Im Grunde haben die Gerstetter gelernt, optimistisch zu sein. Hiobsbotschaften, vor allem finanzieller Natur, haben sich in der Vergangenheit oftmals und glücklicherweise einfach nur als Botschaften erwiesen. Am Ende kam es meistens weniger schlimm als befürchtet. Entgegen der Erwartungen fällt das Ergebnis des Gemeindehaushalts nun etwa nicht negativ aus. Statt einem Defizit von 1,5 Millionen Euro steht die Gemeinde nun tatsächlich mit einem Plus von 700.000 Euro da.
Das mag zwar auf einen Einmaleffekt zurückzuführen sein, erfreulich ist es für die Gerstetter dennoch. Was im zurückliegenden Jahr gut und weniger gut lief, was im vorliegenden Jahr zu erwarten und zu bewältigen ist, drauf blickten die drei Fraktionsvorsitzenden in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Auszüge aus den Reden von Franz Kraus (Freie Wählervereinigung), Sigrun Nagel (Grüne und Unabhängige) sowie Georg Jäger (Kommunale Wählergemeinschaft/SPD):
Das sagt die Freie Wählervereinigung …
… zu den Auswirkungen der weltpolitischen Lage auf Gerstetten: Als „Zeiten, die kaum herausfordernder sein könnten“ bezeichnete Franz Kraus die aktuelle geopolitische Lage. Umso wichtiger werde es für Kommunen wie Gerstetten, Bürgerinnen und Bürgern in ihrem direkten Lebensumfeld Stabilität und Verlässlichkeit zu gewährleisten. „Bislang sind wir verhältnismäßig gut durch die vergangenen Krisenjahre gekommen“, so Kraus. Allerdings wird in Gerstetten bis 2028 ein Anstieg der Verschuldung auf 15,8 Millionen Euro prognostiziert. Aller Wahrscheinlichkeit werde die Gemeinde in der Realität aber besser dastehen als befürchtet.
Bislang sind wir verhältnismäßig gut durch die vergangenen Krisenjahre gekommen.
Franz Kraus, Fraktionsvorsitzender FWV
… zum größten Projekt im Jahr 2025: Rund 13 Millionen Euro will Gerstetten in diesem Jahr investieren. Der Löwenanteil von vier Millionen Euro soll in den Neubau des Feuerwehrmagazins an der Heuchstetter Straße fließen. Wie die beiden anderen Fraktionsvorsitzenden auch, verwies Kraus darauf, dass dieses Unterfangen nur durch Subventionen möglich sei. „Wir hoffen natürlich sehr, dass die erwarteten Zuwendungen des Feuerwehrwesens Z-Feu und die kalkulierten Mittel aus dem Ausgleichsstock gewährt werden.“ Insgesamt wird der Bau des Magazins mit acht Millionen Euro zu Buche schlagen, bis 2026 soll er fertiggestellt sein – möglich sein wird das nur durch finanzielle Hilfe.
… zum Bürokratieabbau: Kritik äußerte Kraus an der seiner Ansicht nach unzureichenden Beteiligung von Bund und Land, etwa wenn es um Kosten in der Geflüchtetenhilfe gehe. Mehr noch, den Kommunen würden immer mehr Aufgaben übertragen, dort würden sie immer größere Haushaltslücken reißen. Das Resultat aus dieser Entwicklung sei klar: „Ausgeglichene kommunale Haushalte mit schwarzen Zahlen sind zwischenzeitlich die Ausnahme“, beklagte der FWV-Vorsitzende mit Verweis auf den zuvor prognostizierten Schuldenanstieg. Ein Bürokratieabbau sei weiterhin dringend erforderlich.
Das sagen Grüne und Unabhängige …
… zum Energiebedarf: Auf Gerstetter Gemarkung werde laut Sigrun Nagel annähernd der gesamte gemeindeeigene Bedarf an Strom durch Photovoltaik-, Wind- und Biogasanlagen gedeckt. Allerdings mache Strom nur 22 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs aus, die restlichen knapp 80 Prozent kommen durch Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Bau und Haushalt zustande. „Diese 80 Prozent nutzen wir also weiterhin auf Kosten anderer Regionen. Es ist unsere Pflicht, dieses Loch zu verkleinern“, so Nagel.
