Es ist eine fast traurige Geschichte, die ein Gerstetter Ehepaar, beide knapp 60 Jahre alt, vor das Heidenheimer Amtsgericht brachte. Finanziell geht es den beiden alles andere als gut. Der Mann arbeitet als Anlagenführer im Schichtdienst mit Mindeststundenlohn, die offenbar gesundheitlich angeschlagene Ehefrau ist nicht berufstätig. Von 1500 Euro im Monat lebt das Paar, bezahlt eine kleine Miete für eine bescheidene Wohnung, die mit Holz beheizt wird, und alle Unkosten.
Im April dieses Jahres standen die beiden vor der Frage: Was tun, wenn der Kühlschrank leer ist, der Geldbeutel auch und der nächste Lohn noch nicht auf dem Konto?
Das Paar beschloss, sich in einem Gerstetter Supermarkt ein paar Sachen „zu besorgen“. Ein bisschen Fleisch- und Wurstwaren, Ketchup und Erdnüsse im Gesamtwert von etwas über 25 Euro packte sich der Mann unter seine Jacke. Vielleicht wäre das Paar damit sogar ungeschoren davongekommen, doch der zufällige Fund eines Geldbeutels wurde dem Paar zum Verhängnis. Dieser lag im Eingangsbereich vor der Bäckertheke und die Frau konnte der Versuchung wohl nicht widerstehen. Sie nahm den Geldbeutel an sich, versteckte ihn unter ihrer Jacke und brachte ihn hinaus ins Auto.
Diebstahl des Geldbeutels auf Video entdeckt
Wenige Minuten später fiel einer Kundin der Verlust ihrer Geldbörse auf und sie wandte sich aufgeregt an eine Verkäuferin. Diese bezog den Hausdetektiv ein, weil sie hoffte, den verloren geglaubten Geldbeutel auf den Überwachungsvideos zu finden. Tatsächlich hatte die Kamera festgehalten, wie die Angeklagte den Geldbeutel aufhebt und verschwinden lässt. Auch der Diebstahl der Lebensmittel wurde auf den Videos entdeckt.
Soweit wäre das Paar noch mit einem einfachen Diebstahlsdelikt davongekommen, doch der Angeklagte hatte in seiner Hosentasche ein Springmesser, sodass die Anklage deshalb auf Diebstahl mit Waffen lautete. Auch wenn der Angeklagte beteuerte, dass er nie und nimmer das Messer als Waffe habe einsetzen wollen. Er trage es immer bei sich, seit er vor langer Zeit irgendwann auf einem Billigmarkt gekauft habe. Doch ausgerechnet diese Art von Messer ist inzwischen als verbotene Waffe eingestuft, was zu einem zusätzlichen weiteren Anklagepunkt führte.
Jeder Monat ein Kampf, seit alles so teuer ist
„Das war eine dumme Idee aus Verzweiflung“, erklärte der Angeklagte auf die Frage von Richter Dr. Christoph Edler, warum sich das bisher unbescholtene Paar überhaupt auf Diebestour gemacht habe. Man kämpfe jeden Monat, um geradeso über die Runden zu kommen. „Aber jetzt ist doch alles teurer geworden“, und wenn dann noch eine Sonderausgabe anstehe, sei es sehr schwer für sie, mit dem wenigen Geld auszukommen.
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sprach von einer typischen Tat, aber untypischen Angeklagten. Das Argument des Ehepaars, dass man den gefundenen Geldbeutel bei der Polizei habe abgeben wollen und auf einen Finderlohn gehofft habe, wertete sie jedoch als Schutzbehauptung.
Sie forderte mit sechs Monaten Freiheitsstrafe die Mindeststrafe bei Diebstahl mit Waffen, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Auch Richter Dr. Edler teilte die Auffassung, dass der Tatbestand erfüllt sei, zudem noch mit einer verbotenen Waffe. Er verhängte für beide Angeklagte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Statt einer Geldauflage gab es, angesichts der Geldnot, die Auflage zu jeweils 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Die Notsituation müsse berücksichtigt werden, rechtfertige aber nicht die Tat, begründete der Richter das Urteil. Doch auch ihn ließ die finanzielle Situation des Paares nicht unbeeindruckt. Obwohl der Mann arbeiten gehe, bliebe am Ende nicht mehr übrig, als wenn das Paar Bürgergeld beziehen würde, stellte er fest.
Diebstahl mit Waffen
Während ein „normaler“ Diebstahl meistens mit einer Geldstrafe geahndet wird, liegt die Mindeststrafe bei einem Diebstahl mit Waffen bei einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten (die zur Bewährung ausgesetzt werden kann). Es reicht dabei aus, wenn eine Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand mit sich geführt wird und dieser theoretisch dazu eingesetzt werden könnte, jemanden zu verletzen.