Bislang konnten Eltern in Gerstetten ein Angebot nutzen, dass es in dieser Form eher selten gibt. Flexibel zwischen verschiedenen Betreuungszeiten, also zwischen der normalen Betreuung, verlängerten Öffnungszeiten und Ganztagsbetreuung zu wechseln oder sie zu kombinieren, war in Gerstetten Standard. Im November entschieden sich Gemeindeverwaltung und -rat, die Option der flexiblen Buchung wieder abzuschaffen. Entsprechend groß sind der Frust und das Unverständnis aufseiten der Eltern. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats machten mehr als ein Dutzend von ihnen ihrem Ärger Luft.
„Wir können eine solche Entscheidung nicht einfach hinnehmen“, äußerte eine Vertreterin der Eltern des Gussenstadter Kindergartens an Verwaltung und Gemeinderat gerichtet. In Zeiten, in denen überall Flexibilität gefordert werde, sei dieser Beschluss des Gremiums unverständlich. Als Folge dessen könne die Vertreterin ihr Kind künftig etwa nur noch für eine ganze Woche anmelden, selbst wenn eigentlich nur ein einzelner Tag nötig wäre.
Wir können eine solche Entscheidung nicht einfach hinnehmen.
Vertreterin der Eltern des Gussenstadter Kindergartens
Darüber hinaus hätte die flexible Kombination von Betreuungsformen bislang ermöglicht, dass zwei Kinder sich einen Betreuungsplatz hätten teilen können. Nun sei das nicht mehr möglich. „Und dadurch können weniger Kinder einen Betreuungsplatz buchen“, so der Vorwurf der Vertreterin.
In der Novembersitzung hatte die Gemeindeverwaltung den Beschluss mit folgenden Argumenten gerechtfertigt: In den Kindertageseinrichtungen seien die Fachkräfte durch das flexible Angebot stark gefordert und belastet. Kindern fehle durch teilweise täglich wechselnde Anwesenheitszeiten Kontinuität und Sicherheit, der Verwaltungsaufwand sei im Gegenzug enorm. Angesichts der angespannten Personalsituation wurden Eltern daher aufgerufen, sich für eine Betreuungsform zu entscheiden.
Personal in Gerstetter Kitas entlasten
Dass durch den Beschluss tatsächlich Personal eingespart werde, daran hatte die Vertreterin aus Gussenstadt ihre Zweifel. Die Gemeindeverwaltung hält jedoch daran fest. Auf Anfrage der HZ erklärt Susanne Ernst von der Stabsstelle des Bürgermeisters: „Leitung und Betreuungspersonal müssen jeden Tag neu planen, um den Tag im Tagesplan neu zu gestalten. Vor allem für Vertretungskräfte und in der Notbetreuung ist das sehr herausfordernd.“ Das Personal werde durch diesen Schritt also sehr wohl entlastet.
Eine Mutter, deren Kind im Heldenfinger Kindergarten untergebracht ist, zeigte sich irritiert über den Zeithorizont des Beschlusses. Denn eigentlich soll für bestehende Verträge Bestandsschutz bis September dieses Jahres gelten, für neue Verträge gilt bereits ab sofort: Nur noch eine Betreuungsform ist möglich. Ausnahmen soll es nur in bestimmten Fällen geben. Jene Mutter gab an, bereits jetzt keine Änderungen mehr vornehmen zu können. Auf Anfrage erklärt Ernst: „Hier kam es tatsächlich zu einem Missverständnis. Die Gespräche mit den Eltern und den Einrichtungen sind anberaumt.“
Leitung und Betreuungspersonal müssen jeden Tag neu planen, um den Tag im Tagesplan neu zu gestalten. Vor allem für Vertretungskräfte und in der Notbetreuung ist das sehr herausfordernd.
Susanne Ernst, Stabsstelle Bürgermeister
Zusätzlich zum Thema Betreuungsformen macht sich unter den Gerstetter Eltern Unmut über einen weiteren, im November gefällten Beschluss breit. Dabei ging es um die Einstellung des Angebotes der Zubuchung eines Mittagessens für Kinder in der Betreuungsform verlängerte Öffnungszeit.
Auch hier sind laut Gemeindeverwaltung aufgrund der steigenden Nachfrage die Kapazitäten sowohl räumlich als auch personell ausgereizt. Ein warmes Mittagessen muss nur Kindern angeboten werden, die länger als sieben Stunden am Tag in der Kita betreut werden. Für Kinder, die in der verlängerten Öffnungszeit angemeldet sind, besteht derzeit keine Pflicht.
Diskussionen um Mittagessen in Kitas
Ein Mitglied des Elternbeirats erzählte, dass ihr Kind, selbst wenn es bis 13 Uhr in der Kita bleibe, aufgrund dieses Beschlusses nicht mit den anderen Kindern zusammen mittagessen dürfe. Sie bat darum, den Beschluss zu überdenken und ihn vielleicht sogar zurückzunehmen.
Dass sowohl die Änderungen in Sachen Betreuungsformen als auch beim Mittagessen im Gemeinderat nicht für Jubelschreie sorgen, war bereits bei der Novembersitzung herauszuhören. Auch in der jüngsten Sitzung äußerten die Ratsmitglieder Verständnis für die Belange der Eltern.
So wie ich es jetzt höre, ist es nicht gut gelaufen.
Roland Polaschek, Bürgermeister Gerstetten
Etwas verwirrt zeigte sich das Gremium darüber, was es eigentlich genau im November für welche Einrichtungen beschlossen hatte. Denn während die Einstellung der flexiblen Betreuungsform-Kombinationen für alle Kitas in Gerstetten – sowohl in kommunaler als auch in kirchlicher Trägerschaft – gilt, betrifft der Punkt Mittagessen nur die beiden Einrichtungen in der Trägerschaft der Gemeinde Gerstetten: das Kinderhaus Pfiffikus und den Kindergarten Heldenfingen. „Es ist eventuell der Eindruck entstanden, dass nur das Kinderhaus Pfiffikus für die Beschlüsse betrachtet wurde, da bezüglich des Raumangebotes beim Mittagessen Bilder aus dem Kinderhaus bei der Sitzung des Gemeinderates am 26. November 2024 gezeigt wurden“, heißt es aus der Bürgermeister-Stabstelle.
Wie geht es nun weiter? Hat der Protest der Gerstetter Eltern etwas gebracht? Womöglich schon, denn in der Sitzung äußerte Bürgermeister Roland Polaschek: „So wie ich es jetzt höre, ist es nicht gut gelaufen.“ Er gab an, dass man den Beschluss bezüglich der Betreuungszeiten noch einmal überdenken und gegebenenfalls auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung setzen wolle. Entsprechende Gespräche seien inzwischen anberaumt.
Noch hat jedes Kind einen Betreuungsplatz
Aktuell gebe es in allen Kindertageseinrichtungen ausreichend Betreuungsplätze in den unterschiedlichen Betreuungsformen. „Es ist uns bislang immer gelungen, in jedem Teilort für jedes Kind einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen“, versicherte Polaschek. „Aber es wird schwieriger.“