… zu klimafreundlichen Möglichkeiten: Im Bausektor plädierte Nagel für verträgliche verdichtete Bebauung wie zum Beispiel am Seeplatz. Prinzipiell seien Sanierungen Neubauten vorzuziehen, ein Thema, das in der Diskussion um die Zukunft des Rathausgebäudes unbedingt berücksichtigt werden müsse. Im Bereich Landwirtschaft und Verkehr pochte Nagel auf die Stärkung regionaler Vermarktung und des Einzelhandels. Auch der Radwegeplan würde dazu beitragen. Gleichzeitig wolle man über die weitere Ausweisung flächiger 30er-Zonen in den Ortschaften diskutieren. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien blickte Nagel in ihrer Rede zudem auf das Biotopverbundkonzept, welches Gerstetten wohl in diesem Jahr beschäftigen wird.
Wollen und können geflohene Menschen, die zum Teil sehr gut integriert sind, zurückkehren?
Sigrun Nagel, Fraktionsvorsitzende Grüne und Unabhängige
… zum Wahljahr 2025: Doppelte Neuwahlen stehen am 23. Februar an. Neben der Bundestagswahl wird in Gerstetten ein neues Gemeindeoberhaupt gewählt. Nagels Appell an die Bürger: „Gehen Sie wählen, stärken Sie mit Ihrer Stimme demokratische Parteien und informieren Sie sich gründlich über die Menschen, die sich für unser Bürgermeisteramt bewerben.“ Die Auswirkungen der jüngsten internationalen politischen Turbulenzen, etwa in Syrien und der Ukraine, werden laut Nagel auch in Gerstetten zu spüren sein: „Wollen und können geflohene Menschen, die zum Teil sehr gut integriert sind, zurückkehren? Wie wirkt sich das auf den Fachkräftemangel aus?“
Das sagt die Kommunale Wählergemeinschaft/SPD …
… zur hohen Investitionssumme: Auch Georg Jäger sprach die rund 13 Millionen Euro hohe Investitionssumme an: „Hier sprechen wir nicht über Luxusinvestitionen, sondern über notwendige Maßnahmen in unserer Gemeinde.“ Gleichzeitig müsse die Kommune diese Projekte angehen, obwohl oftmals noch gar nicht klar sei, ob verschiedene Subventionen von Bund und Land überhaupt gewährt werden – „oder bereits ein oder mehrmals abgelehnt worden sind“, so Jäger. Insbesondere Sanierungen im Bereich Bildungszentrum dürfe man dabei nicht aus den Augen verlieren. Georg Jäger: „Investitionen in Erziehung und Bildung, und damit überwiegend in unsere Kinder, sind lohnende Investitionen, ja, gegebenenfalls sogar lohnende Schulden, wenn nötig.“
Da brauchen wir uns doch nicht zu verstecken.
Georg Jäger, Fraktionsvorsitzender KWG-SPD
… zum sanften Tourismus: Mit Blick auf die derzeit stattfindende Tourismusmesse CMT erwähnte Jäger den sanften Tourismus auf der Gerstetter Alb. „Da brauchen wir uns doch nicht zu verstecken.“ Ob Museen, Natur und Wanderwege, kulinarische Versorgung, aber auch die Wiederbelebung des Bahnhotels – Gerstetten habe viel zu bieten. Jäger plädierte dafür, Übernachtungsmöglichkeiten auszubauen, etwa in Form von Wohnmobilstellplätzen. „Hier scheint noch Luft nach oben zu sein.“
… zur Versorgung der Bürger: Die Gemeinde solle „tunlichst vermeiden“, Bürgern eine Mehrbelastung, etwa durch Gebührenerhöhungen im Bereich Wasser, zuzumuten, so Jäger. Es gelte, nicht zuletzt mit dem Gerstetter Wasser sorgsam zu wirtschaften. „Da passt ein Anstieg unseres Wasserverlustes, wie bei der Darstellung im Wirtschaftsplan wiederzuerkennen, nicht zusammen.“ Jäger rege daher an, Detektoren wieder verstärkt einzusetzen, um Lecks zeitnah zu erkennen. Auch die Versorgung von Seniorinnen und Senioren im Ort müsse geboten werden. Dazu gehören laut Jäger die Aspekte Betreuungsmöglichkeiten und barrierefreie Zugänge, Grundversorgung mit Lebensmitteln, etwa in Form von warmen Mahlzeiten sowie eine „ordentliche“ ärztliche Versorgung.