schwäbisch

Nicht die einzige übrigens: Bei „Heinrich der Vogler“ bewies Ellsässer Kammersängerinnenqualitäten, und bestimmt würde sie in New York singen, wäre da nicht das große Manko von Big Apple, dass dort kein Schwäbisch verstanden wird. Das brauchte man zum Beispiel für die Liebesgeschichte aus den Zeiten, in denen sich Frischverliebte noch auf Streuobstwiesen annäherten: „Unter Apfelbaum und Nussen“ ließ sich schließlich herrlich „kussen“, und auch dem Refrain mit „Traritraritrara“ ist ordentlich schwäbischer Akzent beizusteuern.

Auf Grace Kellys und Bing Crosbys Pfaden wandelten die beiden bei „True Love“, das in diesem Falle ganz weihnachtlich endete, und fast hätte man glauben können, dass die beiden nicht nur gesanglich zusammengefunden haben, wäre da nicht der Altersunterschied. Dietlinde Ellsässer konnte nämlich bereits Häkeln und Hefezopf machen, als sie auf den Wahlschwaben stieß.

Ostalb-Publikum geknackt

Glücklicherweise, denn sonst wäre dieser Abend nicht möglich gewesen. Ein Abend, der so fluffig, leicht und locker daher kam, als improvisierten die beiden in einer Tour. Und das trifft garantiert auf die Interaktion mit dem Publikum zu, die gerade Dietlinde Ellsässer – im Übrigen noch ledig aus Eigenwilligkeit – immer wieder in schönschter Schwabenherzlichkeit an den Tag legte. Absolut nicht auf „d’Gosch gfalla“, das kann ihr in jedem Fall bescheinigt werden, und aus der Rolle der typischen Schwäbin fiel sie dabei auch in keinem Moment. Aber auch Jakob Nacken hatte seine Sternstunde: Als er aus den aus dem Publikum zugerufenen Begriffen in Windeseile eine Hymne für Erpfenhausen komponierte und textete, in der sich Gülle in Hülle und Fülle auf Idylle und Verharren auf Schäferkarren reimte und Applausen für Erpfenhausen angesagt war, das war schon großartig, auch wenn weiterhin ein Geheimnis bleiben wird, was denn ein Erpf wohl ist.

Nein, Käse gab es an diesem Abend nicht. Nicht am Imbissstand des Musikvereins Altheim, dessen kreisübergreifender Einsatz als Beginn des Weltfriedens gesehen werden kann. Und schon gar nicht auf der Bühne, wo der Abend mit einem gemeinsamen Kanon „Es tönen die Lieder“ so brillant endete, dass Dietlinde Ellsässer, immer wieder argwöhnisch einem Ostalb-Publikum gegenüber stehend, zugeben musste: „Wer hätt‘ denkt, dass des no so ausgoht“. Zugaben gab’s mit einer Hommage an Heiner Kondschak und dessen Vertonung eines Hölderlin-Gedichts und sinnigerweise einem Schlaflied von James Krüss. Das Publikum hätte auch noch eine dritte Zugabe vertragen und klatschte eifrig. Doch Dietlinde Ellsässer, knitz wie sie ist, weiß: „Das wäre wie das dritte Stück Schwarzwälder Kirschtorte. Desch z’viel“, gab sie ihre Schwabenphilosophie preis. Und das ist ja auch kein Käse.

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